Ich arbeite seit sechs Jahren im NGO-Bereich – inklusive Überstunden, Wochenend-Bereitschaft und Dienstreisen. Wie schafft man es, in einem Job abzuschalten, der auch Lebensinhalt ist?
24/7 sozial engagiert
Ein Klischee über das Arbeiten in sozialen Organisationen begegnet mir immer noch: Man kommt im Wollpullover zur Arbeit und hat sein Hobby zum Beruf gemacht, in dem man eben hauptberuflich demonstriert und ansonsten mit dem Stress der Wirtschaft wenig zu tun hat. Doch durch die zunehmende Professionalisierung von in diesem Sektor agieren diese eher wie Unternehmen. Das wirkt sich auch auf die Angestellten aus.
„Wer sich bei einer NGO bewirbt, der weiß, was auf ihn zukommt. Die Grenzen der Selbstausbeutung bestimmt man immer selbst“, sagt ein Interviewteilnehmer einer Studie* über Umwelt-NGOs. Klingt einfach, ist es aber nicht. Der Einsatz für „das Gute“ motiviert natürlich einerseits enorm – andererseits kann die emotionale Betroffenheit, die mit solchen Jobs oft einhergeht, dazu führen, dass die nötige professionelle Distanz fehlt. „Menschen treten vor allem aus innerer Überzeugung in diese Branchen“, so Sharon Oster, Professorin für Management und Unternehmensführung in Yale. Motivierte, idealistische und engagierte Menschen gelten als besonders Burnout-gefährdet, wie auch Fabienne Riener kürzlich auf EDITION F beschrieb: Wer hoch motiviert und engagiert in den Job geht, kann nach der ersten Phase der Begeisterung tief fallen.
Dazu kommt: Die Digitalisierung unserer Arbeitswelt führt zur Dauererreichbarkeit. Keine neue Erkenntnis; diese Probleme wurden vielfach diskutiert und viele Firmen reagieren darauf, etwa, indem sie Mitarbeiter*innen verbieten, Mails nach Feierabend zu lesen. Umwelt- oder Naturkatastrophen kennen aber kein Wochenende und keinen Feiertag, Kampagnen keine 40-Stunden-Woche und Social-Media keinen Feierabend um 17 Uhr. Wie geht man mit dieser Entgrenzung der Arbeit und schafft es, den Akku wieder aufzuladen?
Klar: Jeder Mensch ist anders und geht auch anders mit Stress um. Ein paar dieser Tipps können aber helfen, den Kopf frei zu bekommen und so wieder neue Energie zu bekommen, um die Welt weiter zu retten:
1. Freie Zeiten einplanen
Dieser Tipp steht aus gutem Grund ganz oben: Weil er am wichtigsten und am schwersten einzuhalten ist. Aber man braucht Zeiten, in denen klar ist: Jetzt habe ich frei – egal, was passiert. Das hilft schon während stressiger Zeiten im Vorfeld, weil man schon Licht am Ende des Tunnels sieht, wenn man weiß: Bald steht ein langes Wochenende ohne Diensthandy an. Und dann sollte man es auch wirklich durchziehen. Keine Mails checken im Urlaub, keine Twitter-Mitteilungen überprüfen, kein Blick auf Facebook-Kommentare.
2. Andere Hobbys suchen
Oft sehe ich spannende Vorträge, Artikel oder Dokumentationen zu Feminismus, Umwelt oder Nachhaltigkeit. Zusätzlich zur Arbeit und gerade in Kampagnen-Hochphasen tut es aber auch extrem gut, einfach eine banale Zeitschrift zu lesen oder Serien zu gucken. Etwas, das thematisch nichts mit der Arbeit zu tun hat. Ein Hoch auf House of Cards und Gilmore Girls!
3. Gemeinsam lachen
Ein Punkt, für den man vor allem eins braucht: Ein gutes Team. Manche Arbeitssituationen sind so stressig, blöd und frustrierend, dass es nur noch eine Möglichkeit gibt: zusammen mit den Kollegen zynisch sein, lachen und das Ganze nicht mehr ernst nehmen. Oft ist es am Ende dann doch „nur ein Job“.
4. Den oder die richtige*n Vorgesetzten haben
Der Lohn ist gerade bei NGOs kein Antrieb, denn die dicken Gehälter gibt es in dieser Branche nicht. Anerkennung aber schon. Klar, seine*n Vorgesetzten kann man sich meist nicht aussuchen. Wenn man aber (wie ich) Glück hat und drauf zählen kann, dass die Teamleitung oder Abteilungsleitung uneingeschränkt hinter einem steht und einem auch Auszeiten zugesteht, nimmt das viel von dem Druck, den man sich selber macht.
5. Sachen sein lassen
Wohl jede*r hat das Idealbild, was man alles machen kann, alles machen sollte und natürlich auch den Anspruch, wie perfekt alles gemacht wird. Manchmal muss man seine Erwartungen aber auch ändern. Man kann sich nicht um alles in der Welt kümmern. Man kann auch mal Sachen nicht machen – und dafür andere mit Ruhe und Sorgfalt.
*Lesetipp: Köster, Viola: „Umwelt-NGOs. Über die Wirkungen und Nebenwirkungen ihrer Professionalisierung“
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