Der berufliche Schritt ins Ausland. Ein Kommentar über die Diskrepanz der Wahrnehmung von außen als “nur ins Ausland mitreisende Ehefrau” und meine Sicht der Dinge.
Da mein Mann beruflich entsendet wird, steht bald der Umzug nach Kanada ins Haus. In den letzten Monaten wurde ich wiederholt gefragt, wie es für mich sei, dahin “nur mitzugehen”. Wie ich mich dabei fühle. Was ich in der Zeit machen werde. An diesem kleinen Wörtchen “nur” habe ich mich gestört.
Ich bin nicht nur der Anhang
Nein, natürlich reise ich nicht einfach “nur” mit. Nach Kanada zu ziehen war eine gemeinsame Entscheidung meines Mannes und mir. Der Auslöser für den anstehenden Umzug war zwar eine Anfrage des Arbeitgebers meines Mannes und somit initial nicht von mir beeinflusst. Nichtsdestotrotz würden wir nicht umziehen, wenn ich nicht zu 100 % hinter unserer Entscheidung stehen und mich darauf freuen würde.
Ich sehe mich selbst nicht als die “nur mitreisende Ehefrau” oder als schmückendes Beiwerk.
Umso mehr frage ich mich, warum dies von Zeit zu Zeit so wahrgenommen wird?
Die kurze Zeit der Selbstfindung
Kurz nach der Anfrage des Unternehmens vor einem Jahr gab es Zeiten, in denen ich hin- und hergerissen war. Zeiten, in denen ich mich selbst und meine Rolle in dem ganzen Szenario erst einmal finden musste. Es wäre schlimm, wenn es nicht so gewesen wäre. Verständlich, oder? Immerhin ist es ein großer Schritt, noch dazu mit Familie!
Nachdenken, Pläne machen und wieder umwerfen, neue Perspektiven suchen, Chancen und Risiken abwägen, all das gehört bei einem solchen Schritt dazu.
Dadurch, dass ich also vor einem Jahr alles intensiv durchdacht habe und auch mal angezweifelt habe, bin ich seitdem umso sicherer und gefestigter in der Entscheidung, gemeinsam mit meinem Mann diesen beruflichen Schritt nach Kanada zu machen.
Ich bin ein wichtiger Erfolgsfaktor
Ob ich also “nur” mitreise oder ob meine eigene Rolle eine ganz andere ist, ist hierbei essentiell.
Es ist bewiesen, dass ins Ausland mitreisende Familienangehörige definitiv zum Erfolg oder eben Misserfolg einer Entsendung beitragen. Deswegen war es auch meinem Mann sehr wichtig, von mir zu hören, dass ich es möchte!
Warum sollte ich also nicht Karriere machen?
Oftmals wird die Entsendung des Einen als Karrierebruch für den oder die Partnerin dargestellt. Wirklich schade. Natürlich passt so ein Schritt manchmal mehr und manchmal weniger. Und deswegen ist es umso wichtiger, dass die Entscheidung gemeinsam getroffen wird. Für mich persönlich ist die Entsendung definitiv kein Karrierebruch, es ist lediglich ein anderer Weg, den ich auf meinem Karrierepfad einschlage.
Ich sage immer “Der Weg ist das Ziel – Karrierepfade sind unergründlich”. Und genau das ist das unglaublich Spannende und Faszinierende in einem Arbeitsleben: sich immer wieder neuen Herausforderungen und Veränderungen zu stellen.
Mir hat sich durch die Entsendung in den letzten Monaten ein komplett neuer Arbeitsmarkt erschlossen und dies meine ich nicht nur geografisch, also eben durch potentielle Jobs in Kanada bzw. den USA. Nein, auch meine geplante berufliche Umorientierung hat sich dadurch fast von ganz allein ergeben. Und dafür bin ich lediglich nebenberuflich einem starken Interesse nachgegangen und habe mir ein passendes Netzwerk aufgebaut.
Ich wollte mich immer selbstständig machen und freiberuflich arbeiten. Es zeichnet sich ab, dass ich auf einem guten Weg dahin bin. Auch meine Arbeitsweise wird sich ändern. Ich werde nicht nur vor Ort in Kanada arbeiten, sondern auch ortsunabhängig – zum Beispiel als freie Autorin für Online-Journale.
Es ist der richtige Zeitpunkt
Die Entscheidung meines Mannes und mir, ins Ausland zu gehen, kam also genau zum richtigen Zeitpunkt. Ich wollte eine Veränderung und einen Einschnitt! Treffer!
Aber natürlich gibt es auch Paare, bei denen der Zeitpunkt für eine Entsendung ungünstig ist. Bei denen eine/r vielleicht seine Karriere aufgeben oder eine gewisse Zeit pausieren müsste. Zwar gibt es die sogenannten Dual-Career-Entsendungen, bei denen sich auch der “nur mitreisende” Partner ins gemachte Karrierenest setzen kann. Aber obwohl Unternehmen immer mehr für die
Familienangehörigen tun, ist es doch eher die Ausnahme, dass sie auch den oder die Partnerin ihres Angestellten mit einem Job im Ausland versorgen.
Man(n) oder frau müssen dazu bereit sein!
Doch was spricht dagegen, dass Diejenigen, die zunächst “nur” mitgehen, sich nicht auch im Ausland beruflich etwas aufbauen können? Es gibt viele, bei denen dies wunderbar klappt.
Für Jemanden, der sich jedoch nicht vorstellen kann, etwas an der aktuellen Situation zu verändern, ist eine Entsendung natürlich nichts. Ein gewisses Maß an Offenheit für neue Erfahrungen und Toleranz von (zeitweiser) Ungewissheit gepaart mit einer hohen Eigeninitiative ist unabdingbar.