Jedes Jahr wieder suchen viele nach dem perfekten Geschenk. Aber selten kauft man das, was sich der andere wirklich wünscht. Vielleicht ist das perfekte Geschenk ja aber nichts, was man kaufen kann …
Jedes Jahr das gleiche Problem: Was verschenke ich?
Jedes Jahr aufs Neue geht bei mir der Weihnachtsstress los. Ich hetze von Geschäft zu Geschäft, durchstöbere unzählige Online-Shops, kaufe, konsumiere. Und das ab Ende November wie in einem Rausch, einem „Geschenke-Rausch”. Ob Freunde, Verwandte oder meine Eltern: Keiner meiner Liebsten wird vergessen. Immer wieder verbringe ich Stunde um Stunde damit, „DAS” Weihnachtsgeschenk zu finden. Zugegeben: Mir gelingt es nicht immer, etwas passendes zu finden. Und dann? Tja dann muss wohl wieder das Duschgel für Mama und die Flasche Rotwein für Papa herhalten.
Jedes Jahr aufs Neue stehe ich an Weihnachten gebannt vor meinen Liebsten. Nur, um dann Minuten später ein zaghaftes Lächeln zu erhalten. Wenn ich auf die vergangenen Jahre zurückblicke, habe ich immer wieder selbst totalen Stress bereitet – und das alles für ein mildes Lächeln und ein kleinlautes „Danke”.
Warum schenkt man Dinge, die niemand haben will?
Und dann kam dieses Jahr der „Tag X”. Der Tag, an dem ich meine Mutter mit einem dicken Müllsack bepackt vor der Mülltonne erwischt und neugierig hinein geschaut habe. Was ich darin entdeckte? All die Deko-Figuren und Schokopralinen, all die Duschgele, all die „falschen” Geschenke, die ich ihr über die Jahre hinweg gemacht hatte. Ich kam ins Stutzen und dachte zum ersten Mal darüber nach, ob die ach so tollen Geschenke vielleicht doch nicht so toll waren. Bis dahin war mir nicht bewusst, dass meine mühsam ausgesuchten Geschenke Jahre später verstaubt aus dem Keller geholt werden, nur um gesammelt im Müll zu landen. Und zwar ohne, dass sie jemals auf einer Kommode platziert worden waren oder im Badezimmer einen Schwamm berührt hatten.
Als ich festgestellt habe, dass meine Mutter nahezu all meine Geschenke der letzten Jahre in den Müll geworfen hat, hat es endlich „Klick” gemacht. Ich war wütend – wütend über mich selbst, nicht über meine Mutter, die mir jahrelang verschwiegen hat, dass ihr meine Geschenke nicht gefallen. Nicht darüber, dass sie die Deko-Figuren in den Müll geworfen hat. Nein! Es war vielmehr die Wut darüber, dass ich mittlerweile tausende von Euros verschwendet und unnötig ausgegeben habe, ohne dabei jemandem eine Freude zu machen.
Was ist wirklich wichtig an Weihnachten?
Zu diesem Zeitpunkt habe ich zum ersten Mal die Bedeutung von Weihnachten für mich hinterfragt. Warum bloß habe ich jedes Jahr unzählige Geschenke gekauft, Stunden an Zeit investiert, wenn keiner am Ende etwas davon hat?
Und deshalb bin ich sehr froh darüber, dass meine Mutter dieses Jahr so früh mit ihrem Weihnachtsputz und ihrer Aufräumaktion angefangen hat. Denn so hatte ich noch genügend Zeit, mir darüber Gedanken zu machen, was denn ein sinnvolles Geschenk wäre. Ein Geschenk mit Mehrwert. Ein Geschenk, das tatsächlich für den Gegenüber Bedeutung hat.
Dieses Jahr verschenke ich einen Gutschein mit Zeit
Ende November hatte ich dann immer noch keine passenden Geschenke mit besagtem Mehrwert gefunden. Zufällig fiel in diese Zeit ein Telefonat mit meiner Mutter, die sich abermals darüber beschwerte, dass sich mein Vater nie Zeit für sie nehme, obwohl das doch eigentlich das Wichtigste überhaupt sei. Und damit lieferte sie mir die zündende Idee. Auf einen Schlag hatte ich für all meine Lieben ein passendes Geschenk gefunden: Zeit.
An Materielles kann man sich womöglich Jahre später kaum oder gar nicht mehr erinnern, doch an gemeinsame Momente, in denen man Freude verspürt hat, sehr wohl. In diesem Moment beschloss ich als einziges materielles Gut einen Zettel an alle zu verschenken, mit einem Gutschein für Zeit mit mir. Zeit für ein Gespräch, Zeit für einmal Dampf ablassen, Zeit für einen Spaziergang. Egal wie der- oder diejenige die Zeit dann tatsächlich mir mir verbringen will, wir werden gemeinsam den Moment genießen und später von diesem besonderen Geschenk erzählen können. Und wenn wir ehrlich sind: Keine Creme der Welt, sei sie noch so teuer, kann kostbare Erinnerungen schaffen. Zeit ist das Einzige im Leben, das unbezahlbar ist.
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