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„Klimawandel: Grenzenloses Wirtschaftswachstum können wir uns einfach nicht mehr leisten”

Wachstumsdilemma, Ressourcenknappheit, Umweltzerstörung, Klimawandel und Armut sind die drängendsten Probleme unserer Zeit und gefährden unsere Zukunft und die unserer Kinder. Trotzdem streben wir weiter nach grenzenlosem Wachstum. Das ist brandgefährlich!

Grenzenloses Wachstum – wie lange geht das?

Wenn man heute die Nachrichten aus der Politik verfolgt, dann scheint es nur noch darum zu gehen, uns als Konsument*innen zu behandeln und uns zu immer mehr Konsum zu animieren. Das große Unheil, das durch die mediale Landschaft getrieben wird, ist ein verlangsamtes Wirtschaftswachstum oder gar ein Rückgang des Gleichen. Wir alle sind umgeben von Waren, die wir ständig kaufen, wegwerfen und neu kaufen sollen, damit die Rechnung der Ökonomen aufgeht.

Viele der Menschen, die in den ärmeren oder gerade aufsteigenden Regionen der Welt leben, streben genau diesen Lebensstil an. Sie haben Recht, wir leben im Paradies! Aber ich frage mich, wie dieses viel gepriesene Wirtschaftswachstum für alle Menschen auf der Erde unendlich weiter gehen soll, wenn uns gleichzeitig Grenzen gesetzt sind, durch die endliche Menge an Rohstoffen, an Kapazität zur Müllverarbeitung, der Menge an sauberem Trinkwasser und den Grenzen unseres Planeten?

„Beim guten Leben auf einem endlichen Planeten kann es nicht nur um das Konsumieren von immer meWachstumsdilemma, Ressourcenknappheit, Umweltzerstörung, Klimawandel und Armut sind die drängendsten Probleme unserer Zeit und gefährden unsere Zukunft und die unserer Kinder. Trotzdem streben wir weiter nach grenzenlosem Wachstum. Das ist brandgefährlich!hr Dingen gehen. Und genauso wenig um das Anhäufen von immer mehr Schulden. Bei Wohlstand, wenn man ihn richtig  versteht, geht es um die Qualität unseres Lebens und unserer Beziehungen, um die Widerstandsfähigkeit unserer Gemeinschaften und um unser Gefühl für individuelle und kollektive Sinngebung” – Tim Jackson

Was ist Wohlstand?

In der Wirtschaftswissenschaft wird Wohlstand mit steigenden Einkommen und damit mit steigender Kaufkraft gleichgesetzt. Das, was Ökonom*innen als das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf berechnen, also das durchschnittliche Jahreseinkommen pro Person, sollte in dieser Definition jedes Jahr wachsen, um einen steigenden Wohlstand zu feiern. Anders ausgedrückt, ist es die Summe aller Produkte und Dienstleistungen, die gegen Geld in einem Jahr von einer Nation umgesetzt wurden.

Solange das BIP mehr steigt als das Wachstum der Bevölkerung, also die Einwohner*innen des Landes, bleibt nach dieser Rechnung für jeden Einzelnen mehr Geld übrig, um mehr zu kaufen. Sollte das Bevölkerungswachstum größer sein als das Wachstum der Wirtschaft, dann sprechen alle von einer Krise und dem Rückgang des Wohlstands. Aus diesem Grund hören wir alle von unseren Politikern gebetsmühlenartig, dass wir mehr konsumieren sollten und das Maßnahmen getroffen werden sollten, um Kaufanreize zu schaffen, da sonst Arbeitslosigkeit und Not entstehen würden.

Wir gefährden unsere Lebensgrundlage und die unserer Kinder

Aber mit dieser Definition des Wohlstands – mehr Einkommen gleich mehr Konsum gleich mehr Wohlstand – haben wir uns in einen Kreislauf begeben, der nicht unendlich weiter gehen kann. Da wir nun mal nicht unerschöpflich viele Ressourcen zur Verfügung haben, um ständig neue Waren zu produzieren, ist dem Wachstum eine Grenze gesetzt. Zum einen wird die Bevölkerungszahl in allen Ländern in der Zukunft stärker wachsen als jede Wirtschaft und zum anderen werden die Ressourcen zur Herstellung und auch zur Entsorgung all der Dinge, die produziert werden immer knapper und damit immer teurer.

Die größten Umweltprobleme, mit denen wir kämpfen, wie Klimawandel, Artensterben, Wasserknappheit, Bodenerosion und exzessive Nährstoffbelastung; basieren auf dem Wunsch nach immer mehr Gütern zu günstigen Preisen. Dieser Wunsch wird durch eine Landwirtschaft und Industrie bedient, die ziemlich ignorant gegenüber dem sozialen und ökologischem Gleichgewicht ist. Wir verbrauchen in der Regel 60 Prozent mehr Ressourcen als nachwachsen können. Der diesjährige Earth Overshoot Day, der Tag an dem die menschliche Nachfrage nach Rohstoffen, die für das jeweilige Jahr tatsächlich vorhandene Menge übersteigt, war bereits am 1. August 2018, so früh wie noch nie zuvor.

Die Produktion der Waren, geht gleichzeitig mit einer sich ausbreitenden Armut in den Ländern einher, die sie herstellen. Viele Menschen, die für uns das Paradies auf Erden ermöglichen, haben selbst nicht genug zum Leben und gefährdenden ihre Gesundheit, um für unseren Überfluss zu produzieren. Wäre es da nicht besser, den Wohlstand gerechter zu verteilen und darauf zu achten, dass die weltweit vorhandenen Ressourcen für alle zugänglich sind?

Was macht uns wirklich glücklich?

Trotz all der Dinge, die wir besitzen, scheinen die Menschen um uns herum nicht glücklicher zu sein. Die Frage, die wir uns stellen müssen, lautet deshalb: Brauchen wir wirklich alles, was wir besitzen, um glücklich zu sein? Hängt unser Glück wirklich von Dingen ab? Studien haben gezeigt, dass im Vergleich zu den westlichen einkommensstärksten Nationen auch in Ländern mit deutlich niedrigeren Einkommen das gleiche Niveau an guter Gesundheitsversorgung, Bildung und sogar Glück erreichbar ist. Die Erklärung dafür ist, dass wir für mehr Besitz auch immer mehr arbeiten müssen und mehr Geld verdienen müssen, um diesen Besitz zu bewahren und zu verwalten. Wir werden abhängig von unserem Besitz und verknüpfen unsere Zufriedenheit damit.

Aber auch das Gegenteil von Besitz, nämlich Armut, macht unglücklich. Ganz klar, solange die Grundbedürfnisse wie Nahrung, Schlafen, Wohnen, nicht erfüllt sind, ist ein gutes Leben nicht möglich. Diese Armut erleben wir bei mehr als zwei Milliarden Menschen in den ärmsten Regionen der Erde. Das kann nicht richtig sein und wird über kurz oder lang zu noch mehr Konflikten und Krisen führen. Das ist nicht das Erbe, was wir für unsere Kinder hinterlassen sollten.

Das Wirtschaftswachstum in seiner jetzigen Form ist nicht nachhaltig. Der immer höhere Verbrauch an Ressourcen und die damit steigenden Umweltkosten verschärfen die grundlegenden Ungleichheiten beim sozialen Wohlergehen. Dieses Phänomen kannst du sowohl in Deutschland als auch in den anderen Ländern auf der ganzen Welt beobachten. Es ist ein Dilemma, das wir lösen müssen, da wir ganz ohne Wachstum und ohne Plan für die Zukunft in eine Rezessionsspirale geraten, die zu Arbeitslosigkeit und damit zu sinkendem Wohlstand führt.

Was müsste geschehen, um einen Wohlstand ohne Wachstum zu erschaffen?

Dafür müssten, meiner Meinung nach vier Dinge geschehen:

1. Wir müssten eine neue Definition von Wohlstand etabliert werden

2. Wir müssten einen achtsamen und nachhaltigen Lebensweg anstreben

3. Wir müssten konkrete Forderungen an die Politik stellen

4. Wir müssten die Macht der Konsument*innen ausüben

In der Definition von Wohlstand, die die ökologischen Grenzen unserer Erde respektiert, sollte es um die Fähigkeit der Menschen gehen, ein gutes Leben zu führen. Das heißt, der Fokus sollte nicht länger auf materiellen Dingen, sondern auf psychologischen und sozialen liegen. Es darf nicht länger schick sein, immer größere Auto zu fahren und ständig die neuesten Handys zu besitzen. Stattdessen sollte es angesagt sein, sich sozial zu engagieren, wieder mehr mit den Menschen in Kontakt treten und Leistungen wie Handwerk, Kreativität, Pflege und Nahrungsbeschaffung zu schätzen.

Wenn wir beginnen achtsamer mit unserer Lebenszeit umzugehen und nicht mehr irgendwelchen materiellen Statussymbolen hinterher zu hetzen, reduziert sich automatisch unser ökologischer Fußabdruck und wir sind auf dem richtigem Weg, ein nachhaltigeres Leben zu führen. Gleichzeitig üben wir damit eine immense Kraft als Konsument*innen auf die Hersteller*innen und die Industrie aus. Wie oft hast du dich zum Beispiel schon geärgert, daß deine Waschmaschine oder ein Elektrogerät nach kurzer Zeit kaputt gegangen ist. Wenn dein Kaufkriterium in Zukunft die Langlebigkeit und die Möglichkeit zur Reparatur ist, dann kann ein Umdenken im Herstellungsprozess und Produktdesign in Gang gesetzt werden. Es gibt schon heute viele Initiativen, die genau diesen Ansatz verfolgen, zu reparieren statt wegzuwerfen.

Nachhaltigkeit muss subventioniert werden

Genauso wie wir als Konsumenten unsere Macht ausüben können, um Veränderungen zu fordern, können wir dies auch gegenüber der Politik anstreben. Denn die Politiker*innen werden von uns gewählt und müssen im besten Interesse der Gesellschaft und nicht der Industrielobby arbeiten. Obwohl ich durch mein BWL-Studium sehr von der freien Marktwirtschaft und der Selbstregulierung der Märkte geprägt bin, glaube ich nicht länger daran. Es ist eigentlich logisch, dass wir bei jedem Einkauf auf unser Geld achten müssen und im Zweifel auch ehr zu den kostengünstigen Produkten als zu den durchweg nachhaltigen Produkten greifen, einfach aufgrund unseres Budgets, das wir zur Verfügung haben. Aus diesem Grund sollten die Subventionen, die vom Staat vergeben werden, streng an die Aspekte der Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit gekoppelt sein. Denn nur so kann sich jeder zum Beispiel fair produzierte Kleidung leisten oder durchweg Lebensmittel aus der Region kaufen.

Ich denke, wir sollten Politiker*innen wählen, die genau diesen Ansatz verfolgen und die die Grundlagen für nachhaltigen Wohlstand schaffen. Politiker*innen, die glaubhafte Alternativen zum bisherigen Wachstumsdilemma bieten und die gesellschaftliche Teilhabe für alle Menschen ermöglichen.

6 Tipps für mehr Nachhaltigkeit

Es gibt sehr viele Möglichkeiten, unseren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren und mehr Nachhaltigkeit in den Alltag zu integrieren. Das Wichtigste ist einfach anzufangen, denn daraus entwickeln sich in der Regel die nächsten Schritte und das Bewusstsein für die Dringlichkeit.

1. Spare die wertvollen Ressourcen, in dem du wann immer möglich, gebrauchte statt neue Sachen kaufst. Egal ob Klamotten, Möbel, Fahrrad, Küchenausstattung – Ebay, Flohmärkte und Second Hand Läden sind wunderbare Orte, um Dinge zu kaufen oder zu tauschen.

2. Gehe nicht shoppen, um dich zu belohnen oder Langeweile zu besiegen.

3. Hinterfrage deine Kaufentscheidungen, informiere dich über Fair Trade Produkte und wenn du neu kaufst, dann möglichst nachhaltig produzierte Waren. Die Devise lautet Qualität vor Quantität, damit spart du langfristig auch Geld. Unterstütze lokale Projekte und kleine Manufakturen, die Wert auf Qualität statt Quantität legen.

4. Bevorzuge bei Lebensmittel immer regional und saisonal oder baue einen Teil deiner Lebensmittel selbst an. Schon mit einem kleinen Garten oder einem Stadtgarten bist du super klimafreundlich.

5. Denke an die Umwelt und versuche sie zu schonen, wann immer es geht. Zum Beispiel, in dem du das Auto stehen lässt und auf Fahrrad, Bus oder Bahn umsteigst oder zu Fuß gehst.

6. Sprich offen über das Thema mit anderen, denn nur so schaffen wir die breite Basis für Veränderung.

Zur Zeit blockiert leider die herrschende Marktlogik und ihre Dominanz- und Wettbewerbsethos so ziemlich jede ernsthafte Bemühung im Kampf gegen den Klimawandel und damit für eine hoffentlich noch lebenswerte Zukunft für unsere Kinder. Nur mit einem radikalen Umdenken und einem neuen Verständnis für das Wirtschaften können wir die negative Entwicklung noch aufhalten.

Dieser Artikel ist zuerst auf Marthas Blog erschienen. Wir freuen uns, dass sie ihn auch hier veröffentlicht.

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