Reporter auf dem roten Teppich der „Oscar“-Verleihung wissen nun endlich, wie sie ihren Job erledigen sollten.
Gehört das Thema Mode zur „Oscar”-Verleihung?
Als ich zum letzten Mal eine „Oscar“-Verleihung live im Fernsehen sah, war ich wohl ungefähr siebzehn und hatte einen Biorhythmus, der solche Eskapaden bezüglich des Schlafverhalten zuließ. Ich erinnere mich, dass unsere Mädchenrunde das alles unglaublich aufregend und glamourös fand, und ich muss zugeben: Für unsere siebzehnjährige Teenagerhirne waren die Fragen am roten Teppich gerade blöd genug. Uns interessierte damals eigentlich kaum etwas anderes als die Info, ob Juliette Binoche und Kristin Scott Thomas in Prada steckten oder Valentino oder Chanel – außer vielleicht der aktuelle Beziehungsstatus von Leonardo diCaprio.
Und es ist bis heute so, dass es mich mit großer Freude erfüllt, sollte eine Ausgabe der „Gala” in meine Hände geraten, die eine Kleiderschau der letzten „Oscar”-Verleihung enthält. Es wäre wohl sehr vermessen oder unrealistisch oder spaßbefreit, das Thema Mode bei einer Veranstaltung wie der „Oscar”-Verleihung völlig auszublenden. Was nervt, ist die Impertinenz, mit der Schauspielerinnen zur Kleidermarke ihres Vertrauens ausgefragt werden. Beziehungsweise dass Männern diese Frage nicht gestellt wird – wenn schon blöde Fragen, dann für alle die gleichen. Buzzfeed hat vor ein paar Tagen ein Experiment gemacht und bei der Verleihung der britischen „BAFTA awards” ein paar männliche Schauspieler gefragt, was sie heute Abend tragen, das Ergebnis ist recht unterhaltsam anzusehen. Jedenfalls sollten Journalisten, die den besten Schauspielern und Filmschaffenden des Jahres Fragen stellen, den Anspruch haben, dass die potentiellen Antworten auf diese Fragen nicht nur postpubertäre Hollywoodfantasien bedienen, sondern beide Seiten ernst nehmen. Die Befragten, und die Zuschauer.
Deswegen hatte schon 2014 „The Representation Project”, eine US-Plattform, die sich für Geschlechtergerechtigkeit und gegen Gender-Stereotype einsetzt, den Hashtag #AskHerMore verbreitet – mit dem Ziel, Reporter am roten Teppich zu vernünftigeren Fragen anzuregen. Erst in diesem Jahr nun explodierte die Aufmerksamkeit für die Kampagne, auch, weil Seiten wie Amy Poehler´s Smart Girls und Makers den Hashtag unterstützten. Reese Witherspoon zum Beispiel postete ihre Unterstützung auf Instagram.
Hollywood transportiert Stereotype
Ein bisschen oberlehrerhaft wirkt das teilweise schon, etwa die Liste bei „Makers”, auf der unterteilt nach Schauspielerinnen jeweils passende Fragen aufgelistet sind. Besonders bockige Reporter werden so hoffentlich nicht dazu verleitet, jetzt erst recht nach der Nagellackfarbe zu fragen, sondern Schauspielerinnen und Schauspieler einfach das zu fragen, was die Leute jenseits der Kleidermarke interessiert, das dürfte doch eigentlich nicht so schwer sein.
Und es darf nicht vergessen werden, dass auch jenseits der Kleiderfrage natürlich auch in Hollywood Stereotype transportiert werden. Ein schönes Beispiel lieferte die Schauspielerin Jennifer Garner im vergangenen Herbst auf der von „Elle” veranstalteten Konferenz „Women in Hollywood”: Sie erzählte, wie sie und ihr Ehemann Ben Affleck einmal abends ihre Interviewmarathons verglichen: Kein einziges Interview bei ihr, in dem sie nicht darauf angesprochen wurde, wie sie Job und Familie unter einen Hut bringe. Ihrem Ehemann und Vater der drei gemeinsamen Kinder sei diese Frage überhaupt noch nie gestellt worden.
In diesem Sinne auch hier die schon viel verbreitete Dankesrede von Patricia Arquette, die den Oscar als beste Nebendarstellerin in „Boyhood” bekam und mit ihrem Appell für Gleichberechtigung Meryl Streep und Jennifer Lopez fast von ihren Sitzen holte:
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