Bei den Schülerdemonstrationen „Fridays for Future“ sind junge Frauen die Hauptakteurinnen einer sich neu bildenden Jugendprotestbewegung. Interessieren sich junge Frauen doch für Politik?
Bislang belegen Umfragen eher ein anderes Bild. Zwar setzen sich junge Frauen für Themen wie den Klimawandel besonders ein, ansonsten scheint sich aber ihr Interesse an Politik nicht vergrößert zu haben. In einer ALLBUS-Umfrage bekannten die 18- bis 29-jährigen Frauen am
häufigsten, sich “überhaupt nicht” für Politik zu interessieren. Die Aussage “Ich wäre zur Übernahme eines politischen Amtes bereit” bejahten in der Gruppe der 18-34 jährigen Befragten nur 17 % der Frauen, gleichzeitig aber 38 % der Männer. Die zurückhaltende Einstufung des
eigenen politischen Interesses von Frauen korrespondiert mit der Distanz zu politischen Ämtern und Institutionen. Politik wird mehrheitlich als eine Welt der Männer wahrgenommen, in der Eigenschaften und Rahmenbedingungen erforderlich sind, die sie nicht haben: Härte,
Durchsetzungsfähigkeit, Ausdauer und Zeit.
Diese Haltung ist auch durch den familiären Kontext in Deutschland bedingt, bei dem sich sehr
viel weniger junge Frauen als junge Männer unter ihresgleichen über Politik unterhalten. Die Konsequenz dieser Tradition sieht man u.a. in der Alters- bzw. Geschlechterverteilung des 19. Deutschen Bundestags. Hier sind nur 40 von 709 Abgeordneten unter 35 Jahren. Gleichfalls
gehören dem 19. Bundestag nur 219 Frauen an – ein Anteil von 31 Prozent. Betrachtet man die letzten Jahrzehnte, so ist die Wahlbeteiligung der jungen Generation stärker gesunken als die der älteren.
Junge Menschen treten weniger in Parteien ein. Dabei haben Parteien weiterhin wesentlichen Einfluss auf das politische Geschehen, indem sie konkrete politische Ziele formulieren und unterschiedliche politische Auffassungen in die Entscheidungen der staatlichen Organe integrieren. Doch die Shell-Jugendstudien zeigen ein geringes Vertrauen der 12- bis
25-Jährigen in die etablierten politischen Parteien. Sie werden als gut geschmierte Apparate wahrgenommen, auf die man von außen keinen Einfluss nehmen kann.
Die Distanz zu den Parteien schlägt sich aber nicht in einer Ablehnung der Demokratie nieder. Das Dilemma, in dem sich junge Menschen befinden, ist das Gefühl, in der Demokratie gebraucht zu
werden, aber nicht die Möglichkeiten zu haben, dieser Aufgabe gerecht zu werden.
Viele junge Leute verstehen nicht, wie man im komplexen demokratischen System seine Interessen durchsetzt. Sie haben nirgends gelernt, wie man sich per Argument und Mehrheitsbildung Gehör
verschaffen kann. Sie wollen spüren, dass sie Dinge verändern können, aber die Parteien ermöglichen das nach ihrer Einschätzung heute nicht. Hinzu kommt, dass das durchschnittliche deutsche Parteimitglied 60 Jahre alt und eher ein Mann als eine Frau ist. Nur acht Prozent sind unter 30. Wer also als junger Mann in eine Partei eintritt, dem kommt eine besondere Rolle zu.
Junge Frauen sehen sich als absolute Minderheit.