Foto: Rieka Anscheit

Sanja Stankovic: „Berliner Startups sind lauter“

Hamburg und die Startup-Welt. Geht da was? Ein Gespräch mit Sanja Stankovic über unsichtbare Hamburger Startups, Trends und den perfekten Pitch.

 

Sanja Stankovic: Netzwerkerin

Sanja Stankovic ist eine Netzwerkerin. Treibt man sich in der Hamburger Startup-Szene herum, ist man ihr wahrscheinlich schon einmal begegnet. Als Frau erst recht. Sie ist Mitgründerin der Digital Media Women und von Hamburg Startups. Ihr erklärtes Ziel: Sie will Frauen in den Medien und Startups aus Hamburg sichtbarer machen.
 
Seit 2013 berät sie das Reeperbahn Festival beim Aufbau eines neuen Digitaltracks. Mit dem Wunsch etwas für Startups umzusetzen, entstand gemeinsam mit Tim Jaudszims und Sina Gritzuhn auch die Idee zu Hamburg Startups. Sanja selbst bezeichnet sich als Lokalpatriotin. Im Gespräch mit uns erzählt die Kommunikationsexpertin über unsichtbare Startups aus der Hansestadt, Hamburger Startup-Trends und den perfekten Pitch.
 

Sanja, wenn es um Startups geht, geht es meistens um Berlin. Und die Hamburger stöhnen immer, dass niemand an die Elbe schaut, obwohl es dort so viel gibt. Woran liegt es, dass die Sichtbarkeit kleiner ist?

„Ich bin manchmal wirklich erstaunt, dass Serien oder Artikel über Gründer in einigen Magazinen und Zeitungen immer nur über Berlin berichten. Das spiegelt einfach nicht die reale Startup-Szene in Deutschland wieder und ich denke nicht, dass meine Ansprüche an Journalismus zu hoch sind. So einseitige Berichte langweilen mich. Berlin spielt natürlich ein sehr wichtige Rolle und hat sich in Deutschland und Europa zu einem sehr wichtigen Hub entwickelt – nicht nur für Startups. Ich denke, dass ganz Deutschland von dieser Aufmerksamkeit profitiert und diese auch gut gebrauchen kann. Trotzdem wünsche ich mir mehr Diversität in der Berichterstattung. Städte wie Hamburg, München, Stuttgart oder Köln brauchen sich überhaupt nicht zu verstecken. Besonders in letzter Zeit gab es ja nun einige spannende Meldungen.“

Doch woran liegt es nun, dass die Sichtbarkeit kleiner ist?

„Ich habe da sehr persönliche Beobachtungen in Bezug auf Hamburg und Berlin. Zum einen hat Berlin als Stadt einfach sehr viel früher das Thema für sich entdeckt und im Standort-Marketing auch genutzt. Berlin ist natürlich deutlich größer und hat einfach mehr Startups und Fördertöpfe, da Berlin ja auch an den europäischen Töpfen hängt. Ich glaube auch, dass Berliner „lauter“ sind – Hamburger sind ja Norddeutsche und so manche Vorurteile stimmen ja, denn den Hamburgern ist das „Understatement“ immer schon wichtig gewesen. Hier gibt es unheimlich viele erfolgreiche Startups, die richtig Geld verdienen, aber man redet nicht drüber sondern macht halt einfach. Ein weiterer Grund wird die Tatsache sein, dass wir hier einen größeren Fokus auf B2B haben. Somit eignen sich eben viele Startups auch nicht zwingend für die Berichterstattung in den Mainstreammedien. Es bleibt aber auch immer die Frage, ob es soviel bringt darüber zu reden, warum es so ist oder ob man nicht einfach was dran ändert. In Hamburg brodelt es an jeder Ecke, die Anzahl an Startup-relevanten Events steigt immens und nicht umsonst stößt ein Projekt wie Hamburg Startups auf fruchtbaren Boden. Hier passiert viel und ich finde, dass Hamburg in der nationalen Wahrnehmung auch deutlich zugelegt hat.“

Ok, lass uns doch mal konkret werden. Was sind denn die drei Hamburger Kerntrends, die drei Top-Investoren und die drei Stolz-Startups aus Hamburg für dich?

„Hamburg ist stark in den Bereichen E- und Social Commerce, Advertising und als Trend kann man sicherlich auch FinTech sehen. Top-Investoren? Großartig ist der Innovationsstarter Fonds – erst kann man sich Förderung sichern und wenn es gut läuft, passen die sich pari-passu an die Konditionen eines Privatinvestoren an. Platz 2 und 3 lasse ich leer, denn woran Hamburg dringend noch arbeiten muss ist „Lasst uns altes Geld in neue Projekte investieren“. So richtig stolz bin ich auf Tinnitracks, Protonet und Familonet. Erstere arbeiten mit einer Leidenschaft und Professionalität an ihren Projekten, dass ich – wo immer ich kann – sie gern unterbringe. Familonet hat sich unglaublich stark im letzten Jahr entwickelt und viel des erhaltenen Feedbacks umgesetzt. Wenn die so weitermachen, wird das super.“

Wann sollte ein Startup Geld aufnehmen und wann genau nicht?

„Darauf gibt es keine Pauschalantwort, denn jeder Fall ist speziell und muss auch genauso betrachtet werden. Man sollte so lange es geht ohne Fremdfinanzierung auskommen, aber den richtigen Zeitpunkt eben auch nicht verpassen, denn im entscheidenden Moment muss man auch wachsen. Wichtig ist, dass man seine Schwächen kennt und besonders bei der Finanzierung sollte man gute Berater zur Seite haben und diese auch bezahlen, denn meistens haben Gründer ja genau hier keinen Background und im Zweifel spart man dann am meisten Geld. Aufpassen sollte man vor Blendern, denn angebliche Startup-Experten gibt es viele – man sollte gut überlegen, auf wen man sich einlässt.“

Zum Geld gehört ja auch immer der Pitch. Wie sollte ein perfekter Bühnenpitch aussehen?

„Bitte ein bisschen mehr Glamour und Awesomeness. So ein bisschen Rockstart-Appeal tut so einem Pitch sehr gut. Bitte nicht in Fachdetails verlieren, sondern wirklich die eigene Geschichte auf den Punkt präsentieren. Man sollte überlegen, wo man präsentiert und ob man nicht eine besondere Note passend zum Pitch-Event einbauen kann. Nichts ist langweiliger, als mehrmals den gleichen Pitch zu sehen und so divers sind die meisten Jurys ja nicht. Wer Probleme mit dem Präsentieren hat, sollte überlegen sich coachen zu lassen – das bringt wirklich viel.“

Ihr organisiert den Startups@Reeperbahn Pitch, der während des Reeperbahn Festivals stattfindet. Wer sollte sich zum Pitch bewerben?

„Im Prinzip jedes Startup, das sich bereit fühlt zu pitchen. Wir haben natürlich mit dem Mediabudget von SPIEGEL ONLINE in Höhe von 100.000 Euro einen großartigem Preis, aber das steht meines Erachtens nicht allein im Vordergrund. Erstens übt jede Bewerbung – oder man macht endlich sein Pitchdeck fertig – und zweitens, weiß man nie so genau in wessen Hände so ein Pitchdeck gerät. Bei uns zum Beispiel sind im Kuratorium sehr spannende Menschen mit sehr unterschiedlichen Kompetenzen dabei, auch wenn man nicht unter die Finalisten kommt, kann sich daraus sehr viel ergeben. Eine Chance, die man nicht vergeben sollte.“

In der Startupszene gibt es immer noch weniger Gründerinnen als Gründer. Woran liegt es?

„Tja, so richtig valide Zahlen gibt es ja nicht, aber man liest immer wieder von zehn bis 15 Prozent, was natürlich wirklich wenig ist. Ich vermute ja, dass die Zahl eigentlich etwas höher ist, denn nicht so selten haben wir Gründerteams – hier stehen die Frauen häufig nur im Hintergrund. Eine Erkenntnis, die sich in meiner Arbeit als Mentorin immer wieder zeigt: In gemischten Gründerteams geht meist der Mann auf die Bühne. Wäre das anders, wären wir vielleicht bei 20 bis 25 Prozent, was zugegebenermaßen auch nicht besonders hoch ist. Ich kann da nur vermuten. Aussagen wie, dass Frauen weniger risikobereit sind oder aus Sicherheits- und Familienplanungsgründen lieber eine normale Karriere anstreben, haben vermutlich auch ihre Berechtigung. Grundsätzlich kann man aber auf jeden Fall sagen, dass das Thema Frauen und Gründung mehr in den Fokus rückt und Gründungen in der jüngeren Generation mehr und mehr eine Rolle spielen. Als ich studierte gab es gar keine Gründerstudiengänge oder ähnliches. Alles zusammen wird sich hoffentlich in naher Zukunft sehr positiv auf das Zahlenverhältnis auswirken.“

Stell dir vor du hättest eine Millionen Euro, die du investieren dürfest. In welche Firma würdest du investieren und wie wichtig wäre dir ein skalierbares Modell und die Möglichkeit, nach fünf Jahren das Achtfache wieder rauszuholen?

„Das kommt darauf an, ob ich nur die Millionen hätte oder ob ich sie über hätte. Hätte ich nur die eine Millionen, dann würde ich was Eigenes machen. Das müsste in erster Linie disruptiv und natürlich auch skalierbar sein. Ein schneller Exit ist aber kein Muss. Hätte ich die Millionen über, dann würde ich in Medien-Startups investieren, weil Medien für unsere Gesellschaft wichtig sind. Die Medienbranche braucht neue Modelle und natürlich steht neben der moralischen Instanz auch absolut die Wirtschaftlichkeit im Fokus, ansonsten könnte man die Millionen auch in eine Stiftung stecken.“

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