Der Umzug ist erledigt, die Studiengebühren überwiesen – jetzt kann es endlich losgehen. Falsch. Denn die wichtigsten Fragen stehen noch im Raum: Was will ich vom Leben und wie nutze ich die Zeit an der Uni richtig?
Was will ich vom Leben?
Schon vor der Entscheidung für ein Studienfach und damit auch eine bestimmte Uni, ist es an uns, herauszufinden, was wir vom Leben wollen: In welchem Bereich kann ich mir vorstellen, langfristig zu arbeiten? Was kann ich richtig gut? In welche Stadt würde ich gerne umziehen?
Die Annahme, dass mit dem Beginn der Uni alles entschieden ist, man sich mindestens die nächsten drei Jahre voll und ganz den Studieninhalten widmet und das Leben schon irgendwie die richtigen Wege zeigt, trifft leider nicht zu. Denn erst dann, so schrieb der Harvard-Professor Richard J. Light in einem Artikel für die New York Times, fangen die wichtigen Fragen des Lebens an. Während das Studium vor einigen Jahren noch primär anhand der Inhalte oder Strukturen bewertet wurde, steht heute vor allem eine große Frage im Raum: Was bedeutet es für jeden Studenten persönlich, ein gutes Leben zu führen und wie nutzen sie die Zeit an der Uni richtig?
Wünsche vs. Realität
Studenten der Harvard Universität haben in dem Seminar „Reflecting on Your Life“ die Chance, eben dieser Frage auf den Grund zu gehen.
Der erste Impuls, so schreibt Light, sei zwei Listen zu machen: Erst notieren die Studenten, wie sie ihre Woche am liebsten verbringen und mit welchen Aktivitäten sie diese füllen würden. Anschließend machen sie den Realitätscheck und vergleichen diese mit ihrem momentanen Wochenpensum. Bereits dieser erste Vergleich würde viele zum Nachdenken anregen, da oftmals große Differenzen zwischen den Wunschvorstellungen und der Realität bestehen.
Darüber hinaus regen die Dekane die Studenten dazu an, ihre Fächerwahl sorgsam zu überdenken und zu hinterfragen. Sie sollten unbedingt das Fach wählen, das sie glücklich macht und, mit dem sie auch ihre Freizeit verbringen würden. Außerdem sollten sie abwägen, ob sie ihre Talente fokussieren und damit in einem Bereich hervorragend wollen oder sich für ein „pretty good“ in vielen Bereichen entscheiden.
Wie wichtig ist dir Erfolg?
Light animiert die Studenten dazu, weiter zu denken – weiter als bis zur Immatrikulationsbescheinigung, weiter als bis zum Mietvertrag oder den Studieninhalten. Schließlich, das kann vermutlich jeder Student bestätigen, geht es nicht nur um Formeln, Geschichte oder irgendwelche Modelle im Leben, sondern vor allem um Werte. Machst du wirklich das, was dich glücklich macht? Wie wichtig ist dir Erfolg? Geht der Erfolg über Freizeit und Familie?
Für die amerikanischen Studenten, so stellte sich im Seminar heraus, sei insbesondere die Brücke zwischen „Ich will in meinem Beruf sehr gut und erfolgreich werden“ und „Ich will ein toller Vater bzw. eine tolle Mutter sein“ eine große Herausforderung. Light und die anderen Dekanen wollen gemeinsam mit den Studenten diskutieren, ob diese beiden Ziele wirklich im Widerspruch miteinander stehen müssen und wie beides zu vereinbaren ist.
Der Professor jedenfalls macht deutlich: Ein Studium ist viel mehr als das Erwerben von neuem Wissen, Leistungsdruck oder Konkurrenzkampf. Wir alle, Notiz an mich, sollten die Zeit an der Uni tatsächlich dazu nutzen, unsere Fragezeichen im Kopf zu ordnen, unsere Entscheidungen zu reflektieren, Antworten darauf zu finden, wie für uns denn „a good life“ überhaupt aussieht und, wie wir von unserem Studium wirklich profitieren können. Wer mehr dazu erfahren will, findet in Lights Buch „Making the Most of College“ vielleicht weitere inspirierende Antworten.
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