Wenn das “Nein” zu leise ist
Momentan geistert ein Wort durch die Medien. Es lautet
„Nein.“
Es geht darum, das „Nein“ einer Frau zu akzeptieren. Es geht
darum endlich eine Rechtsgrundlage zu schaffen, die Opfer – egal ob männlich oder weiblich – vor sexuellen Übergriffen schützen soll. Oder zumindest diejenigen zur Rechenschaft ziehen soll, die solche Verbrechen begehen. Die ein „Nein“ überhören, denen dieses „Nein“ vielleicht sogar Lust bereitet.
Ein kontroverses und heiß diskutiertes Thema, in dem Doppelmoral eine große Rolle spielt – wie man bei Gina-Lisa gerade wunderbar erkennen kann – und bei dem sich das Internet, inklusive mir selbst, in großen Teilen einig zu sein scheint: Nein heißt nein.
Aber was ist mit den Menschen, die nicht „Nein“ sagen, aber es denken?
Was ist, wenn das Opfer sich nicht wehrt, aber es trotzdem nicht will?
Nur weil jemand stillhält, heißt das nicht, dass er oder sie es wollte. Nur weil jemand schweigt, heißt das nicht, dass er oder sie nicht innerlich schreit. Nur weil man es nicht ausspricht, fühlt es sich nicht weniger nach Vergewaltigung/Belästigung an.
Natürlich lässt sich so etwas vor Gericht nicht nachweisen, weil man in Deutschland immer alles haarklein belegen muss. Selbst die intimsten und grausamsten Momente des eigenen Lebens.
Aber was ist mit denen, die stumm sind? Was ist mit denen, die erpresst werden? Was ist mit denen, die zu viel Angst haben um sich zu wehren? Was ist mit denen, die eine Behinderung haben – sei sie körperlicher oder seelischer Natur? Was ist mit denen, die etwas über sich ergehen lassen um sich selbst zu verletzen? Was ist mit denen die ihr ganzes Leben eingeredet bekommen haben, dass sie es nicht anders verdient haben oder dass eine Frau nichts wert ist und sich dem Mann zu fügen hat (oder andersrum)? Was ist mit denen die keinen anderen Ausweg sehen als Auszuhalten?
Wir werden solche Fälle vor Gericht nicht beweisen können.
Wir werden Gedanken für unser bürokratisches System nicht sichtbar und
„authentisch“ machen können, was auch immer das in diesem Kontext bedeuten
soll.
Doch nur weil wir es nicht beweisen können, heißt es nicht, dass es richtig ist. Nur weil es keinen Beleg für unsere Qualen gibt, sollten die Täter nicht ungestraft davon kommen. Nur weil wir in einem schrecklichen Moment keine Stimme hatten, sollte unsere Aussage nicht weniger wert sein. Nur weil es kein offizielles Urteil gibt, macht es das Geschehene nicht weniger zu einer Vergewaltigung.
Stille bedeutet nicht „ja“.
Bewegungslosigkeit bedeutet nicht Gegenseitigkeit.
Schweigen bedeutet nicht Akzeptanz.
Deshalb reicht es nicht aus, die Strafen zu verschärfen. Es reicht nicht, die Konsequenzen auszuloten. Wir müssen dafür sorgen, dass so etwas überhaupt nicht mehr vorkommt. Dass man sich gar nicht mehr dafür rechtfertigen muss, warum man als Opfer nicht dies oder jenes gemacht hat.
Wir müssen unsere Kinder so erziehen, dass sie überhaupt nicht mehr auf solche Ideen kommen. Wir müssen den Erwachsenen zeigen, wie unmenschlich so etwas ist, egal unter welchen Rahmenbedingungen es geschieht. Wir müssen über die Gründe diskutieren, nicht (nur) über die Folgen.
Wir müssen zuhören, wir müssen hinsehen und wir müssen verhindern.
Jeder einzelne von uns.