Zuletzt hieß es oft: Prominente in Deutschland sind zu wenig politisch. Til Schweiger hat sich in die Flüchtlingsdebatte eingemischt – und erntet vor allem Häme. Christiane Wolff ärgert das.
Til Schweiger engagiert sich – alle sind erzürnt
Claus Kleber hat eine Träne im Auge, als er über eine Begebenheit in Erlangen
berichtet, bei der ein Busfahrer spontan seine Gäste, die augenscheinlich
Flüchtlinge sind, herzlich willkommen heißt und die Nation jubelt und
verbreitet seine emphatische Geste millionenfach im Netz; die Journalistin Anja
Reschke macht einen Kommentar zur Flüchtlingsdebatte, die Welt stimmt ihr zu
und teilt ihr Video millionenfach in den sozialen Medien. Til Schweiger
kündigt an, ein Flüchtlingsheim mitaufzubauen – und die Welt ist erzürnt, sie macht
sich lustig über seine Sprache, er wird kritisiert, in Medien, bei Facebok. Spiegel-Online bastelte sogar
ein Til-Schweiger-Bullshit-Bingo. Die Kritik: Til Schweiger mache massiv Eigen-PR. Ich frage mich: Geht’s noch?
Ach ja, und wer sich dann doch
noch für Til Schweiger ausspricht und seine Aktionen und sein Engagement in der
aktuellen Flüchtlingsdebatte anerkennt, muss im gleichen Atemzug unbedingt
versichern, dass er ja sonst und eigentlich kein Til-Schweiger-Fan sei. Das
ist wie Bunte lesen, aber nur beim Frisör.
Was macht Eigen-PR aus?
Muss Til Schweiger wirklich Eigen-PR machen und was ist überhaupt gute
Eigen-PR oder Selbstmarketing? Wenn möglich sollte sie strategisch geplant sein
und am besten authentisch die eigenen Ziele verfolgen, um sich selbst, sein
Produkt, Marke oder seine Themen besser und erfolgreich zu verkaufen. Angehen kann man Eigen-PR also selbst über sozialen Netzwerke wie Facebook, über ein eigenes Blog, man kann Bücher schreiben oder Vorträge halten. Oder man nimmt sich
dazu eine Agentur, die einen dabei unterstützt und berät.
Die Person, um die es geht, wird dann als Marke betrachtet. Bei Til Schweiger
bedeutet das, ihn als Schauspieler, Regisseur und Produzenten zu positionieren.
Aber hey, das macht er schon perfekt. Er ist der erfolgreichste Filmemacher in
Deutschland, als Schauspieler vom „Bewegten Mann“ bis zu „Männerherzen“, als Regisseur und Produzent bei Filmen wie „Kokowäh“ über „Keinohrhase“ bis „Honig im Kopf“. Und er spielt nun auch einen Kommissar im Glanzstück des
deutschen Fernsehens, dem Tatort. Mehr Erfolg geht kaum. Er ist also bereits
ganz oben angekommen. Er könnte sich einfach ausruhen, sein Geld ausgeben und
die Beine hochlegen. Und ob ihn das Feuilleton für seine scheinbar belanglosen Filme liebt oder nicht, kann ihm dabei auch herzlich egal
sein – der Erfolg an der Kinokasse gibt ihm jedes Mal aufs neue Recht. Braucht
Til Schweiger also wirklich noch Eigen-PR?
Flüchtlinge sind kein Thema für Selbstmarketing
Die Frage, die ich mir dabei auch stelle: Warum sollte er sich gerade mit der diffizilen „Flüchtlingsdebatte“ in Deutschland beschäftigen, um Eigen-PR
für sich zu machen? Denn da bewegt man sich in Deutschland in der Regel leider auf glattem Eis. Dennoch: Die Reaktionen auf Schweigers ersten
Facebook-Post waren überraschend heftig. Der Schauspieler hat aber
eben selbst dann nicht klein beigegeben, sondern ist weiter aktiv und hilft mit einem Bau eines Flüchtlingsheimes ganz konkret. Muss er auf die Facebook-Kritik, die oft unter die Gürtellinie geht, antworten? Ich denke nicht. Und auch wenn er
bei der Kommunikation zum geplanten Flüchtlingsheim in Osterode nicht alles
richtig gemacht hat, er macht wenigstens etwas. Til Schweiger redet nicht nur,
liked oder kommentiert nicht nur, nein, er nimmt sein eigenes Geld in die Hand,
nutzt dabei natürlich auch seine Popularität, und will etwas bewegen. Er
engagiert sich. Ihm ist nicht egal, was hier gerade passiert. In einem Land,
das scheinbar lieber auf erfolgreiche Menschen verbal eindrischt, sich über ihn
lustig macht und ihn der billigen Eigen-PR beschuldigt.
Wenn ein solches Engagement Eigen-PR ist, prima.
Diese Aufmerksamkeit sollen alle bekommen, die beim Thema Flüchtlingshilfe
nicht nur reden, sondern tun.
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