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Uberisierung: Auf dem Weg zur Robotergesellschaft!

Uber ist ein virtueller Taxidienst. Der Begriff steht aber längst für eine neue wirtschaftliche und soziale Gesellschaftsform. Wie leben wir damit?

 

Die digitale Transformation durchzieht unsere Gesellschaft. Dienstleistungen und Güter werden vermehrt per App angeboten. Unser Smartphone steuert nicht nur unsere tägliche Kommunikation, sondern immer mehr unseren Alltag. Neue Digitalkonzerne zelebrieren den Bruch alter Strukturen.

In Frankreich und England spricht man von „Uberisation“, in Deutschland von „Uberisierung“. Es ist ein Wandel, der in manchen Branchen aktiven Widerstand hervorruft: nach heftigem Protest der Taxifahrer gab Uber 2015 Deutschland auf. Die französischen Kollegen hatten nicht so viel Glück, hier wurde der Markt von Uber überschwemmt.

Die Uberisierung ist eine neue Form der wirtschaftlichen Organisation. Politiker, wie der französische Präsident Emmanuel Macron, sind überzeugt: Für viele junge Menschen ist es leichter einen Kunden zu finden, als einen Arbeitgeber. Jeder ist sein eigener Unternehmer. Plötzlich haben wir keine Arbeitslosen mehr, weil wir alle selbständig sind. Aber ist das die langfristige Lösung?

Es ist praktisch, ein Ubertaxi zu rufen! Noch bevor ich den Pariser Flughafen Orly verlasse, habe ich auf der App meinen Fahrer gefunden. Er ist in fünf Minuten da, ich muss mich nur zur verabredeten Stelle begeben! Vorbei die Zeiten, wo wir bei Regen und Kälte in der Schlange standen! Heute geht alles viel schneller und leichter. Wie am Fließband laufe ich den Massen folgend hinaus. Es scheint, alle haben hier Ubertaxis bestellt, einer nach dem anderen verschwindet in den unterschiedlichsten Fahrzeugmodellen, vom Peugeot 205 bis zum dicken Benz. Nichts kennzeichnet diese Taxis als Dienstleister, bis auf die Tatsache, dass die Passagiere meist mit gezücktem Handy voran den Wagen steigen.

Das Mobiltelefon ist eine Art Fernbedienung geworden, mit der wir unser Leben steuern. Wir programmieren unseren Alltag selbst, und
folgen ihm wie Roboter über den Apps auf unserem Handy.

So stehe ich am Treffpunkt vorm Flughafen im Regen, schaue auf mein Handy. Nur mein Uber kommt nicht. Auf der App kann ich seine Position sehen. Eigentlich ist er gleich um die Ecke. Ich rufe den Fahrer an. Er beteuert, er sei sofort da. Letztendlich warte ich nochmal eine halbe Stunde. Mit einem herkömmlichen Taxi wäre ich schneller gewesen. Nur nicht billiger! Was ist passiert? Meinem Fahrer ist jemand ins Auto gefahren. Ein leichter Kratzer, nur wollte der andere keine Unfallerklärung ausfüllen und so hatte mein Fahrer versucht, ihm hinterherzujagen.
Erfolglos. Der Mann zittert vor Wut. Sein Wagen ist neu. Mehr Besitz hat er nicht.  Niemand wird ihm die Reparatur bezahlen. Er ist nur ein Appnutzer, nicht mehr. Er verdient auch nicht genug, um den Schaden absetzen zu können. Er hat ja erst vor drei Wochen angefangen!

Als ich aussteige, bekomme ich eine Nachricht von Uber: benote deinen Fahrer! Der Mann hat mich warten lassen, auf der Fahrt war er schlecht gelaunt. Hat der
überhaupt fünf Sterne verdient? Vielleicht nicht, aber ich werde diesen
Menschen wohl nie wieder sehen, meine Sterne aber bleiben ihm. Und was die
meisten Nutzer ignorieren: eine schlechte Bewertung kann die sogenannten
Selbstunternehmer auf großen Apps in Schwierigkeiten bringen. Sobald ein User eine negative Bewertung abgegeben hat, werden automatisierte Nachrichten vom Großunternehmen verschickt, damit sie ihren Service verbessern. Finanzielle Mittel, um diesen Service erfolgreich umzusetzen, bekommen die Leistungsanbieter nicht.

Es ist eine Art digitaler Sklavendienst, den wir über die Apps in Anspruch nehmen. Aber nicht nur die anderen, die schlecht bezahlten und
unversicherten Dienstleister werden zu Sklaven, wie selbst sind es, die sich
diesen digitalen Normen unterwerfen.

Neben Taxidiensten und Hotelgewerbe sind Fotografen eine weitere Branche, die von großen Digitalkonzernen ausgebeutet wird. Über eine französische Internetseite lassen sich bequem Fotoshootings mit professionellen Fotografen buchen. Der Treffpunkt in Paris ist immer der gleiche. Hier hat sowieso jeder seinen Fotoapparat gezückt. Die Kunden sind wieder am Mobiltelefon in der Hand zu erkennen. Das Telefon ist längst nicht mehr nur ein Mittel der
Kommunikation, sondern eine digitale Existenz des Menschen selbst.

Das Shooting ist kostenlos, für die Bilder gibt es keine Mindestzahl. Ein guter Deal, für den Benutzer, denn der muss nicht mehr lange im Netz nach einem passenden Anbieter suchen. Auch die Terminabsprache lässt sich so einfach steuern wie eine Doodleumfrage. Für den Fotografen ist es vielleicht ein Mittel, sich über Wasser zu halten. Reich wird er bestimmt nicht. Neun Stunden steht er auf der Straße und fotografiert. Der große Gewinner ist der Digitale Konzern, der damit wirbt, Profifotografen ermöglichen zu können, nur das zu machen, was ihnen Spaß macht: fotografieren. Keine Zeit geht mehr für Werbung und Organisation drauf.
Aber zu welchem Preis? Digitale Riesen zahlen kaum Steuern und vor
allem keine Sozialabgaben für ihre Mitarbeitet. Ihnen fällt es leicht, große
Gewinne zu machen.

Aber wer kann sich überhaupt leisten, solche Jobs zu machen, die nichts als Unsicherheit zu bieten haben? Menschen, die Kinder aufziehen bestimmt nicht. Und das sind eben immer noch hauptsächlich wir Frauen. Soziale und finanzielle Experimente lassen sich nicht mit dem Alltag von Kindern vereinen. Ist das Kind krank, können wir keine Dienstleistung anbieten. Vom App-User haben wir dafür kein Verständnis zu erwarten, er hat seine Bedürfnisse programmiert. Die schlechte Note ist uns sicher. Vom Digitalkonzern auch nicht, der findet leicht einen anderen, der dieselbe
Dienstleistung anbietet. Wir haben keine Namen mehr und keine Gesichter, wir
reduzieren uns selbst auf digitale Avatare.

Die Arbeit wird langsam immer mehr zu einem ferngesteuerten Objekt, das nicht mehr an der Person, sondern nur noch an einer Funktion hängt.

Viele Arbeitslose finden vielleicht leichter einen Kunden, aber keine soziale Absicherungen. Wir sind eine
hochindividualisierte Gesellschaft, die in die absolute Anonymität kippt. „Der
Einzelne ist sein Eigentum und soll sich selbst beherrschen“, schrieb Max Stirner
in seiner Streitschrift zu Revolutionszeiten. Heute entfremden wir uns selbst
immer mehr über die digitale Repräsentation. Der Trend zur Uberisierung lässt
sich nicht aufhalten, wir aber sollten versuchen, den Lauf der Dinge nicht
programmierten Algorithmen zu überlassen. Und sei es nur, dass wir zweimal
überlegen, bevor wir eine Benotung abschicken. Um nicht nur an die
Dienstleistung, sondern auch den Menschen dahinter zu denken.

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