Foto: Unsplash

Die vier geheimen Prinzipien der Macht

Wer oder was entscheidet tatsächlich über die Zusammensetzung eines Vorstands in den mächtigsten Unternehmen Europas?

Die Macht der Netzwerke

Die machtvollsten Unternehmen Europas finden sich im Stoxx 50. Doch wie sieht das Netzwerk der Konzernlenker aus? Und was entscheidet tatsächlich über die Zusammensetzung eines Vorstands? Eine Bestandsaufnahme der Macht in den Konzernzentralen von Arne Gottschalck von unserem Partner Manager Magazin Online.

Die Geschichte lässt sich auf zweierlei Wegen erzählen. Der eine ist der kurze, gerade, einfache. Und beschreibt, dass die Chefs von international agierenden Großkonzernen in aller Regel Männer sind. 87 Prozent der Vorstände sind Männer, 13 Prozent Frauen, zeigt eine aktuelle Studie der Strategieberatung Sonean („The social dependence of independet directors in Europe’s largest companies“). Der Befund gilt auch für den Aufsichtsrat. Nur 24 Prozent der Aufseher sind Frauen, 76 Prozent Männer. Doch die spannendere Geschichte ist die des längeren Wegs, der Abzweigungen.

Denn die Studie beleuchtet auch, welche Bedeutung Netzwerke für die Lenker der mächtigsten Unternehmen Europas haben. Sie ist kaum zu überschätzen, lautet der Befund. So hatten 44 Prozent der „independent directors“ – an dieser Stelle sei es mit Aufsichtsrat übersetzt – bereits vor Anritt der Stelle Kontakt zu ihrem Vorstand. Da es immerhin um die Lenker der mächtigsten Unternehmen Europas geht, die Herren des Stoxx 50 , ist allein der Anschein von Schmu und Kungelei gefährlich. Deswegen hat sich auch die altehrwürdige OECD des Themas angenommen. Schon im vergangenen Jahr legte sie einen Entwurf der Studie ¡Revised Principles of Corporate Governance“ vor, Sonean sollte sich dazu äußern. Und auf diesen Einschätzungen beruht die Studie, die am Donnerstag veröffentlicht wird.

Vier Grundprinzipien sind es nach Analyse von Sonean, die die Zusammensetzung der Lenkungszirkel bestimmen:

Prinzip 1 – Gute alte Freunde

Da sind die „guten alten Freunde“ – die Experten zitieren das Beispiel großer spanischer Unternehmen, deren Vorstand und Aufsichtsrat aufgrund vorheriger Arbeit einander eng verbunden sind. Und das kann in Vorfällen münden, wie dem des Vorstands einer Schweizer Bank, der ein neues Aufsichtsratsmitglied aus seinem Netzwerk anstellte – mit einem zweistelligen Millioneneinkommen. Und das geht nicht nur über das normale Beziehungsgeflecht hinaus, sondern geht etwa auch die Anteilseigner an.

Prinzip 2 – Gleich und gleich gesellt sich gern

„Birds of feather flock together“, heißt es lakonisch von Sonean über das zweite Prinzip. Gleich und gleich gesellt sich gern, ließe sich das Sprichwort übersetzen. Menschen, die sich ähnlich sind, arbeiten oft auch zusammen. Sonean fand heraus, dass mindestens 25 unabhängige Aufsichtsratsmitglieder in den Top-50-Unternehmen Europas in die gleiche Schule gingen oder bereits im gleichen Unternehmen gearbeitet haben, aus dem auch der Vorstand stammt. Neue Kontakte werden, so die Erklärung Soneans, eben aufgrund bestehender Kontakte geknüpft. Akademische Untersuchungen zeigen zum Beispiel, dass die Wahrscheinlichkeit der Email-Kommunikation zwischen Studenten um das 140-fache steigt, wenn sie einen gemeinsamen Bekannten gewinnen – auch wenn die Studenten keinen gemeinsamen Kurs besuchen.

Prinzip 3 – Das Drehtür-Prinzip

Das „Drehtür-Prinzip“ ist das dritte Prinzip – und ein Phänomen, das in fast allen großen Ländern zu sehen ist. Wenn zum Beispiel ein Regulierungsexperte aus den USA, der in der Vergangenheit stets gegen jene gewettert hat, die aus dem öffentlichen Dienst in die Privatwirtschaft wechseln, selbst als Direktor bei einer großen spanischen Gesellschaft aufschlägt. Die Möglichkeit für Interessenkonflikte liegen auf der Hand. Etwa dann, wenn Regulatoren bereits in ihrer Amtszeit liberaler handeln und Beziehungen in die Wirtschaft aufbauen.

Prinzip 4 – Persönliche Bande

Zu guter Letzt knüpfen Mitgliedschaften in unterschiedlichen Aufsichtsräten persönliche Bande und damit das Netz enger. Und das kann, so Sonean, die Beziehung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat erschweren, weil ihre Beziehung eben nicht nur zwei-, sondern vieldimensional geworden ist. Da passt es ins Bild der vier Prinzipien, dass viele Manager einen sehr ähnlichen Lebensweg haben. 144 der analysierten 445 Unternehmenslenker zeigen im Lebenslauf den klassischen MBA. 70 weitere haben ein Wirtschaftsstudium durchlaufen, 49 sind Finanz-und Buchhaltungsexperten. Mediziner sind lediglich sieben, Biologen acht und Juristen – in Deutschland einst das klassische Vorstandsstudium – nur 40. Das gleiche Bild übrigens in den 476 Aufsichtsräten der europäischen Unternehmen: Die Absolventen der wirtschaftswissenschaftlichen Studien dominieren, die Naturwissenschaftler bleiben exotische Ausnahmen. Eine Ballung verortet Sonean auch an anderer Stelle.

Viele Manager haben einen ähnlichen Lebensweg

Denn von den 455 Entscheidern haben 35 die renommierte Harvard-Universität besucht, 52 sind es unter den Aufsichtsräten. Die zweitwichtigste Ausbildungsstätte ist für beide Gruppen die Universität von Oxford. 14 der Vorstände haben dort gelernt, 31 der Aufsichtsräte. Es folgen Cambridge und die Pariser Insead. Die gleiche Universität, das gleiche Studium absolviert zu haben, schafft offenbar Gemeinsamkeiten. Und erhöht die Wahrscheinlichkeit, es gemeinsam an die Spitze zu schaffen. Blut ist ein besonderer Saft, sagte Johann Wolfgang Goethe: Beziehungen aber noch etwas besonderer.

HINWEIS: Die Veröffentlichung des Textes erfolgt mit freundlicher Genehmigung von manager-magazin.de. manager-magazin.de liefert täglich Wirtschaft aus erster Hand: durch Orientierung über die wichtigsten Nachrichten des Tages, Inspiration durch die Vorstellung relevanter Trends und mutiger Managerinnen und Manager – und durch den Blick auch auf die unterhaltsame Seite der Wirtschaft. Die tägliche Online-Ausgabe ergänzt das monatliche Magazin mit seinen investigativen und exklusiven Geschichten aus der Welt der Wirtschaft.

Mehr auf EDITION F:

Deutschlands bekanntester Frauen-Unterstützer glaubt nicht an das Potenzial von Frauen auf Vorstandsebene. Weiterlesen

Claudia Nemat: „Ich führe gerne“. Weiterlesen

Heidi Stopper: „Arbeitgeber müssen sich bewegen.“ Weiterlesen

Anzeige