Foto: Depositphotos.com | benenin

Passt dieser Job zu mir? Wie du aus Stellenanzeigen herausliest, ob du dich bewerben solltest

„Da habe ich eh keine Chance“, denken viele Berufseinsteiger*innen, wenn sie Jobanzeigen lesen. Unsere Autorin erklärt, wie man aus Ausschreibungen herauslesen kann, ob die Stelle geeignet sein könnte.

 

Stellenanzeigen verstehen

In meinen Coachings erlebe ich sie fast täglich: Die Unsicherheit gegenüber Stellenanzeigen. Gerade Berufseinsteiger*innen fühlen sich vollkommen überfordert von der Vielzahl der Dinge, die Unternehmen vermeintlich erwarten – und besonders Frauen lassen sich gern von den geforderten Eigenschaften abschrecken, die viele kulturell eher als männliche Eigenschaften verstehen. „Da habe ich eh keine Chance!“, ist die häufige Schlussfolgerung. So bleiben potenzielle Bewerber*innen zurück, die verunsichert sind und sich nicht gut genug fühlen. 

Ich finde, dass damit endlich Schluss sein muss. Denn es gibt eine einfache Strategie, die Stellenanzeigen besser zu verstehen und die Codes zu entschlüsseln – und damit herauszufiltern, welche Stelle zu dir passen könnte. 

Was in Stellenanzeigen wichtig ist

Grundsätzlich haben alle Stellenanzeigen einen ähnlichen Aufbau. Auf eine Unternehmensvorstellung folgen das Profil, das Bewerber*innen erfüllen sollen, sowie die zukünftigen Aufgaben, Ziele und Anforderungen im jeweiligen Job. Der letzte Part besteht in der Information, an wen man sich bei Fragen wenden und wie man sich bewerben kann (ob per Mail, mit Gehaltsvorstellung und Eintrittsdatum oder ohne).

Mach Dir beim Lesen bewusst, dass  das Profil aus Muss- und Kann-Anforderungen zusammengestellt ist. Dabei ist schon die Reihenfolge ein wichtiger Indikator. Je weiter oben, desto wichtiger die Anforderung. Muss-Qualifikationen sind zum Beispiel eine bestimmte Ausbildung, Berufserfahrung oder spezielle Kenntnisse.  Du erkennst sie auch an bestimmten Formulierungen.

Formulierungs-Merkmale für Muss-Anforderungen sind:

– erwarten wir

– nachweisliche Erfolge in

– sind erforderlich

– setzen wir voraus / Voraussetzungen sind

– Sie bringen mit

Kann-Anforderungen hingegen erkennst Du an:

– erwünscht sind / wünschenswert ist

– idealerweise

– ausbaufähige Kenntnisse

– wenn Sie außerdem / zudem….mitbringen

– hinreichende Erfahrung in

– hilfreich wäre wenn

– von Vorteil wäre, wenn / zusätzlich ist von
Vorteil

– freuen wir uns, wenn Sie…mitbringen

Denke immer daran, dass das Profil einer Idealvorstellung des Unternehmens entspricht. Es geht zudem auch um die Selbstdarstellung der Firma. Wenn sie nicht höchste Ansprüche stellt, wie gut oder schlecht ist dann erst ihr Produkt oder ihre Leistung? Außerdem will sich das Unternehmen durch die qualitativ hohen Anforderungen vom Wettbewerber abheben. Es stellt daher Maximalanforderungen. Du kannst dir also an dieser Stelle bewusst machen, dass es den Idealtypus der Person, die das Unternehmen in der Ausschreibung sucht, in der Realität so gar nicht gibt. Auf diese Stelle werden sich unterschiedliche Menschen bewerben, deren Lebensläufe und Qualifikationen nicht gleich sind – und in mehr oder in wenigen Punkten variieren. Jede*r ist eine einzigartige Bewerber*in.

Nun weißt du etwas mehr darüber, wie Du Stellenanzeigen dekodierst. Zu einer erfolgreichen Bewerbung gehört aber noch viel mehr:

Kenne Dich selbst und mache Dir klar, was Du willst

In einem ersten Schritt musst du dir bewusst machen, wer du eigentlich bist, was du willst und was du kannst. Dadurch kannst Du die zu dir passenden Stellenanzeigen viel besser erkennen. Magst du vielleicht eher die Atmosphäre in einer inhabergeführten Agentur oder bevorzugst Du die strukturierten Hierarchien eines Großkonzerns? 

Eine tolle Übung ist, verschiedene Stellenanzeigen zu gleichen oder sehr ähnlichen Positionsausschreibung nebeneinander zu legen und zu vergleichen.  Dir werden deutliche Unterschiede auffallen, je nach dem welches Unternehmen neue Mitarbeiter*innen sucht oder aus welchen Branchen sie stammen. Nicht nur stellen die Firmen unterschiedliche Eigenschaften und Fähigkeiten nach vorn und damit in den Fokus, du wirst sogar noch deutlichere Unterschiede in den Anforderungsprofilen finden. Das zeigt dir zum einen, dass du mit deinem Profil Spielraum hast, dich für eine Stelle zu bewerben und nicht „perfekt passen“ musst. Zum anderen hilft dir dieser Vergleich, ein Unternehmen auszuwählen, das auf deine Stärken und Vorlieben passt. 

Eine Sache des Blickwinkels und des Selbstvertrauens

Hast du dich schon einmal gefragt, wie du Stelleanzeigen wahrnimmst? Die Richtung ist entscheidend. Suchst Du nach Übereinstimmungen mit deinem
Lebenslauf und deiner Persönlichkeit oder legst du den Schwerpunkt auf die
Differenzen zwischen dem Anforderungsprofil und Dir? Mein Tipp: Achte unbedingt mehr auf die Übereinstimmungen.

Die meisten Männer machen das übrigens schon automatisch. Sie sehen, dass 50 Prozent der Anforderungen passen und gehen davon aus, dass sie die ideale Besetzung sind. Diese selbstbewusste Haltung und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sind im Bewerbungsprozess auch genau richtig. Frauen sind hier leider noch durch Erziehung, dem Druck, verschiedenen Rollenbildern zu entsprechen und überall nach Perfektion streben zu müssen, deutlich schüchterner und zurückhaltender. Bescheidenheit ist beim Bewerben tatsächlich fehl am Platz. Sei stolz, auf was du bisher erreicht hast – es ist meist so viel mehr als dir bewusst ist. Und auch das wird dein neuer Arbeitgeber zu schätzen wissen.  Deshalb: Trau dich! Wenn nur 50 bis 60 Prozent der Anforderungen übereinstimmen, bewirb dich. Wichtig ist, dass die wichtigsten Anforderungen erfüllt sind, so dass du davon ausgehen kannst, die wichtigsten Kenntnisse für diesen Job zu haben. Denn wenn du in einem neuen Job nicht dazulernen musst und er dich fordert, ist er ohnehin nicht der richtige.

Anforderungen sind nicht starr

Mein Tipp: Wenn beispielsweise ein Studium eine Muss-Anforderung ist, du aber ansonsten viele Übereinstimmungen und vor allem die Erfahrung hast, solltest du bei einem Anruf klären und fragen, ob du dich bewerben kannst. Im Öffentlichen Dienst zum Beispiel sind die Vorgaben weniger flexibel, in immer mehr Unternehmen hast du aber auch ohne den geforderten Abschluss eine Chance, wenn du ansonsten gut auf die Stelle passt. Sei mutig! 

Hier noch einmal zusammengefasst: Sei dir deines eigenen Profils und deiner Entwicklungswünsche bewusst, differenziere die Anforderungen und suche nach den Übereinstimmungen, nicht nach dem, was du nicht erfüllst. Und schließlich: Bewirb Dich! Nur so kann aus deinem Traum dein Traumjob werden. Wie heißt es so schön? Wer nicht fragt, bekommt immer ein Nein.

Mit Absagen umgehen

Zuletzt möchte ich dir noch sagen, dass Du eine Absage nicht persönlich nehmen und dich nicht entmutigen lassen darfst. Sind deine Bewerbungsunterlagen nachweislich gut und hast du sie ggf. checken lassen,
kannst du dir an dieser Stelle nichts vorwerfen. Bist du zum Gespräch
eingeladen worden und laut Unternehmen trotzdem nicht die*der passende Kandidat*in, nimm dir das nicht zu Herzen. Es gibt nun einmal immer viele Bewerber*innen auf eine Stelle – und viele davon sind geeignet.

Selbst für Unternehmen ist die Entscheidung für die beste Person für die Stelle nicht einfach. Da können minimale Nuancen einen Unterschied machen. Nimm also eine Absage nicht persönlich und denke daran, dass du mit deinen Erfahrungen, Stärken und Vorlieben eine einzigartige Mischung bist! Ein anderes Unternehmen wird genau nach dieser, DEINER, Mixtur suchen.

Titelbild: Depositphotos.com

Mehr bei EDITION F

Warum Frauen sich oft nicht bewerben. Weiterlesen

Diese Personalabteilung bekommt 1.000.000 Bewerbungen jährlich – und diese vier Dinge machen Topkandidaten aus. Weiterlesen

Gut rüberkommen im Job-Interview: Auf diese zwei Eigenschaften achtet jeder Personaler. Weiterlesen

Anzeige