Zum ersten Mal in der Geschichte der Moderne, löst der Vorsatz “ein besserer Mensch werden” zu wollen, den Umfragen zufolge, den Wunsch “Gewicht verlieren” zu wollen, vom ersten Platz der Rangliste der Neujahresvorsätze ab. Oft waren die Vorsätze in den letzten Jahrzehnten eher individualistisch geprägt, doch im Ursprung geht es in der Tradition der „guten Vorsätze” um Beiträge zur Zivilgesellschaft und die Konzentration auf soziale Werte.
“Sorge dich nicht, um das was kommen mag, weine nicht um das was vergeht; aber sorge, dich selbst nicht zu verlieren, und weine, wenn du dahintreibst im Strome der Zeit, ohne den Himmel in dir zu tragen.“ (Friedrich Schleiermacher)
Zum ersten Mal in der Geschichte der Moderne, löst der Vorsatz “ein besserer Mensch werden” zu wollen, den Umfragen zufolge, den Wunsch “Gewicht verlieren” zu wollen, vom ersten Platz der Rangliste der Neujahresvorsätze ab. Oft waren die Vorsätze in den letzten Jahrzehnten eher individualistisch geprägt, doch im Ursprung geht es in der Tradition der „guten Vorsätze” um Beiträge zur Zivilgesellschaft und die Konzentration auf soziale Werte.
“Ein neues Jahr erscheint, drum muss ich meine Pflicht und Schuldigkeit entrichten.“ (Goethe)
Vor ca. 4.000 Jahren wurde der König von Babylon jährlich, während der Feierlichkeiten des Babylonischen Neujahrs, all seiner Würden durch den Hohepriester im Tempel des Gottes Marduk beraubt, um demütig vor dem Altar die Vorsätze für das kommende Jahr – zugunsten des Gottes und des Staates – zu verkünden. Doch nicht nur der König sprach diese guten Vorsätze aus. Auch die Bürger nahmen sich vor, sich ehrenhaft ihren Mitbürger gegenüber zu verhalten, in der Gewissheit, dass bei Nichteinhaltung die Strafe Marduk’s unerbittlich wäre.
“Von jemand, der die Ausübung seiner Vorsätze immer verschiebt, ist nicht viel zu halten.” (Immanuel Kant)
Dass das neue Jahr am 1. Januar beginnt, ist, so heisst es, seit dem Jahre 45 vor Christus der Fall, als der Römische Staat den Kalender des Griechen Sosigenes übernahm. Auftraggeber für diesen Kalender war Julius Cäsar. Der zweiköpfige Gott Janus – Gott der Tore, Portale und Türen, der Brücken, der Anfänge, der Enden und der Übergänge – war hier namensgebend. Im Monat dieser Gottheit sprachen auch die Römer gute Vorsätze aus, mit denen sie sich sowohl dem Staat als auch der zivilen Gesellschaft gegenüber verpflichteten.
“Man sagt heute sei Neujahr. Punkt 24 Uhr sei die Grenze zwischen dem alten und dem neuen Jahr. Aber so einfach ist das nicht. Ob ein Jahr neu wird, liegt nicht am Kalender, nicht an der Uhr. Ob ein Jahr neu wird, liegt an uns. Ob wir es neu machen, ob wir neu anfangen zu denken, ob wir neu anfangen zu sprechen, ob wir neu anfangen zu leben.“ (Johann Wilhelm Wilms)
Die Tradition der guten Vorsätze und der Neujahresanfang am 1. Januar verloren sich über die Jahrhunderte und im Mittelalter hing der Beginn des Jahres davon ab, wo man lebte. Der 1. September, der kürzeste Tag des Jahres, der längste Tag des Jahres, Weihnachten und so weiter. Nur die jüdischen Bräuche behielten so etwas wie die guten Vorsätze bei, durch die 10 Besinnungstage zwischen Rosh Hashanah und Yom Kippur.
“Ich schreibe diese Zeilen in den letzten Stunden des scheidenden bösen Jahres. Das neue steht vor der Türe. Möge es minder grausam sein als sein Vorgänger! (…) Ich wünsche den Dummen ein bißchen Verstand und den Verständigen ein bißchen Poesie. (…) Den Reichen wünsche ich ein Herz und den Armen ein Stück Brot. Vor allem aber wünsche ich, daß wir in diesem neuen Jahr einander sowenig als möglich verleumden mögen.” (Heinrich Heine)
Erst durch den Protestantismus des 17. und 18. Jahrhunderts kehrte die Tradition der guten Vorsätze zurück. Die Puritaner sollten dem Alkohol in diesen Tagen abschwören und den Jahresanfang in Kontemplation verbringen. Nur ca. ein Viertel aller Menschen in den westlichen Kulturen nahmen sich Anfang des letzten Jahrhunderts zum Neujahresanfang etwas vor. Inzwischen ist es fast die Hälfte der Bevölkerung die diesen Brauch wieder pflegt.
“Wer werden will, was er sein sollte, der muss lassen, was er jetzt ist.” (Meister Eckhart)
Doch der Hashtag #resolutionfail ist schon am 2. Januar sehr beliebt und wie mag es da erst am 2. Februar sein… Vorsätze werden oft einfach zu vage formuliert. Was heisst es ein besserer Mensch sein zu wollen? Was ist hierfür erforderlich? Was hat das für Konsequenzen auf meinen gelebten Alltag? Muss ich hierfür Zeit einplanen? Wo setze ich an? In welchen Situationen spielt dies eine Rolle? Wer und wie bin ich jetzt? Wer und was möchte ich sein? Wie sehen die einzelnen Schritte aus? Kann ich meinen Erfolg messen?
“Ich bitte nicht um ein Wunder und Visionen, Herr, sondern um Kraft für den Alltag.” (Antoine de Saint-Exupéry)
Erst die Klarheit darüber was es ist was man wirklich ganz konkret möchte – und warum -, eröffnet einem die Möglichkeiten die Dinge zu verändern.
“Den Weg zu kennen, bedeutet zu wissen, wo man hingeht und wie man dorthin gelangt.” (Zhuangzi)
Doch wie schützt man sich vor der Sorge das Ziel nicht zu erreichen, sich lächerlich zu machen? Sind wir als Gesellschaft offen genug dafür, dass Menschen sich Ziele setzen und wir es ihnen erlauben zu scheitern und trotzdem ihr Gesicht nicht zu verlieren? Sind wir bereit Menschen dafür zu würdigen, dass sie sich hohe Ziele setzen und wir sie alleine für den Versuch bewundern, völlig unabhängig von dem Resultat? Wäre es nicht vielleicht das was uns insgesamt zu besseren Menschen und zu einer besseren Gesellschaft machen würde?
“Ob ich der rechte Mann bin, siehe, das weiß ich noch nicht. Aber ich will in der Welt das Ganze tun, was immer ich tun kann.” (Adalbert Stifter)
In diesem Jahr habe ich den Jahreswechsel ganz besonders geschätzt. Welch Luxus, diese „page blanche“ jährlich vor uns zu haben. Diese Möglichkeit neu zu denken, neu zu ordnen, neu zu wünschen. Es neu zu versuchen.
“Herr, gewähre mir, dass ich immer mehr wünsche, als ich vollbringen kann.” (Michelangelo)
Nun ist es bereits Februar und dennoch ist es noch Jahresanfang – Zeit genug um alles nochmal genau unter die Lupe zu nehmen… Für 2018 wünsche ich mir, unter anderem, dass wir Sie mit Street Philosophy® noch mehr bereichern als im vergangenen Jahr, dass wir noch mehr Menschen erreichen und, dass wir mit unserer diesjährigen Beyond Good Konferenz wieder einen wichtigen Beitrag im Umdenkprozess der Gesellschaft leisten.
Ihnen wünsche ich für das Neue Jahr – neben Gesundheit und innerer Zufriedenheit -, dass Sie sich selbst die Zeit schenken, darüber nachzudenken was Sie sich wünschen.
Nina Schmid, Februar 2018