Insbesondere transsexuellen Frauen wird – gerade aus feministischen Kreisen – oft abgesprochen, “echte” Frauen zu sein. Sie sehen in transsexuellen Frauen eine Gefahr für die Gleichberechtigung oder der Weiblichkeit an sich. Warum diese Gefahr nicht besteht und sogar im Widerspruch zu den wesentlichen feministischen Zielen steht, möchte ich hier erläutern.
Transsexualität, Transgender, Transident… Alles dasselbe?
Die Begriffe Transsexualität, Transgender oder Transidentität werden oft synonym verwendet, was aber nicht korrekt ist. Transsexualität versteht sich als eine Unstimmigkeit des Geschlechtskörpers mit dem Wissen über das eigene Geschlecht. Es geht bei Transsexualität also vornehmlich um den Körper (sexus). Menschen mit Transsexualität stellen die Zweigeschlechtlichkeit (Binarität) von Mann und Frau meist nicht grundsätzlich in Frage.
Im Gegensatz zu transsexuellen Menschen beziehen sich Transgender/Transidentität meist weniger auf die körperliche Diskrepanz (oder Inkongruenz), sondern sie lehnen oft “nur” die ihnen zugewiesene gesellschaftliche Geschlechterrolle als Mann oder Frau ab bzw. beziehen sich auf ein Abweichen des Körpergeschlechts zum sozialen Geschlecht (Gender).
Die fehlende Akzeptanz transsexueller Menschen in der Gesellschaft ist mitunter auch durch die mediale Berichterstattung – welche Transsexualität, Transgender und Homosexualität “in einen Topf wirft” – begründet. Transsexuelle werden auch unfreiwillig in die gesellschaftliche Auseinandersetzungen und Diskussionen bezüglich der Geschlechterrollen (“gender mainstreaming”) gestellt.
Es hat nichts mit “Wollen” zu tun
Landläufig wird gesagt, dass transsexuelle Menschen ihr Geschlecht wechseln wollen, dass sie nun als Frau (oder Mann) leben wollen. Und genau diese Herangehensweise an die Problematik sorgt dafür, dass transsexuelle Menschen in die “Psycho-Ecke” geschoben werden. Die aktuellsten wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen jedoch, dass Transsexualität nichts mit “wollen” oder “sein möchten” zu tun hat. Unter anderen zeigen die Forschungsergebnisse von Swaab und Bao (2011), dass das Wissen eines Menschen um sein eigenes Geschlecht im Hypothalamus (BSTc) verankert ist. Diese “Programmierung” erfolgt während der fetalen Entwicklung im Mutterleib durch Veränderungen der Sexualhormone im Blut der Mutter. Sie ist nicht änderbar, oder um eines der Lieblingsworte unserer Bundeskanzlerin zu verwenden: “alternativlos”.
“Das wichtigste Sexualorgan sitzt zwischen den Ohren und nicht zwischen den Beinen.
Milton Diamond (2008)
Durch die Geschlechtsdetermination im Gehirn ist es somit unerheblich, mit welchen äußeren und inneren Geschlechtsmerkmalen ein Mensch in Erscheinung tritt. Es wäre somit angebracht, die Selbstaussage einer Person zu ihrem eigenen Geschlecht anzuerkennen.
Und was hat Feminismus mit Transsexualität zu tun?
Indem einem Menschen aberkannt wird, selbst zu wissen, welches Geschlecht er (der Mensch) hat, wird die gesellschaftliche Definition der Geschlechter anhand der Genitalien bzw. dem äußeren Erscheinungsbild zementiert. Die Körperlichkeit eines Menschen wird einer Norm unterworfen, welche derzeit noch überwiegend von Männern definiert wird. Wie hat eine Frau auszusehen, wie hat eine Frau sich zu verhalten, welche gesellschaftliche Rolle hat eine Frau einzunehmen. Frauen werden deutlich öfter auf ihr Aussehen reduziert, als Männer. Ein Blick in einschlägige Magazine, Zeitschriften oder Werbeplakate bestätigt dies. Frauen unterliegen damit einer stärkeren Reduktion auf ihr Äußeres als Männer. Und viel zu wenige wagen es diese Norm in Frage zu stellen oder daraus auszubrechen.
Transsexuellen Frauen wird auch von vielen Cis-Frauen aufgrund ihres – von der männlichen Definition eines weiblichen Erscheinungsbildes abweichenden – Körpers abgesprochen, Frauen zu sein. Die Werbung präsentiert uns, wie ein Frauenkörper auszusehen hat oder besser, wie sich Männer vorstellen, wie Frauen zu sein haben. Und viele Frauen eifern diesen “Idealen” nach und erziehen auch ihre Töchter so, dass diese dieses “Ideal” als normal ansehen.
Die Folge ist, dass sich damit die männliche Norm der Frau weiter gefestigt wird. Die Reduktion der Frau auf ihren Körper wird unterstützt. Es steht damit im Widerspruch zu den Zielen des Feminismus, es wirkt diesen sogar entgegen.
Und nun stellen Sie sich eine transsexuelle Frau vor, welche (durch jahrelangen Einfluss des Testosterons) noch viel mehr von diesem männlich definierten Ideal abweicht als viele Cis-Frauen. Starke Körperbehaarung, Bartwuchs, breites Kreuz, muskulöse Oberarme… Indem also Frauen auf transsexuelle Frauen das männlich definierte Ideal einer Frau anwenden, bestätigen sie gleichzeitig die Richtigkeit der “Norm” und unterwerfen sich damit automatisch selbst diesem Diktat.
Die Akzeptanz von transsexuellen Menschen – insbesondere transsexueller Frauen – sollte also für jede Feministin (und jeden Feministen) nicht in Frage gestellt werden.
Mehr zum Thema Transsexualität gibt es unter: http://www.transsexualitaet.info