Ich kann gut verstehen, dass sich die Menschen um die Zukunft sorgen. Auch mich überrollt gelegentlich geradezu der Weltschmerz, wenn ich sehe, was gerade in der Welt passiert, wie Flüchtlinge in andere Länder strömen oder das Klima unter uns Menschen leidet. Dann überkommt mich bisweilen sogar eine regelrechte Frustration und ich frage mich: In welche Zukunft steuern wir hier eigentlich?
Die Veränderungen der Welt scheinen mittlerweile so bizarr, grotesk und eigenwillig, dass ich kaum noch fassen kann, wohin unsere Entwicklung fließt. Und entwickeln wir uns überhaupt noch nach vorne oder haben wir angesichts von Brexit, Herrn Trump und Co. nicht bereits mit quietschenden Reifen den Rückwärtsgang eingelegt? Familien wissen nicht mehr, ob sie an alten Werten festhalten oder offen für Neues sein sollen. Unternehmen fühlen sich genötigt, zu globalisieren, digitalisieren und modernisieren. Doch wie werden die Konsequenzen aussehen – im Positiven wie im Negativen? Die Gesellschaft weiß nicht mehr, wie sie auf den internen Streit in der EU und anderen Regierungsinstitutionen reagieren soll.
Ich bin überzeugt, dass all dies nur ein sichtbarer Ausdruck unserer eigenen inneren Veränderung ist. Deshalb macht die aktuelle Entwicklung auch nicht vor dem Individuum halt, sondern wir schaffen in der Welt um uns herum das, was wir in uns fühlen. Ich mache immer häufiger die Erfahrung, dass immer mehr Menschen sich deshalb zerrissen fühlen.
Zerrissen zwischen Vergangenheit und Zukunft, gefangen zwischen vergänglicher Sicherheit und drohender Ungewissheit.
Die Welt um uns herum wird immer weiter, schneller, höher. Wir finden neue Erfindungen toll, gleichzeitig sind sie eine Geisel – zum Beispiel die Smartphones, ohne die wir kaum noch können, uns aber gleichzeitig abhängig fühlen. Wir finden Wahlmöglichkeiten erstrebenswert, fühlen uns dann jedoch schon mit der Joghurtauswahl am Kühlregal überfordert. Wir lieben es, uns zwischen viele Unterhaltungsangebote zu entscheiden – Kino, Oper, Fallschirmsprung – und wünschen uns doch Ruhe. Wir nutzen begeistert die Gelegenheit, günstig an etliche Orte zu reisen, und sehnen uns doch nach Heimat, Geborgenheit und Altbekanntem.
Angesichts einer Zukunft, die noch so viel mehr ungewisse Möglichkeiten eröffnet und uns im schlimmsten Fall vielleicht sogar den gewohnten Boden unter den Füßen wegzieht, reagieren daher ganz viele Menschen ängstlich, überfordert, rastlos und ratlos. Ich glaube, das hat einen simplen Grund:
Die Zukunft macht Angst, solange du keine Vorstellung davon entwickelt hast.
Wir Menschen denken schlicht nicht über die Zukunft nach. „Sollen sich doch die anderen darum kümmern“ oder „Ich lebe im Jetzt“, lautet das Motto. Diese Haltung führt jedoch unweigerlich in eine Ambivalenz: Du suchst nach festem Grund in den Stromschnellen des Lebens – mit deinem in der Vergangenheit angesammelten Wissen einerseits und einer völlig unklaren, nebulösen Zukunft andererseits. Der Gedanke, dass früher – also in der wohlbekannten und gemeisterten Vergangenheit – alles besser war, drängt sich da schnell auf die Lippen.
Wenn ich einen „Weitblick“ auf die heutige Situation wage, dann zieht sich diese Zerrissenheit, gewürzt mit Sorge und Hilflosigkeit, durch alle Ebenen durch: beim Individuum, bei Familien, in Schulen, Unternehmungen, Ländern und Gemeinschaften wie der EU. Aber vielleicht ist das ja das verbindende Element unserer Zeit durch alle Ebenen: verbunden sein in der Zerrissenheit!
Dann enthält dieses Problem nämlich auch Lösungen und verbindet uns mit diesen. Wie gehen wir mit unserer Zerrissenheit um? Was brauchen wir nun – eine Naht, neue Formen, mehr Elastizität, neuen Stoff? Die Zukunft zu verdrängen, wird nicht helfen, sonst zerreißt sie uns am Ende alle. Wie wäre es mit diesem neuen, verbindenden Satz?
„Da entsteht eine großartige Zukunft und ich möchte schaffender Teil davon sein!“
Wir müssen die Thematik endlich ansprechen und fragen: Was soll denn in der Zukunft entstehen? Was ist mir wichtig, was dem Unternehmen, was der Gesellschaft? Wir brauchen eine Vorstellung davon, wie das Leben und die Welt der Zukunft aussehen sollen. Denn die Vergangenheit, die wir kannten, gibt es nicht mehr. Wir können nicht in sie zurückkehren. Was in der Zukunft passiert, das können wir hingegen sehr wohl beeinflussen – ich, du, jeder. Die Zukunft gestalten wir heute, in der Gegenwart.
Ich glaube auch nicht daran, dass ich im Alleingang den Weltfrieden bewerkstelligen kann. Das wäre wohl zu hoch gegriffen. Ich kann mich aber fragen, welche Vorstellung von der Zukunft ich habe. Ich kann jeden Tag probieren und testen, wie ich mit meiner Zerrissenheit einen Umgang finde. Genauso kannst du dir überlegen, wo und wie du Räume schaffst, um diese Situation anzusprechen, Erfahrungen anderer zu nutzen, Ideen zu finden – eben „Biotope“, in denen du der Zukunft Platz geben kannst. Dort kannst du der Frage nachgehen, wie und mit welcher Kreativität es euch gelingt, die Kraft, die in der Zerrissenheit ist, für eine Gestaltung der Zukunft zu nutzen – im Freundeskreis, in der Familie, in Unternehmungen.
Mir ist es wichtig, eines Tages in der Zukunft sagen können: Ich habe mein Möglichstes getan, um diese Welt auch für kommende Generationen noch lebenswert zu machen. Und dazu kann ich jeden Tag einen Beitrag leisten. Ich möchte dich ganz herzlich einladen, es mit deiner Art und Weise und mit deinen Möglichkeiten auch zu tun.