Sind Laufwettkämpfe tatsächlich eine Form von Leistungswahn? Im Gegenteil, finde ich: Es ist eine besondere Form des Sports, bei dem man viel über und für sich lernen kann.
Bist du verrückt?
Gestern habe ich den Hamburger Halbmarathon erfolgreich geschafft und bin jetzt zwar geplagt von etwas Muskelkater, aber auch stolz. Wenn ich erzähle, dass ich 21 oder 42 Kilometer am Stück laufen will, während andere gemütlich beim Brunch sitzen oder den Vormittag verkatert mit Netflix im Bett liegen (beides Dinge, die mir im Übrigen auch sehr gefallen), dann ernte ich meist etwas zwischen Verwunderung und Entsetzen. Warum ich mir das antue, werde ich gefragt, ob das nicht ungesund sei und dass ich mich doch lieber einfach aufs Sofa legen solle.
Auch Lydia Krüger hat vor ein paar Tagen einen Artikel bei Edition F veröffentlicht, in dem sie sich fragt, warum sich so viele Menschen bei Wettkämpfen quälen. Sie spricht von „Leistungszwang und Selbstkasteiung“ sowie „wenig Spaß und Krampf“. Klar, es gibt die absolut nerdigen Fitnessfreaks, die von Wettkampf zu Wettkampf leben, sämtliche Körperfunktionen tracken, Kohlenhydrate grammgenau abwiegen, auf Schokolade und Alkohol verzichten und beim Thema Selbstoptimierung wenig Spaß verstehen. Das ist nicht meine Welt – das Laufen und gelegentliche Wettkämpfe aber sehr wohl. Warum? Weil das Laufen auch eine andere Sicht auf viele andere Lebensbereiche eröffnet und weil gerade Wettkämpfe sich doch von dem Freizeitjoggen unterscheiden. Dabei geht es nicht um neue Bestzeiten oder einen strafferen Hintern, sondern um diese Dinge:
1. Genieße die Vorfreude
Auch den kurzen Läufen geht meist wochenlanges Training voraus. In den letzten Tagen vor dem Lauf steigt die Vorfreude deswegen nicht nur auf den Laufevent an sich, sondern auch auf die entspannte Zeit danach, in der du einfach nur zum Spaß läufst – das gibt es nämlich tatsächlich auch.
2. Erkunde neue Strecken
Meist läufst du die immer gleiche Strecke. Durch Laufevents lernt man neue Städte quasi nebenbei kennen. Die Strecken führen entlang der schönsten Sehenswürdigkeiten und wenn du nicht in deiner Heimatstadt läufst, kannst du es gleich mit einem Urlaub verbinden.
3. Du bist nicht allein
Ich laufe generell sehr gern allein, um abschalten zu können. Bei Laufevents ist aber gerade die Masse an Mitläuferinnen und Mitläufern das, was das Durchhalten leichter macht. Sie haben den gleichen verdammt langen Weg vor sich und sie feuern dich an, wenn du aufgeben willst.
4. Du lernst, deine Kräfte einzuteilen
21 oder 42 Kilometer kann man nur schaffen, wenn man nicht gleich zu Anfang losrennt, sondern ein Tempo findet, das man die gesamte Zeit konstant halten kann. In stressigen Phasen hilft mir das oft, nicht panisch mit 150 Prozent Kraft loszulegen und in der Mitte zusammenzubrechen, sondern lieber bedächtiger und dafür mit Ausdauer zu handeln.
5. Dir ist dein Aussehen egal
Egal ob Regen oder Sonne: Eitelkeit ist fehl am Platz und es ist zumindest mir völlig egal. Ich laufe immer ungeschminkt, die Haare sind verschwitzt oder zerzaust oder beides. Und ja, man guckt angestrengt – dafür im Ziel aber sehr sehr glücklich.
6. Allen anderen ist dein Aussehen egal
Beim Laufen sind wir gleichberechtigt. Männer und Frauen zwängen sich in enge Synthetikkleidung, praktische bunte Schuhe und Kniestrümpfe. Männer mit langen Haaren tragen Haarbänder und kleben sich die Brustwarzen ab. Frauen tragen funktionale BHs ohne Rüschen oder Push-Up. Für ein paar Stunden sind Frauen befreit von unbequemen High Heels und „Lach doch mal, dann siehst du viel hübscher aus“-Sprüchen.
7. Du kannst dir für dich passende Ziele setzen
Es ist egal, ob es „nur“ 5 Kilometer sind oder gleich ein Marathon sein soll: Das Ziel an sich motiviert, regelmäßig zu laufen, auch wenn du gerade keine Lust hast oder es regnet. Und laufen kann jeder! Du kannst ganz klein anfangen, kurze Strecken wählen, Gehpausen einlegen und brauchst keine teure Ausrüstung.
8. Irgendwann kommst du an
Vom Laufen gelernt: Durchhalten ist viel einfacher, wenn du dir bewusst machst, dass du mit jedem Schritt der Ziellinie näher kommt. Auch das ist nicht nur beim Laufen so, sondern bei stressigen Bürotagen, Jobsuche, nerviger Grippe, Stau, Verspätungen: Am Ende wird alles gut.
9. Enjoy the little things
Am Ende eines langen Laufes sind es die kleinen Dinge, die glücklich machen: Ein kaltes Getränk, eine Banane, eine Dusche und frische Kleidung.
10. Du bist stolz auf dich
Klar, es ist anstrengend. Umso mehr kannst du stolz auf dich sein, wenn du es ins Ziel geschafft hast und die Medaille um deinen Hals gehängt wird. Das Leben wäre fad ohne Herausforderungen!
Dieser Text ist zu erst auf Saras Blog erschienen. Wir freuen uns, dass sie ihn auch hier veröffentlicht.
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