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Du willst 2016 einen neuen Job? An diesen 5 Schrauben solltest du drehen

Warum Arbeitszeugnisse nicht so wichtig sind, wie du vermeidest, dass Personaler sich an Lücken im Lebenslauf festbeißen und warum die Opferrolle für Bewerber ein absolutes Tabu ist – die Bewerbungstrainerin Cathrin Eggers weiß es.

 

Das Wichtigste: Werde dir deiner Möglichkeiten bewusst

Was ich allen Bewerberinnen mit auf den Weg geben würde: Bewirb‘ dich nur, wenn du davon überzeugt bist, dass du diesen Job wirklich willst. Bereite dich gut vor und beschreite neue Wege. Darüber hinaus habe ich fünf Punkte zusammengestellt, die für jede künftige Bewerbung wichtig sind:

1. „Vitamin B“ ist besser als sein Ruf

Als
ich meinen Job in London kündigte, um nach Deutschland zurückzukehren,
bedauerten meine Vorgesetzte und ich sehr, dass wir in Zukunft nicht mehr
zusammenarbeiten würden und sie fragte mich, ob sie noch etwas für mich tun
könne. Ich bat sie um ein Arbeitszeugnis, woraufhin sie mir versicherte: „I
will be happy to recommend you.“ Sie würde mich gerne weiterempfehlen. Ein
Arbeitszeugnis, wie ich es aus Deutschland kannte, bekam ich nicht,
denn Arbeitszeugnisse waren zwar als deutscher Usus bekannt, man dachte aber
nicht daran, sie auch einzuführen.

Das war 1998.

In
Deutschland sprechen wir 2015 immer noch von Arbeitszeugnissen, die allesamt eine
große Schwäche haben: Sie sind zumeist nicht repräsentativ! Das liegt
einerseits daran, dass die meisten Personalabteilungen nicht die Kapazitäten
haben, ein wirklich individuelles Zeugnis zu verfassen, und andererseits daran,
dass jeder Arbeitnehmer das Recht auf ein „wohlwollendes“ Zeugnis hat. Das
klingt im ersten Moment sehr erfreulich, bedeutet aber im Endeffekt eine
Aussagekraft ähnlich einer Amazon-Bewertung: Nicht vollkommen aus der Luft
gegriffen, aber auch keine Garantie für die passende Wahl.

Das
Empfehlungsgeschäft an sich ist keine Neuerfindung, wird aber auch im
beruflichen Umfeld immer wichtiger: Andere für einen Job empfehlen und sich
selber empfehlen lassen! Das ist nicht zu verwechseln mit der Angabe von
Referenzen in der Bewerbung, die sich das Schicksal der bedingten
Aussagekraft mit den Zeugnissen teilen, denn eine positive Rückmeldung auf Nachfrage
ist leicht gegeben. Aber jemanden proaktiv für einen Job zu empfehlen und mit dem
eigenen Namen für die Empfehlung zu stehen, ist schon eine ganz andere Hausnummer.

Als
ich 2012 meinem Chef eröffnete, dass ich meine Position abgeben muss, um mit
meiner Familie in eine andere Stadt zu ziehen, waren wir beide nicht froh darüber, und er fragte mich direkt, ob ich nicht jemanden kenne, der mich, wenn es denn
schon sein müsse, ersetzen könne.

Mir
fiel eine gute Bekannte ein. Ich wusste aus unseren Gesprächen, dass sie eine neue
Herausforderung suchte, bestens für die Aufgabe qualifiziert war und zum Team
und zum Unternehmen passte. Sie bekam den Job und macht ihn noch heute. Wir waren
alle froh, dass der Übergang so reibungslos funktioniert hat.

Wenn
du von Empfehlungen dieser Art profitieren möchtest, solltest du 2016 deinem
Freundes- und Bekanntenkreis offen mitteilen, wie du dir deine berufliche
Entwicklung vorstellst. Du wirst dich wundern, welche „Zufälle“ sich ergeben.

Viele
Unternehmen zahlen ihren Mitarbeitern mittlerweile eine Art Provision für
erfolgreiche Empfehlungen von neuen Arbeitnehmern. Der Grund dafür liegt nicht so sehr am
sogenannten „Fachkräftemangel“ sondern vielmehr daran, dass es mit den
gängigen Recruiting-Maßnahmen für viele Unternehmen (gerade für weniger bekannte
und beliebte Firmen) schwierig ist, den richtigen Deckel für den richtigen Topf zu
finden.

Um selber
empfohlen zu werden, was nichts anderes ist als „Vitamin B“, ist es also notwendig, dass
du selbstbewusst dazu stehst, dich beruflich weiterentwickeln zu wollen.

2. Bewerben
auf Augenhöhe

Wer
hierzulande einen neuen Job sucht – egal aus welchem Grund – findet sich leicht
in der Opferrolle wieder, ist es doch gesellschaftlich besser angesehen,
bereits glücklich und erfolgreich im „Traumjob angekommen zu sein. Behält man
seinen Wunsch nach Weiterentwicklung aber für sich, hat „Vitamin B“ keine
Chance.

Schuld
an dieser falschen Scham ist einerseits eine Medienberichterstattung, die sich lange Zeit an Begriffen
wie „Altersarmut“, „Teilzeitfalle“ und „Lebenslauf-Lücken“ festgebissen hat.
Infolge dessen reagierten viele Bewerber sehr defensiv auf Auszeiten und vermeintliche berufliche
„Fehltritte“ und stapeln lieber etwas tiefer.

Glücklicherweise
ändert sich dieser Kurs wieder. „Arbeit“ ist ein Geben und Nehmen für beide
Seiten, es gibt in diesem Verhältnis keine Bittsteller, sondern nur Partner auf
Augenhöhe! Die meisten Lücken im Lebenslauf lassen sich plausibel erklären und aus
den wenigsten Auszeiten lernt man gar nichts.

Dieses
Verständnis solltest du deinen Bewerbungen zugrunde legen und selbstbewusst
formulieren, was du willst — und natürlich, was du zu geben hast! Denn wenn du deinen
Mehrwert für ein Unternehmen nicht ganz klar herausstellst, konzentriert sich der Empfänger deiner
Bewerbung womöglich aus lauter Verzweiflung auf die Lücken in deinem Lebenslauf.

3. Als
Bewerber bist du immer auch Verkäufer

Stell
dir vor, dein Keller ist bis oben hin vollgestellt und du möchtest das ändern.
Du stehst vor vier Möglichkeiten:

– du wirfst alles weg
– du verkaufst es
– du verschenkst es
– du lamentierst über den Zustand, änderst aber nichts

Nehmen
wir an, du entscheidest dich für Antwort 2 und verteilst zwei verschiedene
Handzettel mit folgendem Aufdruck:

1. „Voller Keller, viele wertvolle Sachen, kaufen Sie jetzt!“

2. „In liebevoller Handarbeit restaurierte Gründerzeit-Kommode mit Intarsien
abzugeben, Nussbaumholz.“

Welcher
Handzettel hat wohl mehr Erfolg? Und was bedeutet das für deine Bewerbung?

Als
Bewerber bist du ein Ein-Mann-Unternehmen, das seine Leistungen anbietet und „verkaufen“
möchte. Genau wie im Verkauf von Waren funktionieren auch im Bewerbungsprozess
weniger die nichtssagenden und immer gleichen Marktschrei-Botschaften als vielmehr die
individuelle und direkte Ansprache, die den Kenner hellhörig werden lässt.

Als
Verkäufer wartest du auch nicht darauf, dass zufällig ein Kunde vorbeikommt, der genau
das sucht, was du anzubieten hast:

4.
Du ergreifst selber die Initiative

Auf
passende Stellenanzeigen zu warten ist eine Möglichkeit. Die Zwischenzeit kannst
du aber ebenso gut auch sinnvoll nutzen. Neben der Aktivierung von „Vitamin B“
schadet es nicht, kreativ zu werden. Besonders, wenn du deine Jobsuche regional
eingrenzen kannst (weil du nur innerhalb eines bestimmten Umkreises arbeiten willst), macht es Sinn, passende Unternehmen zu
finden und direkt freundlich den Kontakt aufzunehmen.

Auch das Internet bietet heute viele neue Möglichkeiten, die über Stepstone und Monster weit hinausgehen! Sei es, über Twitter die Aktivitäten von Unternehmen zu verfolgen, dem Hashtag #Jobs zu folgen oder auf XING in Gruppen aktiv zu werden und sich so dem Arbeitsmarkt zu zeigen.

Selber
die Initiative ergreifen bedeutet auch, nicht blindlings in das nächstbeste
Beschäftigungsverhältnis zu stolpern, sondern bewusst eine Entscheidung zu
fällen, was man wirklich machen will und danach zu streben. Die Gefahr, geschmeichelt
vom erstbesten Angebot oder vom etwas besseren Gehalt, den erstbesten Job
anzunehmen, besteht darin, womöglich schnell wieder im nächsten Hamsterrad zu
landen. Erneuter Frust ist vorprogrammiert!

Es klingt logisch, fällt aber vielen schwer — sich darüber bewusst zu werden, was man vom (Arbeits-)Leben
eigentlich will, sich fehlendes Wissen oder fehlende Kenntnisse anzueignen und
sich eigenverantwortlich auf seinen Weg zu machen, anstatt in der Opferrolle zu verharren.

5.
Das Konzept der „Neuen Arbeit“

Die
Arbeitswelt, wie wir sie kennen, ist im Umbruch. Jahrzehntelange
Festanstellungen sind die Ausnahme geworden und heute für viele nicht einmal
mehr wünschenswert. Durch Globalisierung und Technisierung fallen Jobs weg,
andere werden neu geschaffen und neben dem Wunsch und der Notwendigkeit des reinen
Gelderwerbs verstärkt sich das Bedürfnis nach sinnvoller Beschäftigung und mehr Zeit für Dinge, die
außerhalb der Erwerbstätigkeit stattfinden.

Für
dich als Bewerberin heißt das, dass Proaktivität und Eigenverantwortung mehr
gefragt sind denn je. Einerseits, um den Unternehmen Mehrwert und somit Wettbewerbsfähigkeit zu bieten, mit dem du dich von deinen Mitbewerbern abhebst.
Andererseits, um selber zu profitieren, zum Beispiel durch flexiblere
Arbeitszeit- und Arbeitsplatzmodelle oder Mitsprachemöglichkeiten.

Auch
wenn sich nicht sicher vorhersagen lässt, wie die Zukunft der Arbeit aussehen
wird, kannst du 2016 schon viel zu deiner beruflichen Zufriedenheit
beitragen, indem du dir deiner eigenen Möglichkeiten bewusst wirst und selber
die Initiative ergreifst. 

Cathrin arbeitet als Bewerbungs­ und Karriereberaterin und betreibt den Blog Sternebewerbung für Frauen, die sich erfolgreich bewerben wollen.

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