Die Zahl der Paare, in denen die Frau Hauptverdienerin ist, oder sich die Einkünfte der Partner*innen ähneln, steigt. Wenn wir wirklich gleichberechtigt leben wollen, kann das aber nur der Anfang sein. Mareice Kaiser von ze.tt kommentiert.
Veraltete Rollenbilder
„Und, wo ist dein Kind gerade?“ Als lohnarbeitende Mutter kann ich mittlerweile nicht mehr zählen, wie oft mir diese Frage gestellt wurde. Damit bin ich nicht allein, zumindest nicht unter Müttern. Diese Frage zeigt mir immer wieder: Für mein Kind bin ich verantwortlich. Ob es ein zweites Elternteil gibt, ist für Fragende häufig irrelevant. Für Fragende ist oft auch irrelevant, wer in meiner Familie für das Einkommen zuständig ist. In meinem Fall bin ich das.
Die Zahl der Paare in Deutschland, in denen die Frau Hauptverdienerin ist, oder sich die Einkünfte der Partner*innen ähneln, steigt. Das geht aus den Zahlen des Mikrozensus hervor, die gerade veröffentlicht wurden. Der Mikrozensus ist die größte jährliche Haushaltsbefragung in Deutschland und wird vom Statistischen Bundesamt herausgegeben, die Zahlen beziehen sich auf gemischtgeschlechtliche Paare.
„Kinder Gap“ bei Paaren mit Kindern
Bei 75 Prozent der befragten Paare ist der Mann der Haupteinkommensbezieher. Bei 14,4 Prozent der Paare ist die Frau die Hauptverdienerin. Bei nur 10 Prozent der Paare haben Frau und Mann ein ähnliches Einkommen. Bei Paaren mit Kindern waren Frauen seltener die Haupternährerin in der Familie als bei Paaren, in deren Haushalt keine Kinder (10 Prozent zu 15 Prozent). Dieser „Kinder Gap“ zeigt sich nicht nur in der Bezahlung, sondern auch in der Verteilung von Fürsorgearbeiten.
Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung aus dem Jahr 2017 leisten Frauen nach wie vor den größten Teil unbezahlter Hausarbeit und Kinderbetreuung. Besonders sichtbar wird das, wenn Paare mit Kindern im Alter bis sechs Jahren leben. Genau die Zeit im Leben von Müttern, in denen häufig ihr Wohlbefinden sinkt. Genau die Zeit im Leben von Eltern, in der es viel unsichtbare Arbeit neben der Lohnarbeit gibt.
Im Alter von 34 Jahren verrichten Frauen täglich 5:18 Stunden Sorgearbeit, während Männer im gleichen Alter 2:31 Stunden Sorgearbeit leisten. Frauen verdienen im Durchschnitt weiterhin 21 Prozent weniger als Männer und haben ein 53 Prozent niedrigeres Alterseinkommen.
Dass sich die Einkommensverhältnisse von Frauen und Männern langsam, sehr langsam, annähern, heißt noch lange nicht, dass Gleichberechtigung gelebt wird. Zumal die Familien, in denen Frauen die Hauptverdienerinnen sind, Familien mit niedrigem Einkommen sind. Das Armutsrisiko ist besonders hoch in Ein-Eltern-Familien, Alleinerziehende sind zu 90 Prozent Frauen.
Was also tun? „Frauen, die wissen, was ihre Arbeit wert ist, sind der Albtraum des Patriarchats“, schreibt die Autorin Margarete Stokowski in ihrer aktuellen Kolumne. Und ja, das stimmt wohl. Vor allem, wenn sie es nicht nur wissen, sondern auch fordern. Neben der Forderung nach gerechter Bezahlung müssen die Forderungen aber weiter reichen. Die unsichtbaren Sorgearbeiten müssen sichtbar gemacht werden, sie müssen umverteilt werden. Wir können nur gerecht arbeiten, wenn wir in allen Bereichen gerecht arbeiten.
Die Revolution der aktiven Väter
Bestrebungen in diese Richtung gibt es bereits. So fordert das Netzwerk Care Revolution eine „Care-Ökonomie, die Sorgearbeiten und Care-Ressourcen nicht nach rassistischen, geschlechtlichen oder klassenbezogenen Strukturierungen verteilt“. Dabei geht es im ersten Schritt um ein kulturelles Umdenken. Fürsorge als gesamtgesellschaftliche Aufgabe, nicht nur die von Frauen oder Müttern. „Und, wo ist dein Kind gerade?“ als Frage an alle Eltern – oder an niemanden, weil wir füreinander sorgen und sicher sein können, dass das Kind gerade gut betreut wird.
Diese Revolution kann von Frauen und Müttern gestartet werden, sie wird sich aber nicht durchsetzen, wenn nicht alle mitmachen. Auch und vor allem die, die von den aktuellen ungerechten Bedingungen profitieren. Aktive Väter werden sie manchmal genannt und ja, Aktivität wäre wirklich wünschenswert. Nicht nur in den Bereichen, in denen Väter mehr Bestätigung bekommen als Mütter.
Wie ihr, Väter, aktiv werden könnt? Beantragt bei euren Vorgesetzten ganz selbstverständlich zwei Jahre Elternzeit. Geht als Chef mit Kind selbstverständlich in Teilzeit und führt weiter. Verbringt Zeit mit euren Kindern, nicht nur am Wochenende oder ab 18 Uhr. Putzt die Fenster, das Klo und von mir aus auch das Auto. Macht Familienpläne, habt Stundenpläne im Kopf, wann das Kind Sport hat und den Turnbeutel braucht. Kümmert euch um eure pflegebedürftigen Eltern und die hilfsbedürftigen Nachbar*innen. Stellt die Waschmaschine an und hängt die Wäsche auf.
Keine Sorge, ihr müsst das nicht allein tun. Wir helfen euch gern. Gleichberechtigt. Deal?
Der Originaltext von Mareice Kaiser ist bei unserem Kooperationspartner ze.tt erschienen. Hier könnt ihr ze.tt auf Facebook folgen.
Mehr auf EDITION F
„Die MILF ist nicht selbstbestimmt, sie ist eine Trophäe“ – über den Fuckability-Zwang als Mutter. Weiterlesen
„Als Mutter versucht man sein Leben einfach nur irgendwie hinzubekommen“. Weiterlesen
Emanzipiert euch von der Idee der perfekten Frau! Weiterlesen