Das Frauenwahlrecht war ein Meilenstein in Sachen Gleichberechtigung. Aber was hat sich seit dem getan? In der Politik ist der Frauenanteil immer noch auffallend gering. Und das liegt auch daran, dass das politische Engagement von jungen Frauen immer wieder im Keim erstickt wird, kommentiert unsere Community-Autorin.
Die Geburtsstunde des Frauenwahlrechts in Deutschland feiert am 12. November 2018 sein 100-jähriges Jubiläum – und damit ein Meilenstein für die gesetzliche Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Aber was hat sich seither bei dem Thema getan? Eindeutig zu wenig. Denn obwohl Frauen seit 100 Jahren in Deutschland wählen und gewählt werden dürfen, sind sie nach wie vor in der Politik noch nicht richtig angekommen.
In konkreten Zahlen heißt das: Im am 24. September 2017 gewählten 19. Deutschen Bundestag sind 219 Abgeordnete von insgesamt 709 Abgeordneten Frauen. Damit liegt der Frauenanteil des aktuellen Bundestages bei 30,9 Prozent. Vergleicht man diese Zahlen mit dem des 18. Deutsche Bundestag, dann ist der Frauenanteil sogar rückläufig: denn der war noch zu 37,1 Prozent mit Frauen besetzt. Mit dem aktuellen Frauenanteil nimmt Deutschland im internationalen Vergleich Platz 45 von 190 ein. Auf kommunaler Eben ist die Quote noch bezeichnender – gerade einmal 25 Prozent der Stadt- und Gemeinderäte sind mit Frauen besetzt und nur neun Prozent der Bürgermeister*innen in Deutschland sind weiblich.
Was sind die Ursachen für den geringen Frauenanteil in der Politik?
Nun sind Prozentzahlen allein kein sicherer Maßstab für Gleichberechtigung. Und es muss auch nicht zwingend zielführend sein, aus Gründen der berechenbaren Gleichberechtigung, auf eine starre 50/50-Quote zu setzen. Denn es muss immer gelten: Wir brauchen die fähigsten Menschen im Amt – egal, welches Geschlecht sie haben. Aber es wird auch niemand ernsthaft behaupten können, dass sich über die aktuellen Zahlen eine Aussage über die individuelle Befähigung der Mitglieder der politischen Gremien treffen lässt. Denn wie qualifiziert eine Person ist, entscheidet eben noch nicht darüber, ob sie in der Politik Karriere machen wird oder nicht. Aber was ist es dann?
Betrachtet man die Situation auf kommunaler Ebene, lassen sich Ursachen dafür finden, warum Frauen sich eher zögerlich in die aktive Politik einbringen: Sie kämpfen nach wie vor an vielen Fronten. Denn wenn sie eine Familie gründen, was heute zum Großteil immer noch in traditionellen Rollen gelebt wird, stehen sie schnell vor sehr großen Herausforderungen. Ja, berufliche Selbstverwirklichung ist heute auch mit Kindern möglich. Trotzdem ist es kein einfacher Spagat, ob mit oder ohne politisches Engagement. Weil viele Eltern durch einen Wegzug aus der Heimat oder noch berufstätigen (Groß-)Eltern, nicht auf familiäre Unterstützung zurückgreifen können und es zudem flächendeckend an Angeboten für eine Kinderbetreuung fehlt. Und wenn, wie so häufig, automatisch davon ausgegangen wird, dass die Frau den Großteil der Care-Arbeit übernimmt, macht das den Spagat manchmal gar unmöglich.
Politik mitzugestalten, kann für Eltern sehr teuer werden
Aber selbst wenn man sich als Eltern gleichberechtigt aufteilen möchte, funktioniert es häufig nicht. Engagieren sich junge Eltern in der Lokalpolitik und sind dabei noch berufstätig, geht das faktisch nicht ohne familiäre Unterstützung im sehr großen Stil oder Lösungen wie eine zusätzliche private Kinderbetreuung. Sitzungen finden in der Lokalpolitik häufig am Nachmittag statt und zudem gibt es viele Termine, an denen Kinder nicht selbstverständlich teilnehmen können. Auch ist es üblich, dass sich etwa Stadtratsmitglieder in Aufsichtsräte einbringen, aber auch deren Sitzungen können sich nicht an Kinderbetreuungszeiten orientieren.
Die Kommunalordnungen sehen bundesweit vor, dass Arbeitnehmer*innen einen Anspruch auf Freistellung haben, wenn sie aufgrund mandatsbezogener Umstände an der Ausübung ihrer Arbeit gehindert sind – eine vergleichbare Klausel gibt es für Eltern jedoch nicht, obwohl das dringend notwendig wäre. Denn private Kinderbetreuung, die es eben häufig braucht, um an Ratssitzung, Ausschusssitzungen oder Aufsichtsratstätigkeit teilzunehmen, wird so nicht erstattet. Damit wird das Engagement für junge Eltern schnell zu einem zu teuren Vergnügen, weil die politische Betätigung auf kommunaler Ebene ein Ehrenamt ist. Aber all das schließt ja nicht Eltern, sondern noch so viele Menschen mehr aus der Politik aus, die dort dringend gebraucht würden.
Erst Kinder, dann die Politik?
Nun werden manche vielleicht fordern, dass sich junge Eltern doch bitte erst einmal auf ihre Kinder konzentrieren sollten, bevor sie Karriere in der Politik machen. Man kann eben nicht alles haben. Aber ganz gleich, wie man privat dazu steht: Wohin sollte dieser Ausschluss denn führen? Ganz bestimmt nicht dahin, dass wir bessere Politik machen. Wir brauchen Eltern in der Lokalpolitik. Ein Gremium lebt davon, dass Menschen mit unterschiedlichsten Bedürfnissen und Blickwinkeln zusammenkommen. Aber auch ganz grundsätzlich ist es nicht nachvollziehbar, warum der verhinderte Arbeitnehmer*innen hier gegenüber verhinderten Eltern bessergestellt wird. Die Lösung liegt ja schon auf dem Tisch.
Sie nicht zu ergreifen und keine familienfreundlichen Strukturen einzuführen, begünstigt aber auch, in einem ewig gestrigen Rollenverständnis hängen zu bleiben. Oder warum ist es immer noch selbstverständlich, dass Frauen regelmäßig dazu befragt werden, wie sie denn Familie, Beruf und noch zusätzliches Engagement bitte unter einen Hut bringen möchte – Vätern diese Frage aber meist erspart bleibt? Die Selbstverständlichkeit, mit der wir Familie noch in diesen Rollen denken, macht zudem junge Frauen, ob sie Kinder haben oder nicht, nur schwer wählbar – weil pauschal in Frage gestellt wird, ob sie die nächsten Jahre ihr Amt wirklich voll ausfüllen kann. Es sind Vorurteile, die sich meist nur durch unverhältnismäßge Präsenz, wenn überhaupt, entkräften lassen. Für Frauen ist es der Kampf, immer mehr als ihre männlichen Kollegen geben. Dazu sind aus nachvollziehbaren Gründen nur wenige junge Frauen bereit.
Das politische Engagement von jungen Frauen wird im Keim erstickt
Auch Bürgermeisterin zu werden, wird so fast unmöglich, denn der Weg dahin führt in der Regel über die verschiedenen Instanzen in der Kommunalpolitik. Wird das politische Engagement junger Frauen bereits im Keim erstickt, ist es logisch, dass nur wenige bis zu diesem Amt vordringen. Zudem starten viele bundespolitische Karrieren in der Kommunalpolitik, sodass die Rückständigkeit im Kleinen auch Auswirkungen auf das große Ganze hat. Nun sind es nicht nur junge Mütter oder jene, die es werden wollen, die der Politik fernbleiben. Die kommunale Ebene ist generell männliche dominiert, weil viele Ämter von Männern besetzt und durch Männer nachbesetzt werden. Und das wirkt sich wiederum auch auf den Umgang miteinander aus.
Das Klima unter politisch engagierten Personen im kommunalen Umfeld wird häufig frauenfeindlich, sobald man tiefer in die Parteiarbeit einsteigt. Aussagen wie „die ist zwar ganz talentiert, ihr fehlt der Schwanz zwischen den Beinen“, oder „die Neue muss halt noch eingeritten werden“, oder „die ist ja nur Quotenfrau“, sind Aussprüche, mit denen Frauen in der Politik häufig konfrontiert werden und zwar auch von Kollegen innerhalb der eigenen Partei. Um dem tatsächlich begegnen zu können, braucht es eine größere und solidarische Frauenfront, aber auch einer klugen strategischen Führung innerhalb der Partei, die Ämter nicht nach Geschlecht, sondern nach Kompetenz besetzt. Hier aber beißt sich die Katze in den Schwanz. Weil so wenig Frauen in der Politik sind, herrscht ein sexistischer Umgang. Und der frauenfeindliche Umgang unterstützt wiederum, dass nicht mehr Frauen in die Politik nachrücken.
Klar ist, es bedarf Frauen in öffentlichen Ämtern und Gremien. Insgesamt wird das politische Klima in Deutschland rauer und gleichzeitig nimmt die Zahl politisch aktiver Frauen ab. Die Salonfähigkeit rechtspopulistischer Politik wird dadurch unterstützt, dass die anderen Parteien es nicht schaffen, geschlossen aufzutreten und wenigstens innerhalb der eigenen Partei an einem Strang zu ziehen. Nur wenn Parteien ein Spiegelbild der Gesellschaft sind und solidarisch ihre Ziele verfolgen, können sich Bürger*innen wieder mit ihnen identifizieren, sodass dem Rechtstrend entgegengewirkt werden kann. Ämter müssen dabei nach Kompetenz besetzt werden und es muss das erklärte Ziel sein, dass politische Gremien so divers aufgestellt sind, wie sich unsere Gesellschaft zeigt, damit wirklich für alle Politik gemacht werden kann. Dazu muss auch der Weg für Frauen in die Politik endlich wirklich frei sein.
Mitarbeit: Iris Muth.
Artikelbild: Depositphotos
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