Empathie gilt noch immer als eher weibliche Eigenschaft, die Führungskräfte nicht unbedingt brauchen. Doch stimmt das? Business-Coach Dr. Monika Hein erklärt, wie man diese Fähigkeit richtig nutzt.
Hat Empathie im Business nichts zu suchen?
Empathie gilt weithin als „weiche“ Fähigkeit. Gerade Frauen in der Berufswelt wird sie häufig angekreidet, denn „weich zu sein“ bringe keinen Umsatz, bringe Unternehmen und Organisationen nicht weiter.
Als Resultat dieser Annahmen versuchen Frauen dann, Härte einzustudieren, die besseren Männer zu sein, toughe Entscheidungen zu treffen. Was auf der Strecke bleibt, ist dann im Allgemeinen die Menschlichkeit. Warum hat die Empathie eigentlich so einen schlechten Ruf bekommen? Und warum soll Weichheit eigentlich keine Qualität sein, die eine Führungskraft und ihre Mitarbeiter*innen weiterbringt? Schauen wir uns einmal an, wie sie sich zeigt, die Empathie.
Eine Führungskraft (egal welches Geschlecht sie hat) bekommt mit, dass die Assistentin der Geschäftsleitung gerade in einer schweren Krise steckt. Die Mutter ist zum Pflegefall geworden, die Partnerschaft beendet oder das Kind steckt in Schwierigkeiten. Worum auch immer es geht: Der Frau geht es schlecht und das ist deutlich spürbar. Der harte Weg wäre nun: Die Frau muss doch performen! Tut sie das nicht, wird sie eben ersetzt. Zugegeben, das ist nun der wirklich ganz harte Weg, aber so ganz fern der Realität ist dieser nicht: Die Frau wird aufgrund schwerer Fehler abgemahnt und schließlich wird ihr gekündigt.
Empathie bedeutet mehr als Kummerkasten zu sein!
Der weiche Weg ginge folgendermaßen: Man lädt die Dame zum Gespräch ein. Sie schüttet ihr Herz aus, die Führungskraft kann dem Gespräch kein Ende setzen, schafft ihr Tagespensum nicht. Nach dem langen Gespräch ist die*der Vorgesetzte völlig erschöpft und muss Überstunden machen, damit das Tagesgeschäft noch erledigt werden kann. So, denken die meisten, geht Empathie. Räucherstäbchen, Erdbeertee und endlose Gespräche: Empathie bringt nichts ein, kostet nur wertvolle Zeit und Ressourcen. Kann sich kein Unternehmen leisten. Oder?
Doch Empathie ist viel mehr und kann richtig viel bewirken, wenn man sie klug einsetzt. Wenn sie nur in überbordenden Gefühlen mündet, ist sie schier sinnlos, das ist richtig. Was in der weichen Variante passiert, ist nur, dass die Mitarbeiterin ihre Emotionen herauslassen kann und die Führungskraft meint, einfach nur da sein zu müssen. Doch das ist tatsächlich „nur“ Sympathie. Sympathie kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „Mitleiden“. Im Gespräch wird Verständnis signalisiert, wird validiert, gestärkt – das ist alles prima, aber das kann natürlich auch die beste Freundin tun, NACH Feierabend. Wahre Empathie zeigt sich anders.
Empathie im Beruf einsetzen
Wahre Empathie zu haben, umfasst drei Schritte: Gefühle erkennen zu können, sie zu verstehen und angemessen zu handeln. Der erste Schritt ist recht einfach. Jeder halbwegs emotional intelligente Mensch kann erkennen, dass es jemandem, der täglich mit verweinten Augen zur Arbeit kommt, nicht besonders gut geht. Das scheint uns angeboren zu sein (es sei denn, jemand leidet unter einer Persönlichkeitsstörung, dann ist das nicht ganz so einfach).
Also, das Erkennen von Gefühlen, Schritt 1, scheint zu klappen. Emotionale Empathie besitzen wir mehr oder weniger alle. Der zweite Schritt, diese Gefühle auch zu verstehen, ist dann die kognitive Empathie: Wir können uns ja vorstellen, dass es jemandem während einer Trennung nicht gut geht, der Verstand kann sich das erklären. Je vertrauter uns die Umstände sind, desto leichter funktionieren die ersten beiden Schritte. Je ferner und unbekannter die Kultur ist, in der jemand lebt, desto schwieriger wird es mit der Empathie. Nun kommen wir aber zum dritten Schritt, dem „angemessenen Handeln“. Das klingt abstrakt und fordert uns heraus. Denn, wo Emotionen im Spiel sind, da handeln wir oft unangemessen und erliegen der Versuchung, unser Wissen und unsere Erfahrungen kurzfristig zu vergessen. Was hier entsteht, nennt man in der Forschung „empathischer Stress“. Wir fühlen so stark mit, eben WEIL wir fühlen und verstehen, so dass das angemessene Handeln auf der Strecke bleibt. Wenn wir uns davon mitreißen lassen, dann treffen wir vielleicht Entscheidungen, die mitunter nicht rational, sondern zu sehr vom Mitfühlen geprägt sind.
Klug einfühlen – und ins Handeln kommen
Denn das schwächt uns: Einfühlung macht uns betroffen, traurig und handlungsunfähig. Wenn die*der Mitarbeiter*in oft weint und ihre*seine Arbeit nicht machen kann, nützt es allerdings genau niemandem, wenn die Führungskraft mit ihr zusammen wackelt und selbst ganz trübsinnig wird. Beide gehen zusammen unter und schaden unter Umständen sogar dem Unternehmen. Diese Kritik wäre berechtigt und ist einleuchtend. Doch was ist die Alternative? Einfach Härte zeigen? Auf gar keinen Fall!
Es gilt, mit der Einfühlung klug umzugehen und sich zu fragen: Wie sieht denn nun ein angemessenes Handeln aus? Hierfür benötigen wir ein klein wenig mehr Distanz, als wenn wir das vielleicht privat entscheiden würden. Mit diesem weiteren Blick können wir Entscheidungen treffen, die sowohl die eigene Funktion, die Bedürfnisse des Unternehmens als auch die der Mitarbeiter*innen im Auge behalten. Wir treten einen Schritt zurück und fragen uns: Was braucht gerade wer, damit die Situation gut in den Griff zu bekommen ist?
Auf diese Weise kann Mitarbeiter*innen ein offenes Ohr geschenkt werden, gleichzeitig aber ganz pragmatisch nach Lösungen gesucht werden, die im Sinne aller zu einem guten Ergebnis führen.
Das wiederum ist gar nicht so einfach und erfordert vor allem eins: Achtsamkeit im Umgang mit sich selbst und anderen. Empathie ist also manchmal umständlicher als bloße Weichheit oder Härte: Sie entscheidet klug.
Ein pragmatischer Leitfaden für einen empathischen Führungsstil:
– Die Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen im Blick haben: Was braucht der Mensch, um wieder seine Arbeit machen zu können? Kann es sein, dass ich sie oder ihn vorübergehend umbesetzen, beurlauben oder ihm eine Krankmeldung empfehlen sollte? Fehlzeiten können für beide Seiten sinnvoll sein, als Führungskraft sollte man sich nicht davor scheuen, Mitarbeiter*innen Erholungszeit zu empfehlen.
– Die eigenen Bedürfnisse als Führungskraft beachten: Was brauche ich in meiner Position? Bin ich mir bewusst, was ich selbst brauche und wie ich mir diese Bedürfnisse erfülle? Sich selbst, seine Möglichkeiten und Bedürfnisse genauso wichtig zu nehmen wie die der anderen ist eine wichtige Eigenschaft in der Führung.
– Die Bedürfnisse des Unternehmens kennen: Was braucht das Unternehmen, wofür muss ich in jedem Moment Sorge tragen? Was muss sichergestellt sein, damit alles gut läuft und wo habe ich Spielräume?
Wenn man als Führungskraft diese drei Teile der Empathie im Blick behält, dann ist sichergestellt, dass man angemessen handelt, wenn Emotionen einmal sehr präsent werden. Dieses bewusste Handeln ist ein wichtiger Bestandteil der Empathie und wird allzu oft vergessen. Sowohl von jenen, die empathisch sein wollen, als auch von den Kritiker*innen dieser wunderbaren Fähigkeit.
Wenn Führungskräfte also auf diese Weise die Bedürfnisse aller respektieren und entsprechend handeln und kommunizieren, merken Mitarbeiter*innen bald eine neue Qualität in ihrer Arbeit: Wohlwollend, warmherzig und gelassen gehen alle gemeinsam in eine Richtung. Die Menschlichkeit ist immer mit dabei.
Titelbild: Depositphotos.com
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