Foto: Foto: Antje Wonneberger

Wir sind mutig. Wir sind verletzlich. Wir sind Stark.

Nicht die Vergewaltigungen an sich sind das Schlimmste. Auch
nicht die Vergewaltigungen überlebt zu haben. Das Schwerste ist, das Erlebte zu verarbeiten. Sich dem Erlebten zu stellen. Dem Schmerz, der Verletzung und der Tatsache, dass ich immer verletzlich bin, egal wie sehr ich versuche mich davor zu schützen. Ich habe den Schmerz betäubt und verdrängt. Ich habe mich
eingeigelt. Doch damit betäubte ich neben dem Schmerz, auch Freude, Glück und Wohlgefühl.

*Triggerwarnung

 

Tagebuch,
03.06.2014

„„Brief
an Janus vom 22.06.2008:

Noch
keine 3 Sekunden bist du weg und ich fange an mit, schreiben. Ich weiß zwar
noch nicht so genau wo, ich anfangen soll, aber egal.

Ich
hätte ehrlich gesagt lieber mit dir drüber geredet, wenn die Zeit denn
vorhanden gewesen wäre. Beim Reden sehe ich deine Reaktion und du kannst mir
direkt antworten. Per Mail macht sich das schlecht. Eine Woche warten, bis du
wieder da bist, ist allerdings wohl auch blöd, da gebe ich dir Recht. Und so
kannst du auch lang genug über alles nachdenken. Meine Gedanken kann ich übers
Schreiben vielleicht auch besser ordnen, mal sehen.

Ich
hab schon oft darüber nachgedacht, warum ich mit Sexualität solche Probleme habe.

Oft
reagierst du in Situationen, in denen ich abblocke mit dem Satz: „Aber du
mochtest das auch mal … am Anfang“. Glaube nicht, dass du der Einzige bist, der
sich fragt, warum, sich das geändert hat. Ich bin mir sicher, dass das nicht an
der fehlenden Liebe zu dir liegt. Ich brauche dich mehr denn je, nur nicht
unbedingt sexuell. Wie ich vorhin schon angesprochen habe und du ja auch weißt:
Mir geht es momentan nicht so gut. Ich brauche deine Nähe und Liebe, nur
verlangt es mir eher selten nach sexueller. Ich brauche jemanden, der zuhört,
mich einfach nur in den Arm nimmt, mit mir etwas Schönes unternimmt. Und vor
allem brauche ich dein Vertrauen. Ich brauche dich zum Auffangen, egal wie
scheiße, fies, emotional oder weinerlich ich auch gerade bin. Ich will dich
nicht verletzen, dich nicht bewusst angreifen, aber manchmal rutscht es mir
einfach raus, weil ich mich so fühle. Ich weiß nicht genau wieso ich auf den
Stress, den seelischen Stress mit Blockieren reagiere. Andere Leute stürzen
sich vielleicht  in Sexorgien um auf
schöne Gedanken zu kommen. Ich nicht.

Wie
schon oben erwähnt, hab ich mir oft Gedanken über mein Sexualleben gemacht.

Ich
werde jetzt mal die auffälligsten Reaktionen von mir aufzählen und versuchen
dir zu erklären, warum ich so handele.

Willst
du an meinem Ohr knabbern oder atmest du auch nur unbewusst hinein, zucke ich
zusammen.

Das
hängt mit dem Überfall in der Tschechischen Republik, als ich 6 oder so war,
zusammen.

Der
Einbrecher, der in unserem Zimmer des Bungalows die Geldtaschen meiner Eltern
klaute, wollte auch mein Radio. Das stand neben mir auf dem Nachttisch. Es war
stockdunkel und er beugte sich über mich, denn der Stecker des Gerätes war in
der Steckdose an der Wand hinter meinem Kopfende. Ich spürte und hörte seinen
Atem. Warm und wieder kalt, warm und wieder kalt. Du kannst dir vorstellen
welchen Schiss ich hatte.

Dieses
Panikgefühl bekomme ich heute auch wieder. Ich wieß du bist nicht der
Einbrecher und du tust mir nichts, aber das Gefühl ist stärker. Warum es
ausgerechnet jetzt plötzlich so stark ist? Ich erkläre es dir gleich, denn der
Grund ist für viele Reaktionen derselbe…glaube ich.

Willst
du mich am Hals küssen, blocke ich ab und zieh den Hals ein.

Ich
hatte dir den Grund dafür schon einmal erzählt, aber ich nenne ihn einfach auch
noch mal. So kannst du vielleicht besser meine Erklärungen verstehen.

Als
ich mit Andrew noch zusammen war, spielte sich folgende Szenerie ab:

Ich
war bei ihm, wie jeden Tag, nach der Schule zu Besuch. Ein Kumpel von ihm, den
ich vorher noch nicht kannte, war auch da. Wir (Andrew und ich) haben uns ein
bisschen geneckt, so wie wir das auch ab und an machen, mit durchkitzeln,
zwicken usw. Wie aus heiterem Himmel packte Andrew mich am Arm und schliff mich
aus seinem Zimmer auf den Flur. Er pfefferte mich mit einem deftigen Ruck von
dort auf den Küchenboden. Die Landung tat höllisch weh, ich hatte Tränen in den
Augen und das Einzige was er tat war: Auf mich herabsehen, hämisch grinsen und
anstatt mir wieder aufzuhelfen, ins Gesicht zu höhnen: „Oh, hast du dir
wehgetan? Armes Stadtkind.“ Ich kam mir so jämmerlich vor, so mit den Füßen
getreten. Das er mir wehgetan hat, indem er mich aufn Boden schmiss, war
weniger das Schlimme daran, sondern sein Satz. Er hat mir damit einfach nur das
Gefühl gegeben nichts Wert, zu sein. Er half mir nicht „reumütig“ auf. Ihm tat
es nicht mal leid. Das hat mich verdammt wütend gemacht und war auch der Grund
warum ich mich in ein paar Sekunden aufrappelte, um ihm eine zu scheuern und
„Arsch!“, zu sagen. Und wiederum Sekunden später saß ich in seinem Zimmer, auf
seinem Stuhl und starrte seinen Kumpel beim PC spielen an. Ich wollte nicht
gehen, ich wollte keine „Szene“ machen, obwohl sie da war. Ich konnte nicht
gehen. Ich weiß nicht, warum. Das war das Dümmste, was ich machen konnte. Dort
bleiben. Ich verstehe mich da bis heute nicht, warum, ich nicht einfach
gegangen bin. –

Andrew
kam mir nach. Ich saß mit dem Rücken zur Tür. Ich wusste nicht was er als
nächstes tun würde. Ich spürte seine Hände in meinem Nacken/Schulter-Bereich.
Er griff nicht zu, sondern wollte beruhigend streicheln oder so. Er meinte
weinerlich „Schatz, es tut mir leid“. In dem Moment fühlte ich nichts weiter
als Ekel und Hass. Der Grund, weshalb ich seine Hände auch abschüttelte.

Die
Geschichte dürfte dir nun mehr als bekannt sein. Diese Erniedrigung am Boden zu
liegen, „ausgelacht“ und dann von dieser Person im nächsten Atemzug angefasst
zu werden, war furchtbar. Die Gefühle dabei, die Erinnerung daran sitzen tief.
Das weiß ich jetzt. Ich hab es die 2 Jahre, bevor ich dich kennenlernte, gut
verdrängt und vergessen. Am Anfang unserer Beziehung war ich total verliebt und
glücklich, ich hatte keine Probleme, alles war gut.

Nur
jetzt, so erkläre ich mir das jedenfalls, habe ich viele Probleme um die Ohren.
Sie belasten mich, machen mich unausgeglichen und dünnhäutig und aus
irgendeinem Grund kommen genau diese Erinnerungen und die Gefühle wieder hoch.
Ich liebe dich, ich ekele mich nicht vor DIR. Es ist dieses Gefühl das einfach
aufblitzt, sobald du auch nur in die Nähe meines Halses oder meines Ohres
kommst. Ich kann es nicht steuern.

Ich
habe auch schon versucht mich zur Ruhe zu zwingen, aber das macht es nur noch
schlimmer. Janus, es kommt richtige Panik in mir auf. Ich reagiere nur noch auf
das Gefühl, alles um mich rum ist da ausgeblendet. Das Gefühl, diese Panik ist
so intensiv, dass ich nicht anders kann, als „mich zu retten“. Kurz danach
denke ich mir auch immer: „Gott Hedwig wie dumm, das ist doch nur Janus. Er tut
dir doch nichts. Er liebt dich doch.“. Nur in diesem Moment reagiert kein
Verstand, sondern nur der Instinkt, der mir sagt: „Wehre dich, das willst du
nicht … nicht noch mal.“

Mit
Andrew hatte ich auch im Bett nicht sonderlich viel Spaß. Er mochte sich und
seinen Körper nicht. Oft habe ich den Anfang gemacht, wollte ein bisschen
„körperliche Liebe“. Er war der, der sich oft zierte. Wenn er sich allerdings erweichen
ließ, dann legte er los. Gnadenlos, ohne auch nur einen Funken Interesse daran,
zu haben, wie es mir geht oder was ich will. Ich hatte es ja provoziert, klar,
nur das waren meine ersten sexuellen Erfahrungen. Auf die Tour hat er mich
entjungfert. Ich hatte wahnsinnige Schmerzen. Du weißt, wie zart ich gebaut
bin. Ein NEIN wurde nicht akzeptiert, Tipps es anders zu machen ignoriert und
die Kraft die er hatte, nutzte er auch im Bett. Er legte sich zufrieden „Jaaaa“
seufzend neben mich, ohne zu fragen, wie ich es fand. Ich saß dann im Bad auf
dem Klo und hoffte, dass es bald aufhört zu bluten. Ich war wund und alles tat
weh. Erniedrigung waren diese Erlebnisse für mich.

Oh,
es gab auch guten Sex mit ihm, doch das war selten. An diese lichten Momente
erinnere ich mich sogar gern. Ich muss mir ja schließlich auch mal etwas
Schönes vor Augen halten und  mir klar
machen, dass nicht alles schlimm ist.

Das
ist im Übrigen der Grund,weshalb ich mich gerne im Sitzen positioniere. Ich habe
die Kontrolle und ich damit gute Erfahrungen gemacht. Ich versuche oft einfach
an etwas Schönes, zu denken und mich nicht von den schlechten Sachen einfangen,
zu lassen. Es macht alles kaputt und schlimmer als es eigentlich ist, das weiß
ich. Nur irgendwie klappt es nicht immer und zu deinem Leidwesen momentan immer
seltener.

Die
schlechten Erfahrungen sind unausweichlich vorhanden. Das sind die Gründe,
weshalb es mir schwer fällt, locker zu lassen. Die Gründe, weshalb ich keine
Aufforderungen mag. Der Grund, warum ich mich vorm Geschlechtsteil und vor
allen Körperflüssigkeiten oftmals ekele. Die Angst (vor der Kraft und die alten
Verhaltensmuster) ist der Grund, warum ich mich auch nicht wehre, wenn ich
etwas nicht will, sondern oftmals auch alles über mich ergehen lasse. Damals
bin ich nach jedem Sex nach Hause und unter die Dusche geeilt. Ich habe mich so
dreckig und furchtbar gefühlt.

Bei
dir habe ich mich anfangs noch danach geduscht. Mich ca. dreimal eingeseift,
weißt du noch? Dann habe ich mich irgendwann mal gezwungen liegen zu bleiben
und festgestellt, dass es geht. Ich fühle mich wohl in deinen Armen. Nur mit
den Flüssigkeiten habe ich noch ein Problem. Die sind für mich einfach der
Inbegriff für „dreckig!“

Ich
glaube, wie schon erwähnt, dass die Reaktionen beim Hals und beim Ohr, sowie
das Abwehren aller „unanständig-dreckigen“ oder für mich „erniedrigend
wirkenden“ Sachen momentan so stark sind, weil ich so viele Sachen um die Ohren
und eigentlich nur Sinn/Bedürfnis für/nach Ruhe & Geborgenheit habe.

Nur
so kann ich mir erklären, warum ich am Anfang unserer Beziehung auch andere
Sexpraktiken mitgemacht und als schön empfunden habe und sie jetzt verweigere.
Ich hab einfach Angst vor ihnen, Angst vor Schmerzen und Angst mich wieder mies
zu fühlen. Ich brauche momentan nichts Ausgefallenes und Verrücktes, das
eventuell schief läuft und mir wieder ein mieses Gefühl einhandelt. Ich
vertrage es momentan einfach nicht. Es ist mir zu viel.

Ich
weiß auch nicht, wie ich damit umgehen soll. Was ich dagegen tun könnte. Das Einzige,
was mir einfällt ist auf deine Geduld und dein Verständnis bauen und hoffen,
dass das alles irgendwann wieder vorbei geht. Vielleicht finde ich durch die
Therapie wieder meinen Ruhepol und wieder gefallen daran.

Vielleicht
sollte ich den Brief auch meinem Therapeuten geben? Er weiß eventuell ja einen
Rat? Was meinst du? Oder wir versuchen es allein.

Das
Schreiben hat mich jedenfalls schon mal etwas beruhigt. Ich hoffe du verstehst
mich. Ich will dich nicht verletzen, dir nicht das Gefühl geben dich nicht zu
lieben oder unattraktiv zu sein. All das ist nicht der Grund. Ich bin froh dich
zu haben und will nicht, dass du unglücklich mit mir bist. Ich hoffe, wir
finden einen Weg, gemeinsam. Alleine will ich nicht.

Bis
Freitag 🙂 Ich denk’ an dich. Hab’ trotzdem eine schöne Woche. Ich freu’ mich
auf dich.

*knuddlknutscher*“

BRIEFENDE

Und jetzt…?

Heute (im Juni 2014) habe ich mal nicht gearbeitet, obwohl eigentlich
Bürotag geplant war – Quittungen, Rechnungen, Fahrtenbuch usw. usf. „Eigentlich“
ist eines meiner aktuellen Lieblingswörter.

Ich wollte vormittags nach meinem Arztbesuch nur kurz in die
alte Wohnung gehen. Sachen holen für das WGT, zu Pfingsten. Nach den
Armabdrücken und der Ringhand für den Messestand schauen. Danach gleich fix in
die Werkstatt.

Da stand ich nun vor der Wohnung. Janus’ Auto war nicht da,
gutes Zeichen. Einen fetten Kloß im Hals mit leicht beschleunigter Atmung
drehte ich den Schlüssel im Wohnungstürschloss, abgeschlossen. Er ist nicht da.
Ein Glück.

Ich legte gleich los, wollte so schnell wie möglich wieder
weg.

Ich war nicht mal eine halbe Stunde in der Wohnung, aber es
kam mir wie eine bedrückende und zehrende Ewigkeit vor. So zehrend, dass ich
nicht mehr arbeiten gehen konnte oder wollte. Jedes kleine Geräusch dort, ließ
mich aufschrecken und kontrollieren, ob er gleich neben mir steht. Gruselig.

Noah schrieb ich „Uff“ und dass mich die Wohnung fertigmacht.

Ich will ihm immer schreiben, fortwährend. Ich bin so
verschossen. Und gleichzeitig habe ich Angst. Angst mich weiter zu verlieren
und nie wieder zu mir zu finden. Angst zusammenzubrechen, die Kontrolle zu
verlieren. Angst, dass alle Erinnerungen und verkorksten Beziehungen auf mich
einstürzen und ich völlig durchdrehe. Angst vor der Angst, anstatt Angst vor
der Sache selbst. Was auch immer „die Sache selbst“ ist?

Ich habe vorhin, als ich den Ordner für dieses Tagebuch
angelegt habe, alte Texte gefunden. Öl ins Feuer. Nicht nur der Gang in die
Wohnung, sondern auch dieser Text (der Brief an Janus) halten mich wach. Sie verursachen
eine Flut von Gefühlen und Gedanken, die mich ertränkt.

Ich habe mich damals Janus ausgeschüttet. Meine sexuellen
Probleme geschildert. Verblüfft war ich, dass ich damals schon welche durch Andrew
hatte. Die schlimmer wurden als ich wegen des Todes meines Großvaters,
Nervenzusammenbruch meiner Mutter und dem Selbstmord meines Onkels in Therapie
war. Das habe ich ganz vergessen. Und umso schlimmer ist es nun, zu wissen,
dass ich mich wieder ausnutzen & benutzen ließ. Offenbar war das ja wohl
Futter für Janus. Er war gefühllos, gnadenlos. Ich fühl mich so dumm, so
inkonsequent. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll. In mir tobt das
absolute Chaos.

So viele Gedanken, so viele Erinnerungen gleichzeitig,
sodass ich wieder Kopfschmerzen bekomme, ich kotzen möchte und heulen
gleichzeitig, doch nichts von dem kann ich in die Tat umsetzen.

Ich möchte mich so gern Noah anvertrauen. Kann es aber
nicht. Was, wenn er auf dem Absatz kehrt macht mit dem Gedanken: „Oh Gott, DAS
tu ich mir lieber nicht an!“ Oder er mich auch so ausnutzt, so wie alle zuvor?
So wie Janus zuvor, der meinen „Seelenstrip“ ja wohl als willkommenen
Angriffspunkt genutzt hat?

Da war es wohl schon so weit. Ich war in Therapie wegen
meiner Familie und ich musste um „Seelenwärme“ betteln, per Brief. Allein war
ich, trotz der Beziehung mit Janus. Ich habe mich erklärt und die Fehler bei
mir gesucht. Dabei war er der Gefühlskalte! Verdammt, bei Andrew war ich 14/15
Jahre alt. Der Brief an Janus entstand mit 19, da war ich unterdessen 2 Jahre
unter Janus Scheffel. Völlig unsicher mit mir und ihm und allem … und jetzt?

Ich vertraue meinem Urteilsvermögen überhaupt nicht mehr. Ich
dachte immer, diese Männer seien gut. Gute Kerle, die mich lieben und mich
respektieren und achten. Fehlanzeige. Fehlannahme.

Aber vielleicht bin ich ja auch die Kaputte? Der Freak von
Anfang an? Nie richtig beziehungsfähig gewesen. Der Grund, wieso immer alles so
mies lief? Vielleicht hab ich die Männer verkorkst und nicht die mich?!

Oh, Noah! Gutes Leben! So gern will ich es glauben, mir
sicher sein.

Aber sicher war ich anfangs meist … und dennoch …

Gewürgt hat Janus mich, seinen Unterarm gegen meine Kehle
gedrückt oder mit einer Hand meine Gurgel gegriffen. Mich widerlich geküsst, mir
in den Hals gebissen bis zum Bluterguss, „nur ein Knutschfleck“. Und ich meinte
noch: „… aber er hat mich ja nie körperlich angegriffen oder sichtbar verletzt oder
so.“ Genau!

Er hat mich hinuntergerückt, Richtung Schritt. Ganz egal, ob
ich mich abwandte, bettelte und weinerlich jammerte. Mich zum Oralverkehr
gezwungen, mich an den Haaren gezogen und mich daran festgehalten. Mit dem
Griff mich dazu gebracht, ihm rhythmisch einen zu … Himmel! Wird mir schlecht! „…
aber das war ja alles nicht so schlimm, wie es klingt!“, meinte ich kürzlich
noch, als Noah mich fragte, ob mit klar sei, dass ich vergewaltigt worden bin.
Ich muss doch völlig verrückt sein!

Mich in die Matratze gedrückt, hat er.
Mir am Poloch rumgespielt und mit Fingern
eingedrungen. Ja, irgendwann “nur“ noch mit den Fingern, nachdem ich mich
mehrmals gegen Analsex erwehrt hatte.

Was habe ich diskutiert und bin geflüchtet in der Hoffnung,
dass er damit mal aufhörte. Die verklemmte, nicht zu verstehende Kuh war ich.
Die, die das doch mal mochte. Soviel zu seinem „Aber du mochtest das auch mal… am
Anfang.“ Nur, weil ich dabei aufstöhnte…vor Schmerz, nicht weil ich es geil
fand oder doch? Ich weiß es nicht. Ich weiß nichts mehr. Ich weiß nur, dass
alles wehtut. Meine Seele. Mein Herz. Mein Bauch. Mein Kopf…ALLES!

Das kann ich keinem erzählen. Niemandem. Wirklich. Das will
keiner hören oder sich nur vorstellen müssen!

Aufgeben will ich…

Wegrennen vor mir selbst und allem. Nur trau’ ich mich nicht
es zuzugeben.

Funktionieren will ich…

Das Leben wieder genießen. Aber diese Gewitterwolke, sie
schwebt über mir, in meinem Kopf, in meiner Brust.

Schlecht ist mir, jetzt da ich das schreibe…

Die gegessene Suppe kommt mir den Hals hoch und lässt mich
husten. Mein Bauch schmerzt wieder, wie so oft. Vielleicht sind es wirklich
absolut psychosomatische Bauch- /Leberbeschwerden?

Ich weine gerade fast…

Bin ich fasziniert davon. Zwar nur ganz kurz geweint, so
drei Symboltränen, aber hey! Ich fühle und lebe noch!

Ich bin in Noah verliebt, ganz klar….

Ich will es aber nicht sein. Das ist so kompliziert. Er will
mich verstehen und für mich da sein. Das kann er aber nicht. Mich verstehen. Ich
verstehe mich ja selbst nicht. Für mich da sein. Ich lasse es ja nicht zu.
Keine Emotion, keine Schwäche…Zusammenbruch?! Geht nicht!

Was, wenn er mich damit ausnutzt? Ich mich an ihn binde,
weil ich ja schwach bin und eine Schulter zum Ausheulen brauche? Ich will mich
damit nicht beschäftigen. Die Angst macht mich alle. Zu viele ungeweinte
Tränen. Zu viel Schmerz. Zu viel…von allem zu viel. Ich hab mich kein bisschen
verändert. Alles wiederholt sich. Das zeigt der Text den ich 2008 an Janus
schrieb.

Mieser Freund (Andrew), schreckliches Beziehungsleben…Schluss.
Neuer Freund (Janus), Ängste und Erinnerungen, Herz ausschütten, wieder schreckliches
und obendrein langes Beziehungsleben…Schluss. Und von vorn…neuer Freund (Noah),
Ängste und Erinnerungen…

Ich bin doch die IRRE! Ich bin die Kranke unter allen!

Ich lese meinen eigenen Text und denke mir nur: „Verdammt,
bist du theatralisch und selbstzerstörerisch.“

Zu viel Gefühl, von allem zu viel. Und das soll ich Noah
erzählen? Oder meinen Freunden? Meiner Familie?! Niemals!

Dass ich mir die Haut vom Körper reißen möchte, weil sie
sich dreckig anfühlt. Baden und waschen kann ich, so oft ich will, es klebt an
mir. Kein Desinfektionsmittel der Welt kann mir die Krankheitserreger im Kopf
abtöten. Ich bin so am Ende. So am Ende, dass ich mir selbst Angst einjage.

Keine eigene Wohnung, kein zu Hause. Immer auf dem Sprung. Arbeiten.
Arbeiten hilft. Wenigstens das geht noch annäherungsweise. Und auch da finde
ich nicht mehr das rechte Maß. Ich übernehme mich und stürze dann wieder in ein
Tief. Weil ich meine Energiebatterie fast bis auf null ausgesaugt habe. Ich
missbrauche mich selbst. Esse und trinke kaum, sofern Noah nicht drauf achtet.

Ich hänge am Leben, doch will ich genau DIESES nicht. Ich
will einmal in meinem verfickten Leben einen Radiergummi nutzen können und alle
beschissenen Erfahrungen wegradieren.

Ja, sie haben mich zu der gemacht, die ich nun bin. Nur im
Moment will ich nicht die sein, die ich bin. Ich fühl mich so schwach und
zerbrochen. So zweigeteilt. Alles schmerzt… alles… unaufhörlich. “And it hurts
with every heartbeat“, ,singt „Robyn“ Genau! Und schmerzt es nicht, dann ist
alles leer, dumpf und stumpf.

Das Leben ist schön, ja, bis es wieder beschissen wird. Weil
ich mir selbst im Weg stehe und wieder die Angst kommt. Ich hoffe, irgendwann wächst
Gras über alles, was war, irgendwann. Dass eine Therapie wirklich hilft? Dass
es nicht mehr so schmerzt. Ich alles genießen kann ohne Angst vor Ausbrüchen, Panikattacken,
Depressionen, Schmerz, Leere, der Achterbahn und der Angst selbst. Damit
Schluss ist mit dem „zu viel von ALLEM“! Damit ich erfüllt sein kann und
positiv… falls ich das jemals wieder kann?!“

 

Wir sind mutig.

Ich habe noch so viel zu erzählen. Ich will noch viel mehr
erzählen. Aber statt ausladende, Seiten füllende Beiträge, herrschten auf
meinem Blog viele Monate der Stille.

Da bin ich mit meinem letzten Beitrag einfach „losgegangen,
um mal zu schauen, wohin ich komme, wenn ich gehe.“ Ein beherzter Sprung in die Öffentlichkeit.

Ihr habt mich mutig genannt. Mutig, dass ich so offen über
meine Probleme und Schwächen berichte. Ihr habt mir euer Mitgefühl, Bedauern und Hochachtung mitgeteilt. Ihr habt mir eure Geschichten und Probleme anvertraut. Direkt oder anonym, schriftlich oder persönlich, weiblich* wie auch männlich*. Eure Resonanz ist beglückend groß. Eure Geschichten, eure Direktheit & Offenheit sind riesig. Danke, ihr seid toll!

Genau diese große Resonanz, die mir immer noch so viel
Energie und Freude bringt, hat mir gleichzeitig zig Fragen durch den Kopf
schießen lassen. So viele, dass ich noch immer Mühe habe sie zu ordnen und mir klar zu werden, worüber ich denn jetzt nun weiter schreiben will. Wo ich
anfangen will. Was ich thematisieren will.

Eigentlich wollte ich chronologisch mit meinen Erlenbissen
weitermachen. Nach der Trennung kommt das große Loch *Häckchen*, die
Verwirrung&Perspektivlosigkeit *Häckchen* und der Beginn der Therapie
*Häckchen*. Ist doch ganz einfach, nicht wahr?

Über mich und mein Leben zu schreiben, ist schwerer als ich anfangs dachte. Und ehrlich gesagt geht es in diesem Beitrag auch gar nicht so sehr um mich. Auch wenn die ersten 7 Seiten mit meinen Gedanken gefüllt sind.
Dominanter sind da drei Dinge, drei Themen. Die habe ich in den letzten Monaten,nach dem ersten Beitrag, permanent mit mir rumgeschleppt. Die ließen mich nicht los.
Das Thema Mut.
Das Thema Verletzlichkeit.
Und das Thema Stärke.
Genau mit diesen Themen mache ich weiter! Und wer hat mich darauf gebracht? Ihr!

Eure Reaktionen waren Balsam für meine Seele, jedoch habt ihr mich auch aufhorchen lassen. Jeder von euch hat neben seinen/ihren eigenen Geschichten und der Respektbekundung, meist noch einen Beisatz fallen lassen. Diese Beisätze waren:

„Wahnsinn, ich könnte das nicht!“

„Ich wäre gern auch so mutig.“

„Den Mut dazu hätte ich nie im Leben, ich traue mich schon
ganz andere Sachen nicht.“

„Hattest du nicht Angst vor den Reaktionen? –Also ich hätte
die gehabt.“

„So stark wäre ich auch gern.“

Diese Sätze haben mich unheimlich frustriert.

Ich erzählte euch lang und breit von meiner Psychosomatik, den Superkräften des Körpers, Gehirnprozessen und meinen Erkenntnissen. Und alles,
was hängen blieb, schien die Tatsache der 8 Jahre – Vergewaltigung zu sein. Das
Positive fiel irgendwie so hinten runter. Ihr habt mir eure Geschichten erzählt.
Und meintet im Vergleich seid ihr schwach und ängstlich! Was zur Hölle…?! Das
Wichtigste, so schien es jedenfalls, habt ihr dabei vollkommen übersehen.

IHR habt Krebserkrankungen, Burn-out, Depressionen, kranke
und verstorbene Angehörige, Unfälle und andere schlimme Erlebnisse, mit denen und/oder
gegen die ihr kämpft. Mit denen ihr lebt oder die ihr überlebt habt. Das nenne
ich mutig.

IHR habt mir diese Geschichten einfach erzählt. Das nenne
ich mutig.

IHR habt mich, oftmals komplett unbekannt, angesprochen
& angeschrieben. Das nenne ich mutig.

IHR habt mir spannende Fragen gestellt, die mich zum Nachdenken
brachten. Das nenne ich mutig.

Durch meinen letzten Beitrag wisst ihr ja, wie gern ich
Wissen wie ein Schwamm aufsauge. Seien es Bücher, Filme, Dokus, Konferenzen
oder sonst was, das irgendwie die Themen, mit denen ich mich beschäftige,
tangiert. Beim Lesen über Mut habe ich Folgendes gefunden:

„Die Wurzel des
englischen Wortes für Mut, courage, ist cor – die lateinische Bezeichnung für Herz. In einer seiner frühesten Formen
wurde Courage bzw. Mut also ganz anders definiert, als es heutzutage der Fall
ist. Ursprünglich bedeutete es offen zu
sagen, was man denkt, indem man anspricht, was einem auf dem Herzen liegt.

Im Laufe der Zeit hat sich diese Definition verändert; heute bedeutet sie eher sich heldenhaft verhalten. Heldentaten
sind wichtig und Helden werden gebraucht; doch ich glaube, wir haben den Bezug
dazu verloren, dass die wahre Definition von Mut besagt, aufrichtig und offen
darüber zu sprechen, wer wir sind und was wir fühlen und erleben (ganz egal ob
es gut oder schlecht ist). Bei Heldentaten geht es darum, unser Leben aufs
Spiel zu setzen. Bei gewöhnlichem Mut geht es hingegen darum, unsere
Verletzlichkeit aufs Spiel zu setzen.“ (Brené Brown, „Die Gaben der
Unvollkommenheit“, S. 38)

Also haben wir doch etwas gemeinsam. Ich habe mutig von mir
erzählt. Und ihr mutig von euch. Wir sind mutig. Ich dachte das sei glasklar.

Wir sind Verletzlich.

Es dauerte nicht lang, dann fiel es mir wie Schuppen von den
Augen!
Ich kannte meine eigene Geschichte natürlich in und auswendig. Ihr nicht. Ihr habt sie zu dem Zeitpunkt aus dem Nichts kommen sehen.

Ich hatte ganz vergessen, dass ich im Vergleich zu euch, ein Jahr Vorsprung hatte. Bereits ein Jahr mit Therapie und ständiger Arbeit an mir selbst. Ich wollte die Freude mit euch teilen. Euch zeigen, was wir Menschen imstande
sind zu leisten. Euch zeigen, wie gut ich nun mit meiner eigenen Verletzung
umgehen kann. Was ich in der Zeit schon alles gelernt habe. Und, dass ich
begriffen habe, dass diese Verletzung, die Verletzlichkeit, gut ist.

Mit dem Risiko euch völlig in Entsetzen zu versetzen, habe
ich ausgerechnet diesen Beitrag mit oben zitiertem Text begonnen. Der einleitende Tagebucheintrag mit Gedanken von 2008 und 2014 ist ein Teil von mir. Ein Teil meiner Geschichte. Ich orientierungslos. Ich uferlos. Ich direkt nach der Trennung. Ich nach Vergewaltigungen. Ich vor der Therapie. Ich verletzt. Ich als ein einziger offener Nerv.
Zu diesem Zeitpunkt meinte ich mal:

„Es ist, als hätte ich mit der
Trennung an der Tür eines vollgestopften Schrankes gerüttelt. Die Türen sind
aufgesprungen und nun quillt alles ungeordnet, unaufhörlich heraus.“

DAS, was ihr dort lesen durftet, war sozusagen mein Ausgangspunkt, vor der Therapie.
Ich war so verletzt, ich dachte, das sei das Ende. Ich dachte, ich sei allein. Ich dachte, mich könne niemand verstehen. Ich dachte, das kann ich keiner*m erzählen. Ich dachte, ich sei nur ein ICH. Und da draußen, da gibt es kein WIR.

Nicht die Vergewaltigungen an sich sind das Schlimmste. Auch
nicht die Vergewaltigungen überlebt zu haben. Das Schwerste ist, das Erlebte zu
verarbeiten. Sich dem Erlebten zu stellen. Dem Schmerz, der Verletzung und der Tatsache, dass ich immer verletzlich bin, egal wie sehr ich versuche mich davor zu schützen. Ich habe den Schmerz betäubt und verdrängt. Ich habe mich
eingeigelt. Doch damit betäubte ich neben dem Schmerz, auch Freude, Glück und Wohlgefühl.

Welcome to the
inner workings of my mind, so dark and foul I can’t disguise…can’t disguise.
Nights like this I become afraid of the darkness in my heart.
Hurricane” singt MSMR.



Ja, in mir tobte ein zerstörerischer Hurricane, außen nicht sichtbar. So rutschte ich schnell in eine Isolation.
Die war unerträglich. Ich spielte mit Gedanken, das Lenkrad meines Autos in der
Kurve fest im Griff zu halten, um einfach weiter geradeaus zu fahren. Das war
der Schlüsselmoment, in dem ich begriff, dass nur eines zu tun übrig blieb: die
Scham überwinden. Mich mitteilen.

Brené Brown  („Die
Gaben der Unvollkommenheit“ S. 33) schrieb dazu sehr treffend: „Wir müssen
unsere Geschichte anerkennen und sie mit jemandem teilen, der sich das Recht
verdient hat, sie zu hören; mit jemandem, bei dem wir darauf zählen können,
dass er oder sie mitfühlend reagiert. Wir brauchen Mut, Mitgefühl und
Verbundenheit. SOFORT. Die Scham hasst es, wenn wir die Hand ausstrecken und unsere Geschichte erzählen. Sie hasst es, wenn sie in Worte gewickelt wird – sie kann nicht überleben wenn sie geteilt wird. Die Scham liebt Verschwiegenheit.
Das Gefährlichste, was wir nach einer beschämenden Erfahrung tun können, ist,
unsere Geschichte zu verstecken und zu begraben. Wenn wir unsere Geschichte
verleugnen bildet sie Metastasen.“

Und wie Brené Brown, erinnere ich mich daran, dass ich mir dachte:
„Ich muss JETZT SOFORT mit jemandem reden. Sei mutig!“ In dem Fall war es Noah, dem ich schrieb und später war meine Therapeutin da. Im Laufe der Therapie erfuhren es Freunde und Familie. Und nach einem Jahr, Ihr.

Egal wem ich es erzählte, ich erfuhr Verständnis und Mitgefühl. Ich hörte im Gegenzug von euren Traumata, Schicksalsschlägen und
verletzenden Erfahrungen. Wie viel Angst, Verzweiflung und Schmerz ihr
durchlebt habt und dennoch seid ihr da. Ihr seid da und erzählt mir davon.

Also haben wir noch etwas gemeinsam. Ich wurde verletzt und
bin verletzlich. Und ihr wurdet verletzt und seid verletzlich. Wir sind
verletzlich. Darin liegt viel Gutes.

Wir sind stark.

Wir müssen akzeptieren, dass wir verletzlich sind. Wir alle.
Wir alle sind nicht gefeit vor Schmerz, Enttäuschung, Krankheit, Tod, Scham und allem nur erdenklich Schlimmen auf dieser Welt. Das macht uns aber nicht minder stark. Im Gegenteil.

Als ich anfing euch meine Geschichte zu erzählen, habt ihr mit Mitgefühl und Verständnis reagiert. Ihr habt mir eure Erlebnisse mitgeteilt. Und dazu gemeint ihr seid nicht mutig genug. Nicht stark genug.

Auch dazu ploppt in meinem Kopf ein Zitat auf, das ich dazu
las: „Mitgefühl ist keine Beziehung zwischen Heiler und Verwundetem. Es ist
eine Beziehung unter Gleichen. Nur wenn wir unsere eigene Dunkelheit gut
kennen, können wir mit Dunkelheit anderer gegenwärtig sein. Mitgefühl wird
real, wenn wir unsere gemeinsame Menschlichkeit erkennen.“ (Pema Chödrön, „Geh an die Orte, die du fürchtest.“)

Ihr seid sehr wohl stark. Und ihr seid verletzlich. Wir sind
nicht perfekt. Das ist gut so. Und dennoch scheinen wir danach zu streben. Ich
habe in den letzten eineinhalb Jahren gelernt, genau diese Verletzlichkeit und
das unperfekte als Stärke zu betrachten. Und ich übe täglich weiter!

Wir alle identifizieren uns mit unvollkommenen Dingen. Wie zum Beispiel einem zerbrochenen Krug, einem rostigen verbeulten Eimer oder alten,
morschen Europaletten. Wir füllen diese unperfekten Dinge mit Erde und Pflanzen. Das nennen wir dann Upcycling und betiteln es mit: „ Das hat Charme!“

Wir lieben und bewundern das Unperfekte. Weil wir es auch sind. Weil es uns vertraut ist. Perfektion ist unnatürlich und unerreichbar. Gewöhnlich erwarten wir von anderen keine Perfektion, aber mit uns selbst gehen wir oft umso härter ins Gericht. Meinen wir seien nicht stark, nicht mutig, nicht hübsch, nicht perfekt genug. Doch das sind wir! Schon während wir das behaupten und es anderen mitteilen, beweisen wir unbemerkt Stärke und Mut. Wir zeigen in jenen Momenten Stärke, weil wir keine Scheu haben, unsere Makel offen zur Schau zu tragen. Ich glaube, das verbindet uns ungemein.

„Wir sollten uns von dem Mythos der Eigenständigkeit
verabschieden. Eines der größten Hindernisse auf dem Weg zum Miteinander ist
die kulturelle Bedeutung, die wir dem Etwas-im-Alleingang-Erreichen
verliehen haben. Irgendwie sind wir soweit gekommen, dass wir Erfolg damit
gleichsetzen, niemanden zu brauchen. Viele von uns sind bereit anderen
behilflich zu sein, doch wir sträuben uns dagegen, andere um Hilfe zu bitten,
wenn wir sie einmal benötigen. Es ist so, als hätten wir die Welt aufgeteilt in
diejenigen, die Hilfe anbieten und diejenigen die Hilfe benötigen. Die
Wahrheit ist: wir gehören zu beiden Gruppen.“ (Brené Brown, „Die Gaben der
Unvollkommenheit“ S. 49f)

Die wahre Vollkommenheit und Stärke liegt in unseren Makeln,
in unserer Verletzlichkeit. Wir müssen sie nur zu lieben und zu schätzen
wissen! An uns selbst, nicht nur an anderen.
Ich war und bin gebrochen, wie ein zerbrochener Krug – mit Charme!
Ich habe meine Geschichte veröffentlicht, um zu zeigen, dass ich immer stark war und bin, trotz meiner Hilfebedürftigkeit und Verletzlichkeit.  Auch wenn ich mich in vielen Situationen nicht so fühlte oder fühle. Manchmal bemerkt man die eigene Stärke, den eigenen Mut nicht.

Eure Reaktionen haben gezeigt, dass ihr ebenso stark und mutig seid.

Dass es ein WIR gibt.

Wir sind mutig. Wir sind verletzlich. Wir sind stark.

Und das ist gut so.

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