Autorin Odine Raven entscheidet sich zwischen Bügelwäsche und Blutsaugern
Drei Vampirtitel und einen Fantasy-Krimi hat Odine Raven bereits auf dem Markt. Herausgebracht hat sie diese als Self-Publisherin über Books on Demand (BoD). Mit der romantisch-mystischen Ascalon-Reihe trifft die Autorin den Zeitgeist und begeistert eine wachsende Community.
Vampirtitel im Selbstverlag ist erfolgreich bei Amazon
Der erste Titel „Derius“ sprang 2016 innerhalb der ersten Wochen nach seinem Erscheinen auf Platz 24 der Amazon-Vampirbücher. Und befindet sich nun mit seinen Folgetiteln „Die Kinder des Kain” und „Reines Blut” regelmäßig unter den 100.000 meist gekauften Büchern, von 27,8 Millionen im Portfolio der Plattform. Das sei ein guter Erfolg, sagt auch ihr Verlag.
Immer mehr kreative Köpfe veröffentlichen ihre Werke auf eigenen Wegen. Dabei hat Self-Publishing nichts damit zu tun, dass man bei Mainstream-Verlagen keine Chance hat. „Es geht darum, sich nicht der möglicherweise einseitigen Korrektur durch Lektoren zu unterwerfen“, sagt Raven, die es herrlich demokratisch findet, wenn Menschen ihre Bücher selbst herausbringen. Schließlich haben auch Tolkien und Rowling immer wieder gegen die Masse angeschrieben, bevor sie Bestsellerautoren wurden.
Self-Publishing: Eigeninitiative ohne Zensur
Obwohl sie durchaus Erfolge vorweisen kann, sieht sich die Autorin unter dem Pseudonym Odine Raven noch nicht als erfolgsverwöhnt. „Es ist ein Weg, den ich erst begonnen habe. Ich lerne jeden Tag dazu und befinde mich auf einer spannenden Reise“, sagt die Künstlerin mit großem kreativen Output. Bekannt macht sie ihre Bücher über die sozialen Plattformen und ihre Webseite.
Die Geschichte von „Derius“, Name der Hauptfigur und des ersten Bandes, entstand über eine Songidee. Eigentlich wollte die Sängerin und Songwriterin einen Titel für ihre Band texten. „Irgendwann habe ich mich hingesetzt und angefangen zu schreiben. Und als ich fertig war habe ich gesehen, das ist die erste Seite eines Buches.“
Odine Raven: Vorbild 90er Jahre
Stilistisch sieht sich Raven in der Tradition der frechen Frauenliteratur der Neunzigerjahre. Humorvolle Sprache, klare Handlung, Spannung und viel Gefühl. Dass Vampire bei ihr die Hauptrolle spielen, ist aber so gar nicht typisch. Die in Ravens Romanen überaus menschlich dargestellten Wesen hätten sie bereits als Jugendliche fasziniert. Vampirbücher und -filme wurden zu ihrer Leidenschaft. Allerdings sind ihr die Blutsauger stets zu magisch erschienen. Für Raven ist es die Herausforderung, plausible und überlebensfähige Vampire zu erschaffen. Wesen, die es in unserer Realität tatsächlich geben könnte. Und die Knoblauch gerne essen. „Das war mir ein Bedürfnis. Ich mag meine Charaktere“, so die Mittvierzigerin. Allerdings sei es schwierig für sie, Bösewichte zu kreieren, die wirklich unsympathisch sind. „Ich bin zu harmoniebedürftig.“
Abseits von Terror, Literatur für die Unterhaltung
Und genau mit dieser Eigenschaft trifft sie das Gefühl ihrer Leser. In Zeiten von Terror und Unsicherheit in der Welt wollen viele Menschen nicht dauernd über AfD, IS und Trump lesen. Sie wollen sich mit Hilfe von Unterhaltungsliteratur einen Rückzugsort schaffen. Sich in eine andere Welt hineinträumen, sich mit einer der Hauptfiguren identifizieren, die nach ihrem persönlichen Glück sucht und mit ihren Unzulänglichkeiten zurechtkommen muss.
„Ich möchte Menschen unterhalten und nicht runterziehen. Meine Geschichten sind aber kein Ponyhof“, warnt die gebürtige Rheingauerin und dreifache Mutter. Band eins handelt unter anderem von einem Mord, der über 300 Jahre zurückliegt, und von Gräueltaten im 30-jährigen Krieg. Zwar sind Romantik und Harmonie wichtige Elemente, es gibt aber auch Spannung, Philosophisches,
schaurige Burgen und Bösewichte. Und immer wieder ein Happy End.
Was können wir von Vampiren lernen?
Während des Schreibens begann Raven, ihre Figuren nicht nur zu lieben, sondern auch von ihnen zu lernen. Vampire müssen mit ihrem langen Leben Geduld haben, sie pflegen Freundschaften zu verwundbaren, “vulnerablen” Menschen, deren Lebensspanne sehr viel kürzer ist. „Sich auf das Leben einzulassen, und die eigenen Dämonen zu überwinden, zum Schutze derer, die wir lieben. Das ist es, was wir Menschen von den Vampiren lernen können“, sagt die Autorin.
An ihrem ersten Buch schrieb die Autorin lange. „Derius war ein hartes Stück Arbeit, und ich dachte zuerst, der Schaffensprozess sei danach abgeschlossen“. Die Fortsetzungen gingen ihr allerdings leicht von der Hand, denn plötzlich sprudelten aus ihrer Feder immer neue Abenteuer von Derius, seiner Gefährtin Emma und vielen neuen Vampiren, denen diese Zwei begegnen. Innerhalb eines Jahres schrieb sie vier weitere Bände der Ascalon-Saga. Material hatte sie genug. Inspiriert wird sie nämlich schon von Kleinigkeiten in ihrem Umfeld, dem Tagesgeschehen, ihren Songtexten oder Orten, die sie bereist.
Schaffensprozess ist Bedürfnis und Weg zum glücklichen Leben
Aktuell lädt sie ihre Leser dazu ein, „Derius” mit in den Urlaub zu nehmen, sich mit ihrem Exemplar vor den dortigen Sehenswürdigkeiten zu fotografieren und ihr das Bild zu schicken. Diese Urlaubsgrüße sollen anschließend auf Odine Ravens Webseite veröffentlicht werden.
Wie sie den Haushalt, drei Schulkinder, den Job als Lehrerin und Dozentin sowie Singen und Schreiben unter einen Hut bringt? „Ich nehme mir bewusst Auszeiten. Die Familie lernt damit umzugehen, dass die Mama bis in die Nacht am Computer sitzt“, schmunzelt Raven. Sie bekomme sehr viel Unterstützung von Familie und Freunden. Die Bügelwäsche müsse dann eben mal etwas länger warten. Und: Nicht zu schreiben – oder zu singen – wäre schlimmer. „Denn jedes Element ist Teil meines Lebens. So wie ich es leben will. Es ist mir ein Bedürfnis herauszuschreiben, was mich bewegt.“ Sich nicht den Erwartungen anderer unterzuordnen, nicht auf den vermeintlich günstigeren Zeitpunkt für die Erfüllung eigener Bedürfnisse zu warten, sondern im Hier und jetzt ein spannendes, glückliches Leben zu leben – das genauso zu sehen haben ihr die Vampire beigebracht.