Maternity-Concierge-Services nehmen Schwangeren und Eltern all die Aufgaben ab, für die diese keine Zeit oder Nerven haben – und die sich diese Dienstleistung finanziell leisten können.
Bürokratie meets Wochenbett
Jede Hebamme und jede andere Mutter gibt dir kurz vor der Geburt deines Kindes das Mantra mit: „Genieß das Wochenbett. Ruh dich aus. Diese erste Zeit ist so schön und zauberhaft.“ Ja, das ist sie – abgesehen von dem Schlafmangel. Aber jede Frau und viele Väter, die in den vergangenen Jahren Eltern wurden, erinnern auch die vielen Stunden, die in die Bürokratie geflossen ist, die ein Neuankömmling bedeutet. Davon am meisten verhasst: der Elterngeldantrag und der Weg dorthin, dass es ausgezahlt wird. Ich kann mir keinen stärkeren Kontrast zu der ersten „magischen Zeit“ vorstellen, als die Formulare auszufüllen und die nötigen Kopien für den Antrag einzuholen. Als die Elterngeldstelle dann zusätzlich zu meinen Gehaltsabrechnungen, die in Kopie vorlagen, eine Bestätigung meines Arbeitgebers haben wollte, der auf einem separaten Formular die monatlichen Verdienste noch einmal auflisten und bestätigen musste, hätte ich am liebsten etwas gegen die Wand geschmissen. Dass ich zusätzlich noch freie Einkünfte hatte, machte die Sache nicht einfacher und ich schickte etwa drei oder vier Mal neue Kopien ans Amt. (Liebe Eltern, die ihr nur selbstständiges Einkommen habt, I feel your pain.) Mein Kind war etwa vier Monate alt als ich die erste Auszahlung des Elterngelds erhielt. Sechs Monate nach der Geburt kehrte ich in meinen Job zurück. Die Zeit dazwischen überbrückte ich mit Ersparten. Wer das kann, ohne ins Dispo zu rutschen, gehört zu den Privilegierten.
Das ist eine der vielen Aufgaben rund um ein Kind, die man gern delegieren würde, und dass dieser Einstieg ins Elternsein vom Staat so kompliziert gestaltet wurde, dass nun wieder andere mit der Beratung Geld verdienen können, das darf man den zuständigen Beamten schon als außerordentliche Minderleistung anrechnen. Aber hey, die Steuern, die Anbieter von „Maternity-Concierge-Services“ zahlen, sind bestimmt auch für etwas gut. Und kann ich die Inanspruchnahme ihrer Dienste eigentlich dann als „haushaltsnahe Dienstleistungen“ oder „außergewöhnliche Belastungen“ von meiner Steuer absetzen?
Too posh to google
Seid ihr gerade über den Begriff „Maternity-Concierge-Service“ gestolpert? Diese neue Art der Dienstleistung ist nur die konsequent zu Ende gedachte Kommerzialisierung von Schwangerschaft, Kinderhaben und den dazugehörigen Unsicherheiten (die durch solche Angebote auch ein Stück weit verstärkt werden). In den USA werden diese Services bereits schon von einigen Arbeitgebern angeboten – soll sich ja niemand von dem dicken Bauch vom Performen abhalten lassen. Wer keine Lust hat, sich um den ganzen Scheiß selbst zu kümmern, lieber bis zur ersten Wehe arbeiten möchte (oder muss) und Angst hat, alles falsch zu machen sowie sich selbst keinen Kitaplatz erkämpfen zu können, der kann diese Aufgaben an Dienstleistungsunternehmen, die sich Maternity- oder Schwangerschafts-Concierge-Service nennen, abgeben. Für nicht wenig Geld, versteht sich. So kostet beispielsweise das Rund-um-sorglos-Paket des Berliner Anbieters „maternita“ für die Anträge zu Mutterschaftsgeld, Elterngeld und Kindergeld knapp 300 Euro.
Die Branche ist vielsprechend für diejenigen, die diese Leistungen anbieten. Dass sie eben nicht nur ein Geschäftsansatz ist, der junge Eltern gern liebevoll unterstützen möchte, zeigt sich bereits in Website-Texten wie „Wir helfen durch das Chaos der Schwangerschaft“ (maternita) oder „Sie sind voller Vorfreude, gleichzeitig verängstigt und zweifelnd, von der Anzahl der Entscheidungen überwältigt, was nun alles zu organisieren und planen ist“ (maternityconcierge.de). Das Marketing setzt vor allem bei den Unsicherheiten an.
Wie viel Beratung darf’s denn sein?
Aber jetzt mal im Ernst: Lasst euch nicht verrückt machen. Für die wichtigsten Tipps rund um die Schwangerschaft halte ich nach wie vor sich selbst zu vertrauen, lieber eine Hebamme zu fragen, anstatt zu googeln und möglichst wenige Ratgeber zu lesen (denn je mehr ihr lest, desto mehr Widersprüche tun sich auf und dann seid ihr am Ende wirklich verwirrt). Und dann gibt es ja noch: Freundinnen und Freunde, die eigenen Eltern, Bezugspersonen oder auch vielleicht Kolleginnen oder Kollegen, die mit dem Thema schon Erfahrungen haben. Und die meisten, die schon ein Kind haben, erzählen eigentlich ganz gern.
Aber dafür Geld ausgeben, um den besten Pre-Natal-Yogakurs empfohlen zu bekommen? Wenn man selbst neu in der Stadt ist oder aus dem Ausland kommt und die Sprache nicht gut spricht, kann eine Beratung schon eher sinnvoll sein, aber es gibt wirklich wenig, dass man nicht selbst gut, schnell und unkompliziert recherchieren kann. Was aus meiner Sicht tatsächlich eine Lücke ist, ist die Kitaplatzsuche einfacher zu gestalten, wo vor allem die Kommunen in der Pflicht sein sollten und die Steuern somit diesen Service prinzipiell finanzieren müssten. Und dann noch ein wirklich wichtiges Thema: Depressionen während der Schwangerschaft oder nach der Geburt. Eigentlich sollten hier die eigene Gynäkologie-Praxis oder die zuständige Krankenkasse gut beraten und schnell eine Behandlung organisieren können – in der Realität sieht das jedoch anders aus. Aber beim Thema Therapieplatz oder Wahl eines geeigneten Antidepressivums kann dann eine professionelle „Baby-Plannerin“ auch nicht mit mehr als Zuhören und verständnisvollen Worten helfen.
Was ein Maternity-Concierge-Service anbietet
Die Angebotspunkte umfassen viele Dinge, die werdende Eltern zum einen gern machen, wie die Ausstattung des Babyzimmers, oder die – wer zum Beispiel vor Vorfreude platzende Großeltern hat – an diese abgegeben werden können. (Ja, viele Großväter erstellen zum Beispiel mit Leidenschaft Vergleichs-Excel-Tabellen zu Kinderwägen, fragt sie!). Dann umfasst das Angebot relativ viel, was schlicht mit telefonieren zu tun hat: Hebammensuche, Kinderarztsuche, Kitaplatzsuche. Das ist nervig. Klar kann man es outsourcen, wenn man das Geld hat. (Notiz am Rande: Wenn immer mehr Hebammen ihren Beruf aufgeben, hilft auch telefonieren nicht mehr.) Stillberatung macht übrigens auch in der Regel die Hebamme, die Kosten dafür trägt die Krankenkasse. Außerdem gibt es viel Schnickschnack wie die Vermittlung des perfekten Schwangerschaftsfotografen und die Organisation eines „Babymoon“ (Begriff für einen Urlaub bevor das Baby kommt), Wellness-Behandlungen Zuhause und die Vermittlung eines Personaltrainers (Weg mit dem Speck!!!). Ich traue mich nicht zu googeln, was „Green-Baby-Consulting“ und „Greenproofing“ sein sollen. Und warum steht da eigentlich nicht auf der Liste, dass sie Plazenta-Smoothies machen?
Jaja, ich merke schon. Ich bin einfach nicht das Klientel für dieses Angebot. Ich hätte obendrein noch die Dreistigkeit, die To-Do’s rund ums Kind einfach an das andere werdende Elternteil abzugeben. In meinem Fall wäre das ein Mann und der kann – er hat ja immerhin studiert – tatsächlich telefonieren und googeln. Auch, wenn er emotional mit der Schwangerschaft selbstverständlich komplett überfordert ist, wie es ein Zitat aus dem Unterpunkt „Väter-Concierge“ so schön zeigt:
„Die Investition hat sich auf jeden Fall gelohnt. Das Einzige, was sie mir leider nicht abgenommen haben ist der Geburtsvorbereitungskurs …“
Oder haben die armen Väter einfach nicht die Zeit ein paar Stunden in die Kita-Suche zu investieren, weil ihr Arbeitgeber Druck macht?
Nach zwei Gläsern Whisky würde ich jetzt scherzhaft sagen: Maternity-Concierge-Services bringen uns der feministischen Utopie der väterlosen Gesellschaft näher, da Männer offensichtlich nur noch zur Samenspende benötigt werden. Bei Tageslicht betrachtet ist diese Art der Dienstleistung aber ein Instrument, das die Partnerschaftlichkeit in der Beziehung nicht unbedingt verbessert und eher ein Modell anstrebt, wo Dienstmädchen, Butler und Amme wieder selbstverständlich sind. Erstrebenswert finde ich das nicht. Dass Eltern die Zeit für Aufgaben rund um Schwangerschaft und Kind haben und die Kitaplatzsuche nicht sieben Tage extra Urlaub und Tränen erfordert, sollte in Deutschland doch machbar sein – ohne privat zu finanzierende Services.
Sich diese Dienstleistung leisten zu können, hat vielleicht aber vor allem mit Distinktion zu tun. Damit stilistisch bei dem „Projekt Kind“ kein Fehler unterläuft, bieten Maternity-Concierge-Services sogar Untersützung beim – Obacht, Zitat – „idealen Vornamen“ an. Damit der Name im Familienstammbaum nicht aus der Reihe tanzt und das Kind auch später keine Nachteile erhält, weil sein Name klingt, als könne es „nur“ Frisörin oder Preisboxer werden. Dazu passt dann auch der wohl unfreiwillig doppeldeutige Satz eines Dienstleisters aus Hamburg, der Kurse für Schwangere anbietet: „Confidence is just a class away.“
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