Meike kann das Gerede von der Work-Life-Balance nicht mehr hören. Sie sagt: Dein Leben ist deine Arbeit und deine Arbeit ist dein Leben – und fragt sich, ob es irgendwo da draußen noch mehr Frauen gibt, die ähnlich ticken.
„Girl Power“ war das Motto meiner späten Kindheit beziehungsweise Jugend. Ich bin 1987 geboren und meine großen Idole waren die Spice Girls. Dass Space Buns und die 90er-Jahre jetzt wieder in sind, ist ein komisches Gefühl. Was sich aber über die Jahrzehnte entwickelt hat, ist meine Haltung zum Feminismus. Ich bin Feministin. Punkt. Ohne Diskussion und ohne den Diskurs zu starten, was eigentlich Feminismus sei.
Ich lese täglich sehr gerne online und offline Themen, die sich mit dem „Frau sein“ in allen Facetten beschäftigen. Der Schwerpunkt Frauen und Karriere interessiert mich hier aber besonders. Doch nach und nach ist mir aufgefallen, dass ich mich in keiner vorgestellten Persönlichkeit oder Geschichte wiederfinde. Dass kein Artikel, kein Text zu meiner Situation passt. Natürlich hat man hier und da Überschneidungen, aber noch nie konnte ich sagen: Genau so ist es auch bei mir.
Diese Feststellung finde ich äußerst komisch, denn ich kann doch nicht das einzige weibliche Wesen in meiner Situation sein. Als ich so nachgedacht habe, ist mir aber auch aufgefallen: Klar habe ich noch nie über Frauen wie mich gelesen, weil ich auch noch nie was über mich schreiben wollte. Ich wollte lieber meine Zeit in „sinnvolle“ Arbeit stecken, als mich selbst durch meine Selbstdarstellung zu beweihräuchern. Aber genau so ist man auch alleine. Wenn niemand was sagt oder schreibt, wird auch nie jemand davon erfahren. Also ist mein Text eher eine Kontaktanzeige, um Gleichgesinnte zu finden, Frauen, die in meiner Situation sind und sich gerne austauschen würden, egal in welcher Form.
Erst arbeiten, dann das „richtige Leben“?
Mein Lebenslauf in Kurzform geht so: 29 Jahre alt. Diplom-Designerin. Geschäftsführerin eines Familienunternehmens mit 20 Mitarbeitern. Gründerin einer AG. Gründerin eines Startups. Partnerin einer weiteren Firma. Autorin eines DIY-Buches. Mehr Pläne in der Schublade. Und weil die Frage bei Frauen dann schnell aufkommt: keine Kinder, einen festen Partner, viele Hobbys, viele Freunde. Kurz gesagt, ich arbeite viel und gerne und nein, ich bin nicht verbittert.
Und genau hier liegt auch ein Punkt meines Textes. Denn wenn es eine Sache gibt, die mich wahnsinnig macht, ist es die Diskussion über Work-Life-Balance. Besonders in meiner Generation scheint es ein ganz großes Problem zu sein, den perfekten Job zu finden. Ich möchte manche Altersgenossen einfach nur mal eine klatschen und sagen: wtf ist Work-Life-Balance! Als wären Arbeit und Leben zwei unterschiedliche Pole, die man ausbalancieren müsste wie eine Wippe im Sandkasten.
70 Prozent arbeiten und danach ist dann das „richtige“ Leben dran. Wacht mal auf: Deine Arbeit ist das Leben. Und wenn dein Leben gut werden soll, musst du gut in deiner Arbeit sein. Das alles hast du selbst in der Hand. Die Kehrseite der Medaille, eine Glorifizierung von Stress, ist natürlich auch Banane. Dabei ist es doch gar nicht schwer.
Get your shit together and get the job done.
Und nein, ein Job und eine Arbeit muss nicht Instagram-bar sein. Arbeit kann auch schmutzig und hart sein. Alle, die sich dafür zu fein sind, kann ich nicht ernst nehmen.
Groß träumen und hart dafür arbeiten
In einem Familienbetrieb ist man eine Familie. Die Angestellten sind wie Kinder, aber der Betrieb selbst ist auch wie ein Kind. Und bei einer Familie sind immer Emotionen mit im Spiel. In guten wie in schlechten Zeiten. Als Geschäftsführerin fühle ich mich wie Big Mama oder wie Kapitän Kirk, je nachdem, welche Situation zu bewältigen ist. Ich muss Entscheidungen fällen und Risiken abwägen, jeden Tag aufs Neue. Ich kann Pläne schmieden, Wege dazu bereiten, große Projekte anfassen und viel bewegen.
Und genau das mache ich jeden Tag mehr als zwölf Stunden lang und werde lange noch nicht müde. Wo sind also die Frauen in meinem Alter, die im Mittelstand arbeiten, die Entscheiderpositionen haben und noch viel mehr wollen? Wo sind die Frauen, die lieber bis spät in die Nacht in der Produktionshalle mitarbeiten, damit ein Auftrag fertig wird, als auf irgendeiner Veranstaltung abzuhängen? Wo sind die Frauen, die groß träumen und hart dafür arbeiten? Wo sind die Frauen, die Familienbetriebe übernehmen und Verantwortung tragen? Wo sind die Frauen, die Risiken eingehen und harte Entscheidungen treffen? Bitte meldet euch. Bitte seid laut, bitte teilt eure Arbeit, teilt eure Leidenschaft, teilt eure Meinung. Mädels brauchen mehr Vorbilder wie uns, wir brauchen uns und ich brauche euch. Zusammen geht es besser, Zusammen ist geteiltes Leid halbes Leid, die Freude doppelt und die Visionen größer.
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