Die amerikanische Bloggerin Karen Alpert nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn sie über ihr Leben mit den kleinen Hosenscheißern, äh Kindern schreibt. Wir veröffentlichen einen Auszug aus ihrem neuen Buch „Geht’s noch, Eierloch!“
Kinder: in Wirklichkeit kleine Kotzbrocken
Klingt verheißungsvoll, was Karen Alpert bezüglich des Inhalts ihres neuen Buches ankündigt: „Die Wahrheit, die ganze Wahrheit und nichts von dem Scheiß, den man auf Pinterest zu sehen kriegt“. Und weiter: „Vor nicht allzu langer Zeit konnten Sie in Ihrem Leben noch frei entscheiden: Essen gehen, Ausschlafen am Wochenende, Freunde treffen. Dann kam Ihr Kind, ihr süßer Scheißer. Und eines schönen Tages wachen Sie auf und erkennen: Ihr Leben, Ihr ganzer Stolz ist in Wirklichkeit ein kleiner Kotzbrocken.“ Karen Alpert war fast 15 Jahre lang für zwei US-amerikanische Bundesbehörden tätig – und betreibt den herrlich bösen Mummy-Blog „Baby Sidenburns“. Wir veröffentlichen einen Auszug aus ihrem neuen Buch:
Yo, Elternratgeber,
nimm deine
Meilensteine und
steck sie dir
in den du-weißt-schon-was
Haben Sie jemals ein fremdes Kind angesehen und es mit
Ihrem eigenen verglichen? Wer jetzt Nein sagt, der lügt.
Ich freue mich immer, wenn ich im Fitnessstudio oder an
einem anderen von tausend Füßen berührten Ort sitze
und sehe, wie eine Arschgesicht-Mom ihr Blag nötigt, eine
neue Fähigkeit vorzuführen, auf dass jeder andere sich
scheiße fühlen möge, weil seine eigene Pupsmaschine
noch nicht auf den Händen geht oder in fünfhebigen Jamben
spricht.
Zum Beispiel gibt es diesen Vater in unserem Hanf-Häkel-Kurs
(falsche Kursangabe, damit der Vollpfosten im
Fall, er liest das hier, nicht merkt, dass von ihm die Rede
ist), der ständig Sachen von sich gibt wie: „Die Leute können
nicht glauben, dass er erst ein Jahr alt ist.“
Das liegt daran, dass er das auch nicht ist, Dumpfbacke. Er ist 19
Monate alt. Menschen verständigen sich nicht ohne Grund
mit Monaten, wenn es um das Alter eines Babys geht. Aber
selbst wenn er erst ein Jahr alt wäre, halt einfach die Fresse.
Du sorgst nur dafür, dass andere Eltern sich Sorgen machen
und scheiße fühlen.
Und es macht mich jedes Mal fertig, wenn Mütter ausflippen,
weil ihr Nachwuchs als Letzter anfängt zu sprechen,
zu laufen oder Pipi ins Töpfchen zu machen. Stimmt
da vielleicht etwas nicht? Sicher, manchmal ist das so,
und dann ist das echt beschissen. Aber in der Regel geht es
ihm gut, und er braucht einfach ein bisschen länger, um
eine neue Fähigkeit zu erwerben. So gemein es auch ist,
aber einer muss nun mal der Letzte sein.
Was ich am meisten an der Angeberei liebe, zu der sich
manche Arschgeigen angesichts ihrer „weit entwickelten“
Kinder hinreißen lassen, ist, dass jedes Erreichen eines
neuen Meilensteins in Wahrheit nur Nachteile mit sich
bringt. Es macht den Eltern in den meisten Fällen nur das
Leben schwer. Warum also damit angeben? „Juhuu, mein
Schnuckiputz bleibt nicht mehr ruhig auf seiner Decke sitzen,
deshalb muss ich ihn jetzt rund um die Uhr beaufsichtigen!“
Also hier, bitte.
Zehn Meilensteine, die sowas von Scheiße sind
(zur Info: Ich weiß, dass „sowasvon“
eigentlich aus drei Wörtern besteht, aber ich finde,
das sollte nicht so sein):
1. Feste Nahrung zu sich nehmen
Der Arzt sagt dir also, du sollst es bei deinem
Neugeborenen jetzt langsam mal mit fester Nahrung
probieren, und du so: Hipp hipp hurra, obwohl du
eigentlich sagen solltest: Ohhhhh Shit, im Ernst?
Weil es gibt nichts Leichteres, als dein Baby mit Muttermilch zu füttern. Ich meine, ich weiß natürlich,
dass die Stillerei am Anfang wehtut wie
Hölle, aber wenn man den Bogen dann mal raus
hat, ist es die einfachste Sache der Welt. Du bist im
Einkaufszentrum, und das Baby hat Hunger?
Einfach raus mit der Titte, und Essen ist fertig.
Die Flasche geben ist fast genauso einfach. Aber ein
Baby mit Gläschennahrung zu füttern ist in etwa
so, als würde man einen Haufen Zeugs in den
Mixer stecken und dann vergessen, vor dem Drücken
des Startknopfes den Deckel draufzutun. In beiden
Fällen sieht deine Küche in Nullkommanix so
aus wie eines dieser potthässlichen Achtzigerjahre-
Sweatshirts, das mit durchfallgrüner Farbe
bespritzt wurde.
2. Mama sagen
Mama Mama Mama Mama Mama Mama Mama Mama Mama
Mama Mama Mama Mama
Mama MamaMamaMama MamaMama MamaMamaMama Mama Mama MamaMama MamaMama Mama!
Ratet mal, was mein kleiner Schatz jetzt sagen
kann. Wenn man es das erste Mal hört, wird einem
warm ums Herz. Beim zweiten Mal kommen
einem die Tränen. Beim 918.009.576sten Mal will
man sich einen Eispickel ins Trommelfell rammen.
3. Sich selbst anziehen
Ich knie so da und bitte meine Kleine, sich an
meinen Schultern und nicht an meinem Kopf festzuhalten,
während ich ihr in die Hose helfe –
und träume von dem Tag, an dem sie sich alleine
anziehen kann. Und dann passiert es wirklich.
Ohhh meiiiin Goooott, das ist ja, als würde man
Farbe beim Trocknen zusehen.
Ich: Hallo, ist dort das Guinness-Buch der Rekorde?
Mann: Ja, bitte?
Ich: Können Sie bitte jemanden herschicken, weil ich
allen Ernstes die Person vor mir habe, die sich
am langsamsten auf der ganzen Welt anzieht?
Von den Schuhen will ich gar nicht erst anfangen.
Sie haben Klettverschlüsse! Die bleiben doch
überall von selbst kleben, also, wie schwer kann es
sein, sie verdammt nochmal zuzumachen?! Wenn
sie es irgendwann geschafft hat und endlich in den
Kindergarten kann, muss sie die mühsam angezogenen
Schuhe auch gleich wieder ausziehen, weil
es jetzt Zeit für den Morgenkreis ist. Im Jahr 2025.
4. Aufs Töpfchen gehen
Ich erinnere mich noch gut an all diese Arschgesichter,
ähh, ich meine natürlich all die netten
Leutchen, die gefragt haben, ob meine Tochter denn
schon aufs Töpfchen geht? Ähmmm, ernsthaft
jetzt? Weil entweder ist das eine Windel, oder mein
dreijähriges Mädchen hat tatsächlich einen Hintern
wie Kim Kardashian in ihren Jeggings. Was
zum Henker soll dieses panische Töpfchentraining? Ich meine, verstehen Sie mich nicht falsch. Ich hasse
Windelwechseln. Aber wissen Sie, was ich noch mehr
hasse? Warten, bis im Flugzeug das Anschnallzeichen
ausgeht, weil mein Herzblatt mir unmittelbar
beim Rollen auf die Startbahn mitgeteilt hat,
dass sie mal muss. Oder wie wär’s damit? Wir verlassen
die Einfahrt und sind etwa vierzig Sekunden
gefahren, und von hinten
kommt: „Mami, ich muss
Pipi!“ Ähhmm, falsch.
Du MUSSTEST Pipi. Und
jetzt sitzt du in deinem
Kindersitz in einer Urinpfütze.
Hammer. Ich vermisse
die Windeln.
5. Dieser Meilenstein hat
keinen Namen
Letztens hat mein Sohn den schlimmsten Meilenstein
ÜBERHAUPT erreicht. Wir hängen so in
der Küche ab (Übersetzung: Ich habe eine Fressattacke),
und ich stiebitze ein Stück Schokolade aus
meinem Geheimversteck, das ganz oben im Regal
ist, damit ich nur erschwerten Zugang habe –
was also bedeutet, dass ich immer, wenn ich ein
Stück will, einen Stuhl hinschieben muss und
riskiere, mir dabei die Knochen zu brechen. Lohnt
sich total und ist null abschreckend. Ich stehe
also auf diesem Stuhl, und Holden schaut zu mir
hoch und schreit: „Keks, Keks, Keks.“ Woher zum
Teufel weiß er überhaupt, dass ich mir was Süßes
genehmige? Er hat noch nie Süßigkeiten gegessen.
Klar weiß ich, dass „merkt es, wenn Mom zur Schokolade greift“ nicht im Elternratgeber steht,
aber das sollte es, denn dies ist echt der beschissenste,
lebensveränderndste Meilenstein überhaupt.
6. Sprechen
Mutter 1: Mein Kind sagt Ball, Auto, Luftballon,
Milch und Mama.
Mutter 2: Meines sagt Wawa, Hund, Heia,
Schischi und Blublub.
Ich: Meines sagt Shit, Fuck, Verdammt,
Kacke und Weichei.
Oh Mann, Sprechen lernen ist völlig überbewertet.
Erinnern Sie sich an das Kleinkind in Old School, zu
dem sie immer „Gehörschutz!“ sagen, damit es
sich die Ohren zuhält, wenn die Erwachsenen etwas
nicht Jugendfreies von sich geben? Der Scheiß
funktioniert nicht. Ich habe es versucht. Sobald dein
Kind anfängt zu sprechen, ist es Zeit, eine Fluchkasse
aufzustellen. Oder, wie in meinem Fall, eine
Fluch-Truhe. Und zwar in jedem verf***ten (ich darf
es nicht sagen, aber tippen darf ich es, so oft ich
verf***t noch mal will) Zimmer.
7. Fortbewegen
Ach, denkt man nicht gern an die gute alte Zeit zurück,
als man sein Baby buchstäblich überall ablegen
konnte und es sich nicht von der Stelle gerührt
hat? Ich konnte meine Kleine etwa oben auf den
Telefonmast legen und weggehen, ohne mir Sorgen
machen zu müssen. Eines Tages begann sie dann,
sich zur Seite zu rollen, und ich dachte: Scheiße, wie soll ich denn jetzt duschen, wenn ich sie nicht
mehr einfach in die Mitte des Bettes platzieren
kann? Und dann fing sie an zu krabbeln, und die
„Experten“ rieten, auf allen vieren, also auf ihrem
Niveau, die Wohnung nach möglichen Gefahren
abzusuchen. Kabel, noch ein Kabel, Steckdose,
Stehlampe, Glastischchen, Überspannungsschutz,
Schrank voller Plastiktüten, Steckdose. Okay,
sieht soweit alles ganz gut aus. Oder auch nicht.
Eines Tages konnte sie dann gehen, und wenngleich
im Elternratgeber steht: „Tag, an dem das
Baby die ersten Schritte machte ________“, sollte es
an der Stelle eigentlich heißen: „Tag, an dem
Mami endgültig am Arsch war ________.“
Wenn Sie also eine dieser Mamis sind, deren Baby
noch nicht gehen kann, und eine andere Mami
kommt an und singt Ihnen rein, dass ihr Baby das
hingegen schon tut, dann möchte ich, dass Sie
Folgendes machen. Sagen Sie ihr: „Wie leid mir das
tut – dein Leben ist jetzt bestimmt total ätzend.“
Und dann sagen Sie ihr bitte einen Gruß von Baby
Sideburns und dass sie sich gefälligst verpissen soll.
8. Lesen
Okay, irgendwie kann ich dem Analphabetentum
jetzt doch etwas Positives abgewinnen. Diese
Sätze hier stehen etwa in einem von Zoeys Büchern:
„Es war einmal ein Mädchen, das hieß Rapunzel.
Es lebte im geheimen, einsamen Turm von Mutter
Gothel.“ Und das ist es, was ich ihr vorlese: „Es war
einmal ein Mädchen, das hieß Rapunzel und lebte.“
Meine Tochter hat keinen blassen Schimmer, was
in der Geschichte passiert, denn ich paraphrasiere jede einzelne Seite. Was bedeutet, dass ich echt am
Arsch bin, wenn sie irgendwann lesen lernt und
sowas sagt wie: „Mami, diesen Absatz hier hast du
ja komplett weggelassen!“
Ehemann (zu Zoey): Möchtest du heute alleine
baden oder morgen mit Holden?
Zoey: Morgen mit Holden.
Ehemann: Ach, wie schön, dass sie zusammen
mit ihrem kleinen Bruder baden will.
Ich: Ähhhm, falsch. Sie will nur nicht
heute baden. Pass auf. Zoey, möchtest
du heute alleine baden oder morgen
mit Satan.
Zoey: Mit Satan.
Ich: (Hab ich doch gesagt.)
aus: Karen Alpert: „Geht´s noch, Eierloch! Eine Mutter packt aus.“ Tropen Sachbuch, Februar 2016, 223 Seiten, 12,95 Euro.
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