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Gegen Stipendien und für ein Bafög für alle!

Stipendien bekommen meist die Student*innen, die es gar nicht brauchen. Und Bafög viel zu wenige von denen, die es nötig hätten. Sieht so etwa Bildungsgerechtigkeit aus?!

Entweder du hast es oder du hast es nicht

Mit der Bildung verhält es sich wie mit dem Geld: Entweder man hat es oder man hat es nicht. Entweder man kann es oder man kann es eben nicht. Das fängt in der Grundschule mit zusätzlichen Schulmaterialen und Vertiefungskursen zur Förderung an und geht weiter bis zum Studium. Dabei ist Bildung laut Art. 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte unser aller Grundrecht. Bildung lehrt uns, Verantwortung zu übernehmen: für uns selbst, für unsere Umwelt sowie unsere Umwelt.

Wortwörtlich würde „Bildung für alle“ also Bildungsgerechtigkeit implizieren. Heißt: Jeder Mensch, unabhängig vom Schulabschluss und finanziellem Hintergrund, sollte die Chance erhalten, sich zu bilden, zu studieren, eine Ausbildung zu absolvieren und sich später weiterzubilden.

Ein toller Ansatz zumindest in der Theorie, der bereits 1948 so als Menschenrecht festgelegt wurde. Doch da wäre diese eine Sache, von der mal wieder alles abhängt: Geld.

Sieht so Bildungsgerechtigkeit aus?

Monatlich stehen mindestens 300 Euro für die Miete an, 300 Euro zum Leben, Bücher, Programme und Materialien zum Studieren, halbjährlich knapp 200 Studiengebühren plus 200 Euro für das Bus- und Bahnticket, Exkursionen, Laptop und Co. Ohne die Finanzspritze der Eltern, einen Nebenjob, der uns vom Studium ablenkt, oder staatlicher Unterstützung, geht da gar nichts. Im Klartext: Entweder du hast Eltern, die dir dein Leben erleichtern, Vitamin B, das dir ein Stipendium verschafft, die Chance auf Bafög oder nach Abschluss ein dickes Minus auf dem Konto. Sieht so für euch Bildungsgerechtigkeit aus?

Bafög – nur, wenn deine Eltern gering verdienen

Eine erste mögliche Lösung für die Studienfinanzierung wäre Bafög. Der Antrag muss jedes Semester aufs Neue ausgefüllt werden und kostet nicht nur unglaublich viel Zeit, sondern auch Motivation. Bei der Höhe des Bafögs spielt neben Selbsterspartem und der Anzahl deiner (studierenden) Geschwister vor allem das Einkommen der Eltern aus dem vorletzten Kalenderjahr eine entscheidende Rolle. Das heißt, je mehr deine Eltern (für dich) arbeiten, desto weniger Geld erhälst du vom Staat.

Studienkredit – Zeit, aber hohe Schulden

Nächste Möglichkeit: ein Studienkredit, der aber wirklich erst nach Ausschluss aller anderen Optionen abgeschlossen werden sollte. Der Vorteil liegt sicherlich darin, dass man sich zu 100 Prozent auf das Studium konzentrieren kann und die freien Lücken im Vorlesungsplan nicht mit einem anstrengenden Nebenjob füllen muss. Einige würden dem sicherlich noch beifügen, dass die maximale Konzentration auf das Studium zu besseren Noten, damit zu einem besseren Abschluss und möglicherweise zu höheren Jobchancen führen würde. Den Job kann man dann auch gut gebrauchen: Denn der Kontostand hat ein fettes Minus.

Stipendien – für diejenigen, die es gar nicht mehr brauchen

Dritte Option: Stipendien. Da diese meistens von Parteien oder Stiftungen ausgeschrieben werden, sehen die Anforderungen neben guter Leistungen, eine bestimmte politische sowie religiöse Einstellung, ein „außerordentliches“ soziales Engagement sowie gute Fähigkeiten zur Selbstpräsentation vor.

Der Haken dabei liegt für mich deutlich darin, dass Kinder finanziell gut aufgestellter Eltern von Haus aus oft engere Kontakte zu Parteien oder Stiftungen haben, dank des Geldes ihrer Eltern sich nebenbei nicht mit einem Nebenjob herumplagen müssen, sondern Zeit haben, ihren Lebenslauf mit sozialem Engagement auszuschmücken. Doch sollte nicht gerade die finanzielle Förderung eines Studiums losgelöst sein von Vitamin B, politischer Einstellung, Religion und Eltern – und stattdessen nur auf den eigenständig erbrachten Studienleistungen basieren?

Weg mit den Stipendien, her mit Bafög für alle!

Wenn es nach mir ginge, würde das Stipendiensystem, das meistens nur die bereits reichen Kids noch reicher macht, abgeschafft und stattdessen ein elternunabhängiges Bafög eingeführt werden. Dänemark geht in dieser Hinsicht mit ihrer Ausbildungsförderung bereits mit gutem Beispiel voran. Die dänischen Studenten und auch Studenten aus anderen EU-Ländern, die dort ihr gesamtes Studium absolvieren, erhalten bis zu 737 Euro monatlich – unabhängig davon, wie viel ihre Eltern verdienen. Einzige Voraussetzung: Sie arbeiten zehn bis zwölf Stunden die Woche in Cafés, anderen Einrichtungen oder auch an der Uni. Auf diese Weise kriegen sie das Geld nicht „geschenkt“, sondern müssen eine Gegenleistung erbringen, die jedoch mit deutlich mehr als dem deutschen Mindestlohn bezahlt wird.

Ich würde gar noch einen Schritt weiter gehen und mir wünschen, dass die im Studium erbrachte Leistung und nachweislich (!) langfristiges Ehrenamt mit dem Bafög verrechnet werden kann. Das würde bedeuten: Für außerordentlich gute Leistungen erhalten die Studenten Punkte, die am Ende des Semesters als „Bonus“ ausgezahlt werden könnten. Und umgekehrt könnten deutlich schlechtere Leistungen zu Kürzungen des Bafögs führen.

Um also zu der Anfangsfrage zurückzukommen: SO sähe für mich eine Bildungsgerechtigkeit aus. Die Höhe der finanziellen Unterstützung wäre lediglich abhängig vom eigenen Willen der Studierenden und ihren fachlichen Leistungen – sodass jeder Studierende, unabhängig von Herkunft und familiären Hintergrund eine Chance hat, sein Können unter Beweis zu stellen.

Wie seht ihr das?

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