Depressionen sind ein Tabu-Thema und eine Erkrankung, die immer wieder missverstanden und falsch gedeutet wird. Unverständlich, wenn man bedenkt, wie verbreitet sie ist. Aber wie geht man damit als Außenstehender um?
Depressionen sind keine Entscheidung, sondern eine psychische Erkrankung
Obwohl Depressionen immer noch ein Tabu-Thema sind, denken doch fast alle, auch und besonders jene, die nicht daran leiden, dass sie bestens über das Kranheitsbild Bescheid wissen: Menschen mit dieser Diagnose geht es schlecht, sie sind traurig, müde, ja, eben deprimiert und wenn sie sich ein paar Medikamente einschmeißen sowie positiv denken, dann wird das schon wieder. Nun, das mag in Teilen irgendwie stimmen, ist deswegen aber noch keine valide Aussage und schon gar nicht eine, die auf jeden Menschen mit Depressionen zutrifft. Wie so viele Krankheiten haben Depressionen unterschiedliche Gesichter, treten in unterschiedliche Ausprägungen auf und beeinflussen das Leben von Betroffenen ganz individuell stark. Und genau deshalb sollte man sehr vorsichtig seinen küchenpsychologischen Diagnosen sein, denn auch wenn man es nicht böse meint, kann man hierbei Menschen mit Depressionen schnell verletzen.
Aber wie geht man denn nun richtig mit jemandem um, der Depressionen hat? Eine allgemeingültige Aussage gibt es dazu nicht. Aber Rosemary Donahue, die selbst an Depressionen leidet, hat ein paar wichtige Dinge auf Hellogiggles.com aufgeschrieben, von denen sie sich wünscht, dass sie die Menschen erreichen, die jemand in ihrem Freundes-, Bekannten- oder Familienkreis haben, bei denen Depressionen diagnostiziert worden sind. Denn ihre Krankheit, so schreibt sie, beeinflusst eben nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Beziehungen zu anderen Menschen, weil ihre Liebsten leider nie wissen können, wen sie antreffen – und wie man mit dieser Version ihrer selbst am besten umgeht. Und dass ihr bewusst ist, wie sehr diese Unsicherheit im Umgang, das Gefühl, es nie richtig machen zu können, nicht nur sie selbst, sondern auch alle anderen frustriert und verletzt. Was also tun?
Nun, die erste und wahrscheinlich wichtigste Regel schon einmal vorweg: „Sag mir nicht, du wüsstest besser über meine Krankheit Bescheid als ich selbst – und schon gar nicht, dass ich sie nicht habe!“ Was noch wichtig ist?
Depressionen: Was man sich bewusst machen sollte
1. Man kann auch ohne erkenntlichen Grund eine depressive Phase haben
Manchmal gibt es einen ganz bestimmten Grund, warum sich die Depression bemerkbar machen, aber manchmal eben auch nicht, wie Rosemary schreibt. Manchmal entsteht sie aus Dingen, die von außen auf einen einprasseln, im Job, in Beziehungen und manchmal sind es eben die Hormone, die Medikamente oder etwas ganz anderes. Das Leben mit Depressionen ist verdammt kompliziert – für jeden Beteiligten.
„Our lives are complicated. Depression, as a concept, is complicated. Living with depression is ever more complicated, and it’s incredibly difficult to make sense of.“
2. Nur weil wir gerade nicht die Energie haben zu antworten, heißt das nicht, dass es uns nicht gut tut, von euch zu hören
„Es gibt Phasen, in denen schaue ich auf mein Smartphone, freue mich darüber, dass jemand an mich denkt, aber kann einfach nicht antworten“, so die Autorin. Und doch mache es diese Tage trotzdem ein wenig besser – natürlich, denn für wen fühlt es sich nicht gut an, wenn man merkt, dass man nicht alleine ist? Eben. Und genau deswegen sollte man nicht damit aufhören, sich zu melden, auch wenn man nicht immer eine Antwort bekommt.
„But on those days, it means something to me just to be thought of in the first place, even if it’s not something I can offer in return.“
3. Selbst die simpelsten Dinge können zu schwer zu erledigen sein, wenn man gerade wieder in einer dieser ganz fiesen Phasen steckt.
„Auch wenn es dir schlecht geht, kannst du doch wenigstens duschen!“ Nein, selbst das geht eben manchmal nicht. Auch nicht Zähneputzen oder sich einen Tee machen. Wenn man gerade in einer wirklich heftigen Depressionsphase feststeckt, dann bringt es als Gegenüber nichts, einfach an den logischen Verstand zu appellieren. Shut down. Die mentale Verfassung überträgt sich eben auch auf den Körper und seine Leistungsfähigkeit.
4. Manche von uns nehmen Medikamente, manche nicht. Deal with it!
Ob Menschen mit Depressionen Medikamente nehmen oder nicht, ist und bleibt ganz alleine ihre Entscheidung, schreibt die Autorin. Manchen helfen sie, manche kommen gar nicht darauf klar – und zu wem man gehört, kann man nur selbst herausfinden. Die Behandlung mit Antidepressiva kann eine Möglichkeit sein, sie ist aber keine Allzweckwaffe gegen die Krankheit. Es ist also kontraproduktiv als Außenstehender bestimmen zu wollen, welcher Behandlungsweg der richtige für jemanden ist.
5. Bitte sagt uns nicht, dass wir einfach über die „Phase“ hinwegkommen sollen
Wenn es so einfach wäre, wäre das wirklich fantastisch. Aber man kann sich als Mensch mit Depressionen nicht einfach dafür entscheiden, dass die Krankheit weg ist und man jetzt ganz positiv und energisch in Richtung Zukunft schreitet.
„It’s not at all helpful, and may result in them pushing you away more than bringing them closer to you.“
6. Nur weil wir mal einen guten Tag haben, sind wir nicht geheilt
Ja, es ist schön, wenn man gute Tage hat und es ist auch schön, wenn sich die Liebsten darüber mitfreuen. Doch das heißt leider noch lange nicht, dass man die Depressionen überwunden hat und nicht auch wieder ganz miese Zeiten kommen werden. Natürlich sei Hoffnung wichtig, aber ebenso, diese Phasen nicht überzubewerten, schreibt sie. Denn das kann wiederum starke Schuldgefühle bei den Betroffenen auslösen, wenn dann doch wieder ein Schub kommt.
Wichtige Hinweise zu einem nicht ganz einfachen Thema – doch auch hier wäre es vermessen, auf Allgemeingültigkeit zu plädieren. Solltet ihr Erfahrung mit Depressionen haben und auch gerne andere etwas dazu wissen lassen wollt, freuen wir uns, wenn ihr hier einen Kommentar verfasst. Wer sich für den Text von Rosemary in voller Länge interessiert, bitte hier entlang.
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