Béa Beste versuchte es anfangs mit „Können Sie nicht mal…“ oder „Denke doch mal an die Nachbarn“. Bis sie erkannte: Höflichkeit und Verständnis bringt alles nichts. Ihre Zauberformel?
„Können Sie nicht mal…“
Ganz oft, wenn sich Menschen daneben verhalten, keine Rücksicht auf uns nehmen, oder schlichtweg das, was wir für selbstverständlich erachten, für sie nicht zu gelten scheint, empören wir uns:
„Sach’ ma! Geht das nicht anders?“
„Ich habe dir tausend Mal gesagt, dass du den Müll runter tragen sollst, wenn er voll ist!!!“
„Nie helft ihr im Haushalt! Nie! Faules Pack!“
„Können Sie nicht mal…“
…usw.
Kommt euch das bekannt vor? Also, so ging es mir vor Jahren. Und dann machte ich eine Erfahrung, die mein Kommunikationsverhalten in solchen Fällen änderte. Meine Tochter war im Kindergartenalter, ich war frisch geschieden und versuchte, gleichzeitig zu studieren und mein Kind großzuziehen, arbeitete nachts spät und musste morgens früh raus…
Knapp, freundlich und bestimmt
Ich dachte, ich bin am Anschlag. Und dann kam Lukas.
Besser gesagt, er wurde der liebste Kindergartenfreund meiner Tochter. Ihr bester Freund überhaupt. Lukas wurde permanent angeschleppt und eingeladen, er sollte zu uns, am liebsten bei uns übernachten, mit uns essen, mit uns auf den Spielplatz. Was ich grundsätzlich total klasse gefunden hätte, wäre Lukas mit seinen 4 Jahren nicht verhaltensgestört. Auffällig. Nein, im Ernst, nicht nur mir fiel er auf… davor fiel er den Profis im Kindergarten auf und da seine Eltern sehr liebe und vernünftige Menschen waren, besuchte Lukas bereits einen Kindertherapeuten, bereits zu den Zeiten, als ihn meine Tochter als supa-dupa-toll Kindergartenfreund entdeckte. Ich glaube, sie war ein wenig in ihn verliebt. Ich nicht!
Ich brachte es aber nicht übers Herz, meiner Tochter zu sagen, dass ich keinen Nerv und Lust hatte, mich mit um Lukas zu kümmern, wenn sie so vernarrt in seine Anwesenheit, seinen Hang zur Zerstörung und zum lauten und teilweise aggressiven Verhalten war. Ich kam auf die Idee, mich von seinem Therapeuten beraten zu lassen. Und da kam der Durchbruch. Der Doc gab mir mit:
„Kurze, knappe, freundliche aber sehr bestimmte Anweisungen. Keine langen Diskussionen, Begründungen nur auf Nachfrage. Stets das Wort Bitte benutzen und jegliche Aufregung vermeiden.“
Nach anfänglichen Irrläufern wie „Lukas, ich möchte, das du nicht schreist, bitte.“ – „Mir doch egal, was du möchtest!“ (geschrien)… oder „Lukas, wenn du schreist stören sich die Nachbarn, hör auf, bitte.“ – „Sollense sich stören!!!!“ (auch geschrien) …. kam ich selbst drauf: „Schreist du bitte nicht?“ – „Ääähm. OK.“
So knapp, emotionslos und bestimmend wie möglich.
Es musste sich anfühlen wie der Blick eines Löwen auf Beute.
Zauberwort Bitte
Es funktionierte mit Lukas. Es funktionierte auch mit anderen Kindern. Und vor allem: Es funktioniert auch mit Erwachsenen. Ich hatte die Zauberformel gefunden.
Zum ersten Mal testete ich das in der Sauna aus.
Kennt ihr die Diskussionen, die losgehen, wenn jemand auf das Handtuch eines anderen tritt? Einer regt sich auf: „Können Sie nicht aufpassen? Ich brauche Ihre verschwitzten Drecksfüße nicht auf mein Handtuch!!!“, der andere fühlt sich angegriffen und verteidigt sich: „Dann gehen Sie in Ihre Privatsauna, wenn Sie das hier nicht ertragen…“ – und schon schnauben alle. Ich sagte in so einem Fall ganz freundlich, kurz und knapp – und ganz wichtig, ohne Vorwurfston und mit dem Zauberwort Bitte:
„Treten Sie bitte nicht auf mein Handtuch.“
Reaktion: „Oh! Tut mir leid. Entschuldigung…“.
Dann erweiterte ich das auf weitere Aktionen:
In Schlangen, wenn jemand drängelt: „Stellen Sie sich bitte an?“
Wenn jemand zu nah an meinem Mittagessen raucht: „Rauchst du bitte etwas weiter weg?“
Wenn jemand eine unpassende Bemerkung macht, oder mal wieder tolle Elternrat-SCHLÄGE bringt: „Sagst du das bitte nicht mehr?“
Der Türsteher-Trick
Interessanterweise klappt das nur in der Kurzform, die keinen Raum für Diskussionen offen lässt. „Würden Sie sich bitte anstellen?“, „Kannste nicht weiter weg rauchen?“ und „Ich möchte das nicht mehr hören, bitte.“ sind weniger bis gar nicht mehr wirkungsvoll, sondern eröffnen einen eher unangenehmen kommunikativen Korridor für Widerreden, Rechtfertigungen und Angriffen.
Und dann erzählte mir jemand vom Türsteher-Trick:
Mit einem Freund ergab sich die Beobachtung von Türstehern von angesagten Lokalen. Wir haben beobachtet, mit welcher Tonlage und Formulierung die Türsteher die Leute hereinwinken:
„Kommt ihr bitte?“
Alle schmeißen mögliche Kippen gleich weg, machen die Smartphones aus und folgen wie Fifi auf Pfiff.
Ha! Da ist er wieder, mein Trick!
Die kürzeste aller knappen Anweisungen und das Zauberwort dazu.
Seitdem merke ich immer wieder, wie gut das grundsätzlich klappt… fast immer… Bei Trotzkindern mitten im Trotzanfall nicht so gut. Mit Autoritäten wie Polizei, Steuerbeamten & Co ist die Wirkung auch eingeschränkt. Und in der Pubertät meiner Tochter haben sowieso alle Tricks versagt.
Kein Raum für Widerrede
Aber im Großen und Ganzen funktioniert meine Zauberformel:
1. VERB (kein Hilfsverb wie können, dürfen, etc. – sondern genau das, worum es geht)
2. Anrede: DU oder SIE (keine Beleidigungen!)
3. BITTE
4. Rhetorisches Fragezeichen
…Probiert ihr das aus, bitte?
Der Beitrag erschien zuerst auf Béas Blog tollabea.de.
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