Foto: Vanessa Leyßner

„Viele Frauen gehen befangen mit ihrer Vulva um, weil die Vergleichsmöglichkeiten fehlen“

Was ist da untenrum eigentlich bei uns Frauen los und sieht das bei allen so aus? Eine simple Frage, die sich viele Frauen jedoch nicht beantworten können. Vanessa Leyßner will das ändern und zeigt deshalb in ihrer Ausstellung „Down below“ 25 Exponate unterschiedlicher Vulven. Spannend!

 

„Es ist wichtig, Unsicherheit abzubauen und Schamgefühle zu mildern“

Viele Frauen fühlen sich unsicher, was die Anatomie ihrer Vulva betrifft. Und das vor allem aus einem Unwissen heraus, weil das weibliche Geschlecht, die „Scham“, eben immer noch einer Tabuisierung unterliegt. Das nicht zwingend im sexuellen Sinne – auch wenn hier ebenfalls in vielen Fällen Aufklärungsbedarf besteht– , sondern ganz schlicht die körperliche Beschaffenheit betreffend.

Sieht das bei jeder Frau so aus? Ist es komisch, dass meine äußeren Schamlippen diese Länge haben? Ist die Haut bei jeder Frau in diese unendlich vielen kleinen Falten geworfen? Und was ist der Unterschied zwischen einer Vulva und einer Vagina? Diese und ähnliche (unbeantwortete) Fragen führen zu einem Schamgefühl, das Frauen bis ins hohe Alter begleiten kann – es fehlen ganz einfach die Vergleichsmöglichkeiten. Und es ist eine Unsicherheit mit dem eigenen Körper, die vollkommen ohne Not entsteht.

Genau hier will die Künstlerin und Art Direktorin Vanessa Leyßner mit ihrer Ausstellung „Down below“ ansetzen und gegen diese Tabuisierung angehen. Gezeigt werden 25 Exponate verschiedener Vulven, die mittels einer von ihr entwickelten Methode abgeformt und dann in Beton gegossen wurden. Auch haben die Besucherinnen die Möglichkeit, selbst einen Abdruck der eigenen Vulva machen zu lassen.

Wir haben mit ihr darüber gesprochen, warum ihr das Thema so am Herzen liegt, und wie sie die Modelle für die Exponate gefunden hat.

Deine Ausstellung wird sich ganz der Vulva widmen – warum liegt dir das Thema so am Herzen?

„Auf den ersten Blick hat es den Anschein, das stimmt. Eigentlich geht es mir hierbei um viel mehr als nur um die Vulva. Es geht darum ein anderes Bewusstsein und Selbstbewusstsein in Frauen anzusprechen, um eine neue Definition von Körpergefühl und Wünschen hervorzubringen.
Uns wird eine Art Genügsamkeit vorgelegt, die wir annehmen ohne weiter darüber nach zu denken. Ich habe gelesen, dass Frauen theoretisch viel schneller und viel mehr sexuelle Reize aufnehmen und umsetzten könnten als Männer sowie es eigentlich an denen liegen müsste, die Frauen bei Laune zu halten. Und in der Praxis lesen Frauen heimlich Ratgeber, um herauszufinden, was Männer mögen und nicht sie selber.“

Detailaufnahme eines der Exponate.

Was glaubst du, warum empfinden viele Frauen so eine Scham, wenn es um ihre Vulva geht bzw. haben Angst, dass sie nicht „schön“ sein könnte? Hängt das mit der Unsichtbarkeit zusammen?

„Ich denke schon, dass die anatomische Gegebenheit, wie auch der sprachliche Umgang mit der Vulva – zusätzlich zu tiefer reichenden, religiösen, soziokulturellen und historischen Umständen – dazu beitragen, dass eine intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen, weiblichen Geschlecht nicht unbefangen stattfinden kann, das weibliche Geschlecht sogar tabuisiert wird. Nach der Pubertät und der damit verbundenen Veränderung der Vulva fehlen schlichtweg profane Vergleichsmöglichkeiten.“

Was hat die Pornoindustrie damit zu tun, dass sich viele Frauen unwohl mit der eigenen Vulva fühlen?

„Ich würde jetzt nicht behaupten wollen, dass die Pornoindustrie Schuld hat, dass sich Frauen mit ihrer Vulva unwohl fühlen. Ich denke, dass die Pornoindustrie ein getrübtes bzw. perfektioniertes Bild von Vulven zeigt, gut zu vergleichen mit den Models auf dem Catwalk, was ja auch nicht dem durchschnittlichen Frauenbild entspricht. Nur das man sich über den BMI offener austauschen kann und schneller an realistische Vergleichsmöglichkeiten kommt.“

Wie hast du die Auseinandersetzung mit der Vulva bei dir selbst erlebt, hat das auch etwas bei dir verändert oder hast du vielleicht auch etwas dazu gelernt?

„Gelernt habe ich vieles im Dialog mit Freundinnen, den Modellen und anderen Frauen, vor allem aber, dass zu diesem Thema nahezu jede Frau etwas zu sagen hat. Ob es nun ein Erlebnis, eine Erfahrung oder schlichtweg Gedanken dazu waren und, dass es wichtig ist Fragen zu beantworten, Neugier zu stillen, Unsicherheit abzubauen, Schamgefühle zu mildern und Tabus zu brechen. Bisher habe ich durchweg begeistertes Feedback bekommen, was mich in meiner Arbeit sehr bestärkt hat und letztendlich zu dieser Ausstellung geführt hat.“

Wie hast du deine Modelle für die Exponate gefunden, war das schwer? Und welche Rolle spielte Scham bei der Erstellung sowie dem späteren Sehen der eigenen Vulva?

„Ich habe ganz old school einen Aushang ans schwarze Brett der UDK in Berlin gehängt mit der Headline ,Girlfriends Wanted’ und hatte kurz die Befürchtung, dass sich niemand meldet. Natürlich habe ich versucht mein Projekt so seriös und transparent wie möglich darzustellen, aber das, was ich letztendlich da machen wollte war ja schon eher unüblich. Positiv überrascht war ich dann doch über das große Interesse, dass ich am Ende sogar Modelle vertrösten musste.
Ich hatte das Gefühl, dass Scham so gut wie keine Rolle gespielt hat. Also bei mir nicht und auch bei meinen Modellen nicht. Das mag daran liegen, dass ich für die Abdrücke eine Technik entwickelt habe, die es den Modellen ermöglicht hat, die Abdrücke selber an sich vorzunehmen. Ich war lediglich da um die Abformmasse anzurühren und die Form dann anzureichen. Alles andere wäre mir wahrscheinlich auch zu intim gewesen. 

Die meisten Frauen haben ihren Abdruck bis jetzt nur im Negativ gesehen. Viele möchten sich auf der Ausstellung überraschen lassen und herausfinden, ob sie ihre eigene Vulva erkennen. Finde ich sehr spannend!“

Wie würdest du den Satz beenden? „Eine schöne Vulva ist …“

„Den Satz kann ich nicht beenden. Ich denke, es geht immer um die Diversität und die damit verbundene Schönheit und dass man sich mit seinem Körper wohl fühlt.“

Für alle, die sich das Ganze genauer ansehen wollen: „Down below“ findet am 13. Juli bis zum 16. Juli in der Volume Gallery in Berlin Mitte statt.

Alle Artikelbilder: Vanessa Leyßner

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