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Werdet bloß nicht erwachsen – es ist die Hölle!

Erwachsenwerden verband unsere Community-Autorin immer mit Freiheit – mittlerweile ist sie in der harten Realität angekommen. Sie fragt sich: Wie frei sind wir wirklich?

 

Von kindlichen Vorstellungen und der wahren Realität des Erwachsenseins

Als Kind hatte ich meine eigenen Vorstellungen wie sich die erwachsene Welt anfühlt. Das beste ist, dass Erwachsene ins Bett gehen können, wann sie wollen. Keiner schreibt ihnen vor, dass sie nach dem Sandmann sofort ins Bett müssen –  direkt nach dem Zähneputzen. Zähneputzen ist noch so eine Sache zu der man als Erwachsene nicht mehr gezwungen werden kann.
Alt sein, muss das Paradies sein, dachte ich. Man kann jeden Abend Pizza und Chips im Bett essen. Aber habe ich das jemals wirklich gemacht? Jetzt, wo ich im Erwachsenenalter bin vermeide ich aus Angst vor Bettwanzen den Genuss von Speisen in der Nähe meines Bettes. Nicht Zähne zu putzen verbietet meine Zahnarztphobie. Das tägliche Putzen gibt mir Hoffnung, dass ich die jährliche Kontrolluntersuchung ohne Bohren überstehe. Und plötzlich stelle ich fest, dass Erwachsensein viel weniger mit Freiheit zu tun hat als ich mir das als Kind vorstellte. 
Auch das endlose Aufbleiben verschiebe ich lieber aufs Wochenende, weil ich in der Woche todmüde von der Arbeit ins Bett falle. Nein, das ist absolut keine Freiheit. Ich lebe in gesellschaftlichen Zwängen, die noch viel strenger sind als meine Eltern es damals waren. An jedem Wochentag trete ich die ewige Mühle vom Arbeiten und Schlafen und das Verschieben von Freizeitaktivitäten aufs Wochenende. Das war nicht das, was ich als Kind dachte. Ich glaubte Erwachsene leben jeden Tag, wie es ihnen gefällt, weil ihnen niemand Vorschriften macht. Das ist ganz schön falsch, liebe Kinder. 

Erwachsensein ist vor allem mit Regeln und Pflichten verbunden

Wir Erwachsenen leben jeden Tag nach strengen Regeln um zu Überleben. Ich renne mir die Hacken wund, um meine Rechnungen zahlen zu können. Beziehungsweise sitze ich mir meinen Arsch platt in einem Großraumbürostuhl und lasse fiese Beleidigungen von oberwitzigen Kollegen über mich ergehen. Warum ich das zulasse? Weil ich einhundert Bewerbungen geschrieben habe, damit ich in einem Bürostuhl sitzen und mich erniedrigen lassen kann. Die Gegenleistung des Bürostuhls ist mein Gehalt oder besser bekannt als Schmerzensgeld. Davon zahle ich alle meine Verpflichtungen und kann mir ein paar Extras leisten. Genau so fühlt sich Erwachsensein an. 

Eigentlich sollte es sich doch ganz anders anfühlen. Irgendwie freier und selbstbestimmter. Aber Zweidrittel meiner Entscheidungen treffe ich unter äußeren Zwängen und nicht selbstbestimmt. Zum Beispiel kann ich mich entscheiden zu kündigen und dem Jammer ein Ende zu setzen. Aber wer zahlt dann für mich? Ich fühle mich gezwungen dort zu bleiben, wo ich gerade bin.
Oder ich erkenne endlich, was es bedeutet richtig erwachsen zu sein. Es ist die Freiheit mein Leben in die Hand zu nehmen und zu erkennen, dass ich die Verantwortung für meine Freiheit habe. Ja, ich muss Geld verdienen und ja Kollegen können Schweine sein. Und wieder ja, Arbeit macht müde. Aber ich kann den Schwierigkeiten nicht davonlaufen. Ich muss mich ihnen stellen, denn egal wohin ich abhaue, meine Probleme nehme ich mit.

Die Macht liegt aber doch bei uns 

Wenn man erkennt, was einen daran hindert seine erwachsene Freiheit wirklich zu leben, kommt man einem selbstbestimmten Leben näher. Und ganz wichtig, es sind niemals die anderen, die Schuld sind an den eigenen Problemen. Wenn man immer wieder übergangen und nicht gehört wird, dann liegt es nicht an den anderen, die offenbar taub sind, sondern an einem selber. Weil man nicht in der Lage ist sich durchzusetzen. Ja, das klingt hart. Sich die eigenen Fehler und Unzulänglichkeiten einzugestehen ist nicht leicht, aber erwachsen. Aus Fehlern lernt man und genau das ist Erwachsensein. Setze dich mit deinen Problemen auseinander und erkenne deine Fehler. Akzeptiere deine Schwächen und wandle sie zu deinen Stärken um. Das ist keine wundersame Sache, die von heute auf morgen funktionieren kann. Es ist etwas, was du dir jeden Tag aufs Neue erkämpfen musst. 

Irgendwann wird es leichter und dann sitzt du abends im Bett mit der Chipstüte in der Hand und denkst dir: „Das erwachsene Leben ist doch so frei, wie ich es mir als Kind erträumt habe. Man muss sich nur klarmachen, wer einem im Weg steht. Meistens ist man das selber. Und nicht jede Chipstüte, die man im Bett verzehrt, lockt Bettwanzen an!”

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