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Endlich selbstständig – warum du mit 45 plus im besten Alter fürs Gründen bist

In der medialen Darstellung sind Gründer*innen oft jung, doch das Alter hat wenig damit zu tun, ob die Idee zum selbstständigen Arbeiten zu dir passt oder nicht. Sabine Votteler erklärt, warum Menschen 45 plus die Chance des Gründens wahrnehmen sollten.

 

Verrückt? Nein, endlich vernünftig! Motive für eine Existenzgründung mit über 45

Wie kommt man mit über 45 Jahren auf die Idee, ein eigenes Business zu starten? Ist das die Midlife Crisis, der „letzte Versuch“ oder einfach nur naiver Übermut?

Das Umfeld reagiert häufig mit Unverständnis, Ermahnungen und jeder Menge Bedenken. Wenn du eine Karriere und eine gut bezahlte Stelle dafür aufgibst, ist die Irritation noch größer. Du hast doch einen super Job!

Manche haben schon ewig den Wunsch, sich selbstständig zu machen, hatten aber nie den Mut, den Schritt tatsächlich zu gehen. Oft ist der Auslöser, sich ernsthaft mit dem Thema auseinander zu setzen, ein einschneidendes Ereignis. Das kann zum Beispiel eine Kündigung sein, ein Burnout oder ein schwerer Schicksalsschlag. Viele machen sich in einer derartigen Situation erstmalig Gedanken darüber, wie sie den Rest ihres Lebens gestalten wollen. Und ergreifen die Chance, aus dem Hamsterrad auszusteigen.

Bei anderen ist es ein eher schleichender Prozess. Stetig wachsende Unzufriedenheit. Schwindende Motivation. Dann fehlt häufig nur noch der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt: Eine Umstrukturierung, ein nicht genehmigtes Budget, Auseinandersetzungen mit dem Vorgesetzten oder Stress mit den Kolleg*innen. Ein Projekt wird ihnen vorenthalten oder sie werden in eine wichtige Entscheidung nicht einbezogen. Sehr häufig spielt auch die Wertschätzung, die den Personen nicht mehr entgegengebracht wird, eine entscheidende Rolle.

Die Auseinandersetzung mit den eigenen Zielen

Egal ob einschneidendes Erlebnis oder wachsender Frust: Es ist oft der Beginn, wenn Menschen beginnen zu hinterfragen, ob das wirklich noch ist, was sie wollen. Sie beginnen, sich mit der Endlichkeit und der Gestaltung ihrer Lebenszeit auseinander zu setzen und fragen sich, ob das schon alles gewesen sein soll. Die Frage nach dem Sinn schiebt sich über den Wunsch nach finanziellem Gewinn.

Manche haben schon lange eine vage Idee für ein eigenes Business, die jahrelang Zeit hatte zu reifen. Andere jedoch haben in dieser Situation nicht mal eine Ahnung davon, dass sie selbstständig sein könnten. Sie wissen nur: So wie bisher kann es nicht weiter gehen.

Dein Leben hat dich perfekt auf eine Selbstständigkeit vorbereitet

Die vermeintliche Sicherheit des Angestelltenjobs hinter sich zu lassen, macht auch mit 45 plus total Sinn. Mehr noch: Aus meiner Sicht ist es die Weiterentwicklung auf dein nächstes Level.

5 Gründe, warum du mit 45plus im besten Alter für eine Existenzgründung bist … 

… und warum sie dir sogar einen riesigen Vorsprung vor jungen Existenzgründer*innen verschaffen.

1. Eine Fülle an Know-how und Expertise

Du bringst jede Menge wertvolle Berufs- und Branchenerfahrung mit, sitzt auf einem immensen Fundus an Fachwissen, kennst Strukturen und Prozesse, hast als Führungskraft Teams geleitet, vielleicht Kunden akquiriert, Verhandlungen geführt. Das sind alles ideale Voraussetzungen, von denen dein Business profitieren wird. Du fängst nicht bei Null an.

2. Lebenserfahrung, die jetzt besonders wertvoll ist

Du hast schon so manche persönliche Herausforderung gemeistert, hast Höhen und Tiefen überstanden und bist daran gewachsen. Du hast aus Fehlern gelernt, weißt was funktioniert und was nicht und kennst deine Stärken und Schwächen. Du weißt, wie du in bestimmten Situationen reagierst, welche Rahmenbedingungen für dich optimal sind, was dich glücklich macht.

Dadurch bist du gelassener und kannst dein Handeln kritisch hinterfragen, Situationen und Risiken realistischer einschätzen und tust dir leichter, eine reife Geschäftsidee zu entwickeln. Damit bist du für den Start in die Selbstständigkeit bestens gerüstet.

3. Ein Netzwerk an Kontakten

Durch deine langjährige Berufstätigkeit hast du ein Netzwerk an Kontakten aufgebaut, die du häufig in die Selbstständigkeit mitnehmen kannst: Dienstleister, Lieferanten, vielleicht sogar Kunden.

Vielfach höre ich hier aber die Argumentation, dass die vorhandenen Kontakte für das neue Business nicht die richtigen seien. Glaube ich nicht! Meistens wissen wir gar nicht, wer alles zu unserem Netzwerk gehört und welch hervorragende Dienste es leisten kann.

Du musst nur lernen, es zu nutzen. Und dabei geht es gar nicht in erster Linie darum, aus deinem Netzwerk Kunden zu gewinnen. Kontakte sind unverzichtbar, wenn du effizient voran kommen willst, um Erfahrungen, Informationen und ja – wiederum – Kontakte auszutauschen.

4. Finanzielle Erfahrung

Ältere Gründer*innen verfügen in vielen Fällen über ein finanzielles Polster und über Sicherheiten. Einerseits kannst du Eigenkapital in das eigene Business investieren, wodurch der Fremdkapitalbedarf erheblich reduziert wird oder sich erübrigt. Andererseits verfügst du über eine gute Kreditwürdigkeit. Und darüber hinaus hast du wahrscheinlich auch schon Erfahrung damit, wie du dir finanzielle Freiräume schaffst.

5. Mindset einer Entrepreneur*in

Wenn du schon lange im Berufsleben stehst, womöglich als leitende Angestellte oder Führungskraft, dann bist du es gewöhnt, diszipliniert Ziele zu verfolgen, Entscheidungen zu treffen und mit unregelmäßigen Arbeitszeiten klar zu kommen. Das sind Qualitäten, die du als Selbstständige*r unbedingt brauchst, denn Durchhaltevermögen und Konsistenz sind viel wichtiger als z.B. deine Geschäftsidee. Gerade Leistungsbereitschaft, Professionalität und Effizienz zeichnen „uns Ältere“ aus.

Ich zog die Selbstständigkeit meinem Traumjob vor

Als ich mit Ende 40 aus dem Angestelltenjob ausgestiegen bin, war mir überhaupt nicht klar, dass dies der Start in die Selbstständigkeit sein würde. Für mich stand fest, dass ich wieder eine Führungsrolle in einem anderen Unternehmen annehmen würde. Während ich Gespräche führte, habe ich freiberuflich Unternehmen beraten. Das lief gut. Und ich war völlig entspannt, denn es handelte sich ja sowieso nur um eine Übergangsbeschäftigung. Das dachte ich so lange, bis ich meinen Traumjob in der Tasche hatte. Und feststellte, dass ich ihn nicht mehr wollte. Was für eine Erkenntnis!

Nach den eigenen Regeln zu arbeiten und sich selbst zu verwirklichen sind die häufigsten Motive, die für die Unternehmensgründungen der „Älteren“ genannt werden.

Für mich kam noch ein anderer, ganz wichtiger Grund dazu: Ich wollte mein komplettes Potenzial nutzen. Ich wollte alles kombinieren, was mich ausmacht, was ich erlebt habe, was ich bin.

Und aus meiner Sicht hat mich mein Leben perfekt auf diesen Schritt vorbereitet. Zehn Jahre früher wäre ich noch nicht so weit gewesen, hätten mir nicht nur objektive Kenntnisse gefehlt sondern vor allem auch die innere Haltung. Ich musste zuerst erleben, was ich erlebt habe, um an diesen Punkt zu kommen.

Damit bin ich offenbar nicht allein. Laut Forschungsergebnissen sagt die Mehrheit der lebenserfahrenen Gründer*innen, dass ihnen für eine Gründung in jüngeren Jahren die nötigen Kompetenzen, Fachwissen, Erfahrungen oder Kontakte gefehlt hätten. Vielfach wird der späte Schritt in die Selbstständigkeit als Gründung zum richtigen Zeitpunkt bewertet.

Immer mehr „reife“ Angestellte, durch die Berufserfahrung häufig in Führungspositionen, werden sich bewusst, dass sie sich von der Belastung und den Einschränkungen einer Anstellung befreien müssen, wenn sie den nächsten Schritt machen möchten. Denn in der Karriere haben sie ihre Ziele erreicht. Sie stellen sich zu Recht die Frage: Was soll jetzt noch groß kommen?

Warum der Zeitpunkt ein Business zu gründen nie günstiger war

Wir leben heute in einer Zeit mit fantastischen Möglichkeiten.

1. Der sich wandelnde Arbeitsmarkt birgt Risiken, aber auch gewaltige Chancen

Einerseits lassen Digitalisierung und Automatisierung in den nächsten Jahren immer mehr Jobs verschwinden, andererseits führt der wachsende Fachkräftemangel zu einer steigenden Nachfrage an Freelancer*innen und selbstständigen Unternehmer*innen.

Der Trend zum Outsourcing von Aufgaben an Expert*innen nimmt zu.

Aufgrund moderner Medien besteht in vielen Bereichen keine Notwendigkeit mehr, am Standort des Auftraggebers zu sein.

2, Das Internet hat unsere Welt verändert und traditionelle Schranken eingerissen

Dank der modernen Technologie kannst du heute mit Laptop, Internet-Anschluss und Handy ein Business starten – mit wenig Kapital und damit geringem Risiko, von zuhause aus.

Jede Zielgruppe ist für wenig Geld weltweit erreichbar.

Deshalb nutze das Wissen und die Erfahrung, die du im Laufe der Jahre aufgebaut hast und schöpfe daraus. Denke nicht in Beschränkungen sondern in Möglichkeiten, die du definitiv hast.

Deshalb möchte ich dich ermutigen, falls du in Erwägung ziehst, dich selbstständig zu machen, obwohl und gerade weil du schon weißt, wie der Hase läuft. Finde heraus, was dich wirklich antreibt, was du von deinem Leben erwartest und was du zu bieten hast. Und dann mache den ersten Schritt! Der muss nicht riesig sein und auch kein hohes Risiko beinhalten. Aber der Weg ergibt sich im Gehen und nicht, indem du ihn auf dem Papier skizzierst. Und abwarten und hinterher bedauern, dass nichts passiert ist, ist meiner Ansicht nach keine Alternative.




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