Foto: Aranxa Esteve | unsplash

Festivals: Wie sicher ist man hier als Frau?

Die Festivalzeit gilt als die Zeit im Jahr, in der man sich einfach mal fallen lassen kann. Doch manche Menschen, missbrauchen eben diese Freiheit. Denn leider ist sexuelle Belästigung für Frauen auf Festivals ein großes Thema.

 

Frauen alleine auf Festivals – ein Problem?

Ich liebe es auf Festivals zu gehen. Denn diese Tage bieten mir einen Zustand völliger Freiheit, gefüllt mit viel Liebe und natürlich guter Musik. So richtig hippiemäßig, jeder akzeptiert jeden wie er ist, Kleidung ist nebensächlich, kann sogar mal weggelassen werden und am Ende des Wochenendes fühlen sich alle körperlich wie vom Laster überfahren, aber das Herz wird von Glück überflutet. Ihr wisst schon.

Allerdings stellt sich immer wieder heraus, dass dieses Glück nicht für alle Festivalteilnehmer gleichermaßen gilt, genauer gesagt nicht für beide Geschlechter. Und, dass es vielleicht auch reines Glück meinerseits war, das lange so durchweg positiv wahrnehmen zu können. Denn ich musste feststellen, dass selbst Festivals, die das oben beschriebene Hippietum preisen, kein genereller Savespace für Frauen sind.

Für mich persönlich äußerte sich das in einer Nacht, in der sich meine Freunde von Müdigkeit gebeutelt bereits auf den Weg in ihre Zelte machten und ich noch auf der Tanzfläche blieb. Da ich mich sicher wähnte, erschien mir das alles kein großes Problem zu sein. Doch kaum hatten meine Freunde die Tanzfläche verlassen, spürte ich die Blicke auf mir ruhen und die „zufälligen“ Berührungen mehr werden. Die Situation wurde mir so unangenehm, dass ich bereits nach zehn Minuten meinen Freunden folgte.



Das Feel Festival wirbt mit Nulltoleranz gegenüber Diskriminierung. Bild: Screenshot Facebook Feel Festival

Wie ich bei meiner Rückkehr in die Realität, sprich in den Alltag, feststellen musste, ist mein beschriebenes Szenario harmlos, eher schon normal im Treiben eines Festivals. Denn während mir scheinbar „nichts“ passiert ist, wurden auf dem diesjährigen „Bråvalla“ Festival in Schweden drei Frauen vergewaltigt und 27 sexuell belästigt oder missbraucht. Erschreckenderweise sind diese Schlagzeilen für schwedische Festivals mittlerweile traurige Tradition. Bereits im letzten Jahr meldeten zahlreiche Frauen auf dem „Bråvalla“ und „Putte i Parken“ Festival mehrere sexuelle Grenzüberschreitungen und Vergewaltigungen. Immerhin scheinen die Veranstalter eine Konsequenz aus den Geschehnissen gezogen zu haben, denn das „Bråvalla“ findet im Jahr 2018 nicht mehr statt. Eine Konsequenz, die zeigt, dass man die Gewalttaten sehr ernst nimmt und das ist schon einmal ein wichtiges Signal. Und dennoch sollte das Bestreben eigentlich sein, Lösungen zu finden, dass Festivals stattfinden können und dabei sichere Orte für jede Teilnehmerin sind.

In Deutschland sieht es besser aus, oder nicht?

Bei diesen Vorkommnissen fragt man sich schnell, ob wir in Deutschland ähnliche Zustände haben. Sind Frauen bei deutschen Festivals und teils weltweit bekannten Volksfesten ebenso gefährdet, wie in Schweden? FKP Skorpio, der Veranstalter großer deutscher Festivals, wie Hurricane und Southside, sagte „jetzt.de“, dass es in den letzten Jahren auf deutschen Festivals nur einige wenige Vorfälle dieser Art gab. Allerdings sind einige Vorfälle, nicht gleichzusetzen mit keinen. Und wie hoch ist eigentlich die Dunkelziffer, also jene Übergriffe, die schlicht nicht angezeigt wurden?

Wirft man einen Blick in die Kriminalstatistik des größten Volksfests der Welt, wie es über das Oktoberfest heißt, wird die Lage prekärer. Denn während im letzten Jahr die Zahlen für Verbrechen wie Taschendiebstähle und Raufereien sanken, stiegen die der sexuellen Übergriffe. Insgesamt wurden 31 „Sexualdelikte“ zur Anzeige gebracht, zu denen allerdings noch 22 „Beleidigungen auf sexueller Grundlage mit körperlichem Kontakt“, vier „sexuelle Nötigungen“, zwei „exhibitionistische Handlungen“, zwei „sexuelle Missbräuche Widerstandsunfähiger“ und eine „vollendete Vergewaltigung“ gerechnet werden müssen. Somit kommt man auf eine Zahl von insgesamt 61 Straftaten, die im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt stehen. Das ist eigentlich keine Zahl, die klein geredet werden darf. Dennoch ist die Münchener Polizei mit dieser Abschlussbilanz „sehr zufrieden“.

Festivalbetreiber wollen das Problem nicht wahrhaben

Allerdings ist die bayrische Polizei nicht die einzige Stelle, die das Problem der sexuellen Übergriffe klein redet oder gar komplett vermeidet. In einem Artikel von „Vice“ sagte Dave Boardman von White Ribbon, einer internationalen Kampagne gegen Gewalt gegen Frauen: „Auf Festivals passieren viele Sachen, von denen die Organisatoren nicht wollen, dass sie an die Öffentlichkeit geraten“. Häufig sind die Gründe für die Zurückhaltung dieser Informationen nicht löblich, es geht schlicht darum, den Ruf der Betreiber zu wahren und genügend Ticketverkäufe zu garantieren. Dennoch scheint es auch gute Gründe zum Schweigen zu geben, wie eine Festivalorganisatorin in demselben Artikel berichtet: „Wir müssen die Sicherheit des Opfers gewährleisten und es der Polizei ermöglichen, ihre Arbeit auf schnellste und effektivste Art durchzuführen. Und natürlich wollen wir nicht, dass das Gelände von einer Panikmache erfasst wird.“

Wenn allerdings die Sicherheit des Opfers an vorderster Stelle stehen soll, stellt sich die Frage, warum Festivals so wenige Anlaufstellen für Betroffene bieten. Denn schaut man sich um, stellt man schnell fest, dass zwar Großveranstaltungen wie der Kölner Karneval oder das Münchener Oktoberfest sogenannte „Security Points“ für Mädchen und Frauen anbieten, diese allerdings bei Festivals fehlen. Fleur Gardiner, Leiterin der White Ribbon Kampagne, verbindet die Abwesenheit dieser Anlaufstellen auf Festivals damit, dass sie eine Zunahme von Delikten darstellen könnte: „Unser Stand kann den Anschein erwecken, dass die Zahl der Übergriffe angestiegen ist. Ich schätze, dass Veranstalter es vermeiden wollen, dass ihr Festival als etwas gesehen wird, auf dem es Probleme mit sexuellen Übergriffen gibt.“ 

Anscheinend geht es Festivalbetreibern, wider der Beteuerungen, nicht hauptsächlich darum einen Ort fern des Alltags zu schaffen, in dem sich jeder in Sicherheit ausleben kann und dabei die Grenzen des Anderen akzeptiert, sondern um ihre Ticketverkäufe, sprich um Geld. Etwas das vielen wahrscheinlich schon immer bewusst war, mich allerdings dennoch traurig stimmt. Denn die Sicherheit für alle Teilnehmer muss ganz einfach an erster Stelle stellen – oder man sollte sich einen anderen Job suchen.


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