Foto: Stefan Klueter

Jasmin Tabatabai: „Zu viel Macht und Geld in den Händen Einzelner lädt zum Missbrauch ein“

Die Schauspielerin Jasmin Tabatabai hat sich schon vor Monaten in der Debatte um #metoo immer wieder eingeschaltet und Veränderungen in ihrer Branche gefordert – beim FEMALE FUTURE FORCE DAY wird sie darüber diskutieren, wie wir echten Wandel erreichen können.

 

Wir müssen über Machtmissbrauch reden

Jasmin Tabatabai ist eine der wenigen deutschen Schauspielerinnen, die sich von Anfang an laut, energisch und kämpferisch in die Debatte um #metoo eingeschaltet hat. Sie fordert vehement Veränderungen in ihrer Branche – und eine bessere Verteilung von Macht. Wir haben mit ihr gesprochen.

Die Debatte um #metoo scheint nun schon länger abgekühlt beziehungsweise aus dem medialen Blickfeld geraten zu sein… spürst du in deinem Umfeld Veränderungen, die durch #metoo angestoßen wurden? Oder läuft jetzt gerade grob alles wie immer weiter?

„Der Eindruck täuscht. Intern wird nach wie vor sehr viel diskutiert. #metoo hat eine nachhaltige Debatte angestoßen, in der es schon längst nicht mehr darum geht, wer wem was angetan hat und welche prominenten Namen mit dabei sind, wobei Aufarbeitung selbstverständlich richtig und wichtig ist. Die meisten Männer und Frauen, mit denen ich mich in letzter Zeit unterhalten habe, haben begriffen, dass dem Machtmissbrauch in unserer Branche, – der übrigens noch weitreichendere Folgen hat als sexuelle Belästigung – ein strukturelles Problem zugrunde liegt. Und dass wir, gerade im Hinblick auf die Zukunftsfähigkeit unserer Branche, dringend unsere Hierarchien neu überdenken und strukturieren müssen. Kurz gesagt: Zu viel Macht und Geld über lange Zeiträume in den Händen Einzelner lädt zum Machtmissbrauch ein. Und der kann Männer genauso wie Frauen treffen. Aber man kann auch nicht leugnen, dass es einige Männer und Frauen, gerade bei den Etablierten, in der Branche gibt, die vom Thema #metoo schwer genervt sind und auch gar kein Interesse daran haben, Dinge zu ändern.“ 

„Es brodelt. Es geht ja um nichts geringeres als einen Kulturwandel.”

Bist du zurzeit noch oft im Gespräch dazu mit Freund*innen, Kolleg*innen? Wie ist der Tenor?

„Ja. Jeder* hat etwas zu diesem Thema zu sagen. Es wird sehr viel diskutiert und gesprochen. Es brodelt. Es geht ja um nichts geringeres als einen Kulturwandel. Also darum, welche Verhaltensweisen wir alle in der Vergangenheit normal fanden, die wir jetzt hinterfragen und die wir in Zukunft nicht mehr bereit sind zu akzeptieren.“ 

Gab es in jüngster Zeit eine Situation, in der du einen männlichen Kollegen auf sein Verhalten angesprochen hast, oder dass du mit einem männlichen Kollegen kritisch debattiert hast über das Thema, weil dich was gestört hat an seinem Verhalten oder seinen Äußerungen, und gab es womöglich interessante Erkenntnisse, die daraus entstanden sind?

„Nein. Aber ich habe viele Gespräche mit Männern darüber geführt, was es heißt, in dieser patriarchalen Gesellschaft ein Mann zu sein. Ich finde es nämlich sehr wichtig, dass nicht nur Frauen, sondern auch Männer darüber reden, was die althergebrachten Rollenbilder mit ihnen machen. Denn eins ist klar: Wenn wir wirklich etwas verändern wollen, diesen viel zitierten Kulturwandel herbei führen wollen, dann können wir das nur zusammen mit den Männern schaffen.“

Im Interview mit „Emma“ sprachst du über die Einrichtung einer unabhängigen Anlaufstelle für Betroffene von sexualisierter Belästigung, Gewalt und Diskriminierung für die Filmbranche, und dass da endlich was vorangeht – wie ist der Stand der Dinge?

„Themis – die unabhängige Vertrauensstelle gegen sexuelle Belästigung und Missbrauch – wurde vor einigen Wochen gegründet, nach der Sommerpause soll es nun losgehen. Geschädigte können dann dort anrufen und werden die Beratung, Hilfe und Unterstützung bekommen, die sie wünschen. Außerdem wurde in das Gründungspapier aufgenommen, dass es neben der Aufarbeitung auch um Prävention und Aufklärung gehen soll. Bemerkenswert ist, dass diese Initiative von Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen gemeinsam gegründet wurde. Die ,mit Macht‘ sind also genau so in der Pflicht, Lösungen zu finden, wie die ,ohne Macht’. Die Idee zur Gründung der Stelle kam übrigens von zwei Männern im Vorstand des Bundesverbands Schauspiel (BFFS).“ 

In dem Interview sagtest du auch: „Tja, warum tun sich deutsche Frauen mit Solidarität so schwer… I don’t know.“… hast du vielleicht doch eine Idee? Woran könnte das liegen? Und wie können wir da was bewegen?

„Ich glaube, Deutsche haben generell ein Problem damit, Opfer zu sein und somit auch mit Opfern an sich. Wir wollen damit nichts zu tun haben. Das hat man zum Beispiel auch sehr deutlich im Umgang mit den Opfern des Attentats am Berliner Breitscheidplatz gesehen. Die Gründe dafür mögen in unserer Geschichte liegen – ich weiß es nicht. Ich habe mit einigen Frauen geredet, denen nach eigenem Bekunden #metoo ,tierisch auf die Nerven geht‘ und immer wieder kam das Argument: ,Dieses Opfergetue kotzt mich an‘ und ,Ich bin doch kein Opfer‘. Als läge die Schuld und die Schande beim Opfer selbst. Eine sagte zu mir wörtlich: ,Was meinst du, was mir schon alles passiert ist, ich komm hier auch nicht her und heul herum!‘ Ich glaube, aus dieser Angst vor der ,Schande‘, als Opfer zu gelten, kommt viel von der mangelnden Empathie und fehlenden Solidarität mit Opfern, die den Mut aufgebracht haben, zu sprechen. Ein spannendes Thema, das wir Frauen uns ganz genau ansehen müssen.“

Kriegen Frauen wie du, die sich aktiv in diese Debatte einbringen, einen Stempel aufgedrückt, von wegen ,die ist schwierig und macht Stress‘, und musst du dir öfters dumme Kommentare/Anspielungen anhören? Oder bekommst du eher positive Reaktionen aus deinem Umfeld?

„In unserer Branche bekommt man ja selten etwas ehrlich ins Gesicht gesagt. Insofern weiß ich nur von Dingen, die mir Leute gesteckt haben, aber ja, sicher gibt es einige, die mit meiner direkten Art ein Riesenproblem haben. Schon immer. Aber es gibt auch sehr sehr viele, die positiv auf einen zukommen und vor allem froh sind, wenn über Dinge endlich gesprochen wird. Denn wie gesagt: Zu diesem Thema etwas zu sagen hat jeder und jede.“

In eigener Sache:

Was hat die Debatte um #metoo wirklich angestoßen und wie muss es jetzt weitergehen? Darüber diskutiert Jasmin Tabatabai auch auf unserem FEMALE FUTURE FORCE DAY am 25. August auf einem Panel zum Thema. Für alle, die mit in Berlin dabei sein wollen: Mit dem Rabattcode WORDLOVE könnt ihr jetzt 111 Euro beim regulären Ticketpreis sparen! Hier findet ihr das gesamte Programm.

Mehr bei EDITION F

Wichtiges Zeichen: Die „Silence Breaker“ von #Metoo als Personen des Jahres gekürt. Weiterlesen

#metoo bleibt in Deutschland eine Debatte ohne Namen – warum ist das so? Weiterlesen

Katarina Barley: „Wir müssen jeden einzelnen Fall von sexueller Gewalt benennen, bekämpfen, bestrafen“ Weiterlesen

Anzeige