Abschluss in der Tasche und ab jetzt nach oben? Ein Erfahrungsbericht vom Einstieg im Konzern – und warum ich ihn wieder verlassen habe.
Von der Uni ins Großunternehmen
Nach dem erfolgreichen BWL-Studium ist
vermeintlich alles ganz einfach. Man bewirbt sich bei einem renommierten Unternehmen
das dem eigenen Lebenslauf gut steht, hofft auf einen schönen Jobtitel und ein gutes
Gehalt und dann – nach einiger Zeit in der man sich beweisen konnte – die ein
oder andere Aufstiegsmöglichkeit.
Völlig vernachlässigt wird beim Traum
von der sicheren und soliden Konzernkarriere allerdings oft, dass
Großunternehmen in sich geschlossene Systeme sind, die ihren
ganz eigenen Regeln folgen und kaum Spielräume für individuelle Entwicklungsmöglichkeiten
lassen. Ein kleiner Einblick in den
Konzernalltag.
Das Sandkastenprinzip
Zentrales Element vieler Konzerne ist
das Sandkastenprinzip – auch als Abteilungsstruktur bekannt. Hat ein Mitarbeiter
einmal den lang ersehnten Sprung auf den Abteilungsleitungsthron geschafft (in
der Regel braucht er dafür sieben bis zehn Jahre), setzt er von nun an alles daran, diesen
standhaft zu verteidigen. Unternehmensinteressen spielen dabei eine eher
untergeordnete Rolle – es sei denn, der Geschäftsführer schaut gerade zu –
persönliche Feindschaften, die sich in den vielen Jahren vor der
Thronbesteigung aufgebaut haben, sind hingegen von großer Bedeutung.
„Sorry, aber mit
dieser Abteilung sprechen wir aus Prinzip nicht“
Wichtig ist es daher alles dafür zu
tun, den Neulingen die Spielregeln von Anfang an klar zu vermitteln. Nicht, dass
noch jemand aus der Reihe tanzt, eine Allianz mit dem Feind schmiedet und im
falschen Sandkasten spielt. Weiße Fahnen können zu Hause bleiben – hier wird
noch mit dem Schwert gekämpft.
Dabei gilt: Der Mitarbeiter arbeitet
nicht nur für seine Abteilung sondern in erster Linie für deren Vorsitzenden. Diesem ist er zur bedingungslosen Loyalität verpflichtet. Sein erstes Ziel: Dafür zu sorgen, dass der Vorgesetzte seinen Thron behält und
dem Geschäftsführer regelmäßig eine kleine Trophäe präsentieren kann.
In seiner Arbeitszeit setzt sich der
Abteilungsleiter dafür mit zentralen Fragen der Arbeitsorganisation
auseinander.
„Ich freue mich, euch heute schon ein erstes Ergebnis
des Abteilungsleiter-Workshops mitteilen zu können: Wir haben
entschieden, dass alle Mitarbeiter zukünftig pünktlich zu Terminen erscheinen
und innerhalb von maximal zwei Tagen auf E-Mails antworten müssen“
Ich denke, die zweitägige Unterbringung
und Verpflegung von über 100 Führungskräften hat sich damit doch definitiv
schon gelohnt. Und jetzt soll nochmal jemand Fragen, ob Konzerne ein
Innovationsproblem haben.
Manchmal ist sogar ein wenig Kreativität gefragt. So lässt sich zum Beispiel das Motto „was nicht passt
wird passend gemacht“ auch prima auf interne Abläufe
anwenden, wenn der Mitarbeiter selbst schon nicht will.
„Ich weiß es scheint etwas kompliziert, aber die beiden
Vorgesetzten haben sich einfach nicht verstanden. Da mussten wir räumlichen
Abstand schaffen und dafür sorgen, dass die Prozesse beider Abteilungen
weitestgehend überschneidungsfrei ablaufen.“
Herzlich Willkommen in der sicheren Zukunft
Reden ist wichtiger als Tun, das
Durchschnittsalter liegt bei über 40 und ein Großteil der Mitarbeiter ist seit
dem lange zurückliegenden Einstieg direkt nach dem Schul- oder Universitätsende
leider vor Langeweile auf dem Schreibtisch eingeschlafen oder nach zu vielen
Runden im Hamsterrad einfach ein wenig durchgedreht.
Der Vorteil: Da die meisten Kollegen
nie einen Blick über den Tellerrand gewagt haben und damit ziemlich lange auf
ein und demselben Wissensstand stehen geblieben sind, lässt sich dieser innerhalb
kürzester Zeit aufholen (zumindest wenn wir historisch gewachsene IT-Systeme
einmal außer acht lassen).
„Tut mir leid,
aber Sie haben einfach ein überdurchschnittliches Interesse an Weiterbildung.“
Alles in allem also weniger ein ideales
Umfeld für junge motivierte Berufseinsteiger, die nach Herausforderung und
professioneller Ausbildung suchen, sondern eher eine Zwischenstation vor dem
Altersheim.
Raus aus der Komfortzone
Der Schritt aus dem Konzernumfeld in
die – rein objektiv betrachtet – deutlich unsichere und wankelmütigere
Startup-Welt war für mich die beste Entscheidung meines bisherigen
Arbeitslebens. Umgeben von risikoscheuen Kollegen, die die Ruhe und
Beständigkeit, den sicheren Arbeitsplatz und das feste Gehalt schätzen und
alles andere als äußerst gefährlich einstufen, fiel mir die Entscheidung für die „freie
Wildbahn“ zunächst
nicht ganz leicht. Doch am Ende hat sie sich als kleines Paradies entpuppt.
Die Arbeit in einem kleinen Team, ohne
starre Prozesse und Strukturen, mit einem klaren Fokus auf Inhalte und
Ergebnisse bringt mich persönlich und fachlich jeden Tag weiter. Umgeben von
Menschen mit breitem Horizont, professioneller und intelligenter Arbeitsweise
und der Fähigkeit, eigene Entscheidungen und Verhaltensweisen regelmäßig zu reflektieren, sind echte
Fortschritte in überraschender Geschwindigkeit möglich.
Eine gelungene Kombination aus Verantwortung,
Anerkennung und Herausforderung in einem jungen Unternehmen ist für motivierte Einsteiger, die selbst etwas
bewegen möchten, meines Erachtens nach deutlich wertvoller, als ein vermeintlicher
Paradestart im renommierten Großkonzern, der sich zwar gut auf dem Papier
macht, mittelfristig aber oftmals eine negative Lernkurve mit sich bringt und die
eigene Entwicklung eher hemmt als fördert.
Natürlich ist Konzern nicht gleich Konzern, Startup nicht gleich Startup und dies nur ein völlig subjektiver – und etwas überzogener – Erfahrungsbericht.
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