Alfred Hitchcock, Sidney Bernstein und andere drehten nach Ende des 2. Weltkriegs einen Dokumentarfilm über die Gräueltaten, die an mehreren Millionen Juden in verschiedenen Konzentrationslagern begangen wurden. Ein Film, der einem das Blut in den Adern gefrieren lässt, dessen Ausstrahlung aber heute wichtiger denn je ist und der sovielen Menschen wie möglich gezeigt werden sollte.
Dieser Tage findet sich in der Arte-Mediathek die Alfred-Hitchcock-Dokumentation “Night will fall”.
Ein Film, der so wichtig für die Geschichte ist, dass er nicht vergessen werden darf und der zu einem Lehrstück an Schulen, für Politiker und Wähler werden sollte. Aber dazu später mehr.
Der Film beginnt relativ harmlos, indem gezeigt wird, wie Deutschland von den Alliierten befreit wird. Währenddessen stoßen britische Offiziere auf Konzentrationslager, in die die Juden Europas deportiert wurden. Ihnen wird empfohlen, die Gefangenenlager zu meiden, da sich Typhus dort ausbreitete und dieser auf die Bevölkerung des Landes übergehen könnte, wenn Gefangene fliehen würden. Die Truppen hielten sich nicht an den Rat und wurden wenig später lachend von tausenden Insassen empfangen. Sie küssten den Soldaten die Hände und brachen in Tränen aus. Die Alliierten wurden empfangen als wären sie Götter, so lange hatten die Juden auf Hilfe gewartet, ohne die geringste Hoffnung, je welche zu bekommen.
Je weiter die Soldaten ins Innere der Lager fuhren, je größer wurde der Alptraum, der sich dort offenbarte. Zwischen lebenden Gefangenen lagen unzählige tote. Ausgemergelt, verhungert. Leichen, manche in Verwesung befindend, lagen überall. Übereinander, nebeneinander, zu Bergen aufgetürmt. Flächendeckend. Große Fläche wurden gezeigt. Manche Tote waren bekleidet, die meisten jedoch nicht; ihre Körper frei für jeden sichtbar. Körper, die nur noch aus Knochen zu bestehen schienen. Skelette mit dünner Haut überzogen. Das waren keine Menschen mehr, das waren gruselige Puppen. Ihre Gesichter entstellt, die Köpfe Einiger eingeschlagen oder mit Einschusslöchern versehen. Kahlrasiert. Es waren Frauen, Männer und Kinder. Gestorben an Krankheiten, Nahrungsentzug oder weil sie erschossen oder misshandelt wurden. Vielleicht auch alles zusammen. Manche von ihnen noch nicht ganz tot. Diese reckten mit letzter Kraft die Arme aus dem Berg der Toten, in der Hoffnung, gesehen und gerettet zu werden.
Die, die noch am Leben waren, starrten vor sich hin, jeder Hoffnung und Seele beraubt, nur noch ein Haufen Elend, der auf die Erweckung wartet, wenn es für sie Erweckung geben sollte. Den Glauben daran hatten hatten die Leidenden verloren. Es herrschte einzig Verzweiflung.
Dazu kam der widerliche Geruch nach Verwesung, dem die Lebenden jede Minute ausgesetzt waren. Es war, als würde man sich in einer anderen Zeit befinden, in einer unwirklichen Zeit.
Man fand einen Güterzug mit mehreren Wagons, der nie entladen wurde und deren Innsassen elendig zugrunde gingen. Siebzehn von dreitausend Deportierten überlebten, die anderen starben in der Kälte des Winters, auf den Gleisen liegend, in den Wagons sitzend.
Kinder wurden missbraucht, um für medizinische Forschungszwecke zu dienen, indem man ihnen Krankheitserreger injizierte. Diese Kinder gehörten niemandem, waren namenlos und damit wertlos.
Später fand man die Lager, in denen in großen Mengen das Gas zur Ermordung der Juden gelagert wurde, sowie Erinnerungsstücke, die die Menschen damals mitbrachten, da sie auf eine bessere Zukunft hofften. Es gab dort hunderttausende von Brillen, Scheren, Schuhen, Kleidungsstücke jeglicher Art, Spielzeug, Wertgegenstände, Koffer… alles, was ein Mensch im Krieg mit sich führt, wenn er die Möglichkeit vermutet, ihm zu entkommen.
Und man fand einen großen Berg verpackter Haare. Haare, die den Toten vom Kopf geschert wurden, um sie zur Filz- und Garnherstellung zu nutzen.
Die Alliierten gelangten wenig später zu den Gaskammern und den Krematorien. Die Öfen arbeiteten noch bevor das Lager gestürmt werden konnte und die Deutschen verhaftet worden waren.
Ein Kameramann zeigte auf die Knochenberge, die sich neben den Krematorien befanden. Meterhoch wurden Schädel, Beckenknochen, Arme und Beine achtlos hingeworfen und vergessen.
Tage später brachte man Politiker in das Lager, um ihnen zu zeigen, welcher Horror sich dort abgespielt hatte. Damit niemand später sagen konnte, man hätte nichts von dem Lager gewusst, wurden sie dabei gefilmt, wie sie vor den Massengräbern standen, während an ihnen die Leichen vorbeigetragen wurden und diese dann, wie totes Vieh das nicht mehr gebraucht oder notgeschlachtet wurde.
Die Alliierten beauftragten die SS-Gefangenen, die Massengräber auszuheben und die Horroraufgabe des Abtransports der Leichen zu Ende zu bringen, für welche sie verantwortlich waren.
Zeitzeugen, welche in den befreienden Armeen gedient und das Lager betreten hatten, wurden befragt und erzählten, dass sie verrückt geworden wären, hätten sie sich selbst nicht in eine andere Zeit gedacht. Einer von ihnen sagt weiterhin, dass kein anderer Film je die Verzweiflung und den Horror zeigte, den man Menschen angetan hatte, nur weil sie andersgläubig waren. Die Interviewten, ehemalige Offiziere und auch Überlebende, unterbrachen unter Tränen ihre Schilderungen, da die Erinnerungen sie übermannten, die zu schmerzvoll und zu schrecklich waren, um je wieder daran denken zu wollen. Die Erinnerung daran ließ niemals einen von ihnen los.
In der Dokumentation wird weiterhin etwas ganz Entscheidendes erklärt:
Es könnte jeden treffen, wenn eine Zivilisation so zusammenbricht, wenn Menschen sich nicht mehr wie Menschen verhalten. Egal, wo auf dieser Welt.
Ich habe mir die Dokumentation bis zum Schluss angesehen. Über eine Stunde hinweg. Ich war hin und her gerissen zwischen Angst, weinen müssen, kotzen wollen, als ich sah, wie man die ausgehungerten Leichen in die Massengräber warf; Grauen und den Atem anhalten. Es war das Schlimmste, was ich bisher gesehen hatte. Der Film wurde in schwarz-weiß gedreht, aber auch diese Tatsache konnte nicht über den Horror hinwegtäuschen. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie es gewesen sein muss, diese Bilder in deren natürlicher Farbe gesehen zu haben. Er hat mich zutiefst erschüttert. So sehr, dass ich danach dachte, die Probleme, die wir hier gesellschaftlich und politisch gerade austragen, sind keine wirklichen Probleme. Das sind Kinkerlitzchen eines verwöhnten Volkes, das nicht begriffen hat, was Armut, Verfolgung, Misshandlung und Mord bedeuten.
Aus MEINER Sicht ist es wichtig, dass dieser Film an soviele Menschen wie möglich herangetragen wird. Zuvorderst an Politiker mit nationalistischer Gesinnung und deren Wähler; sowie an Schulklassen der oberen, letzten Jahrgänge.
Generell sollte dieser Film für jeden Politiker Pflicht sein. Es darf nicht sein, dass diese Gräueltaten verleugnet oder beschönt werden. Daran ist nichts, aber auch rein gar nichts schön zu reden und wird es nie sein.Niemals!
Die Bevölkerung sollte aufgeklärt werden mit diesem Film, denn einzig das bloße Erzählen reicht nicht. Man muss diese Taten mit eigenen Augen sehen, es müssen Gefühle entstehen, um zu begreifen, was Menschen Menschen angetan haben und wieder antun können.
Die Tendenzen, dass sich einige Teile der Gesellschaft an vielen Stellen wieder in das nationalistische “Damals” zurücksehnt, sind nicht zu übersehen und zu überhören. Sie scheinen aber nicht zu bedenken, was das für sie bedeutet, denn niemand wird in einem worst-case-Szenario danach fragen, auf welcher Seite derjenige steht. Ob auf der Seite des Freundes oder des Feindes ist in diesem Fall egal. Es kann uns alle treffen, egal ob Moslem, Christ, Jude, Atheist…, Linker, Rechter oder Konservativer, … Homosexueller…..
Deswegen: es muss etwas gegen das Vergessen getan werden. Heute mehr denn je. Wir sollten auch nicht vergessen, dass es uns gut geht (gemessen an dem Film!), auch wenn wir es in manchen Momenten nich wahrhaben wollen.