Lebenspartner und Arbeitgeber werden heute gleichermaßen schnell verlassen. Manchmal ist es jedoch hilfreich, sich die Gemeinsamkeiten beider Lebenssituationen vor Augen zu führen. Denn für Zufriedenheit im Job braucht es ebenfalls Beziehungsarbeit.
Verliebt sein ist endlich
Jeder, der in einer längeren Beziehung lebt oder gelebt hat, weiß, dass Wolke sieben ein recht vergängliches Gebilde sein kann. Ob nun im verflixten siebten Jahr oder zu einem anderen Zeitpunkt: Irgendwann ist der Lack ab, und es muss sich zeigen, ob die Paarbeziehung auch in den Schichten darunter ausreichend Potenzial für Dauerhaftigkeit besitzt.
Nicht anders ist das im Verhältnis Mitarbeiter und Unternehmen. Ist die Anfangseuphorie im Job erst einmal verflogen und stellt sich Routine ein, dann hadert man mitunter doch sehr mit dem einst freiwillig gewählten Angestelltendasein. Die Gründe dafür sind vielfältig, doch in der Regel sind es einzelne Personen – Vorgesetzte und/oder Kollegen – an denen man sich abarbeitet, wenn man selbst frustriert ist.
Du selbst kannst viel verändern
Dabei befindet sich der größte Hebel für mehr Zufriedenheit im Job – Achtung: Überraschung! – in dir selbst. Und zwar vor allem deshalb, weil du hier den höchsten Einfluss hast, Dinge zu verändern. Verändern kann man vor allem die eigene Wahrnehmung und die daraus folgenden Reaktionen.
Ein vereinfachtes Beispiel, das die Macht der so genannten Deutungshoheit illustriert: Jemand äußert verhalten Kritik an der eigenen Arbeit, mögliche Reaktionen sind dann zum Beispiel:
– Ich keile aus und weise das Gegenüber recht vehement darauf hin, dass meine Arbeit immer noch um Längen besser sei als die seine.
– Ich stürze mich in Selbstzweifel und festige so die Überzeugung, dass ich für die mir übertragenen Aufgaben offensichtlich völlig ungeeignet bin.
– Ich nehme die Kritik als willkommene Anlass um konstruktives Feedback zu erfragen und verbessere auf diese Weise sukzessive meine Arbeitsergebnisse.
Nichts währt mehr für immer
Eine weitere Parallele zwischen Erwerbsarbeit und Paarbeziehung besteht auch in der Häufigkeit, in der Beziehungen scheitern. Die Zahl der Ehescheidungen ist vermutlich in einem ähnlichen Maße angestiegen wie die Zeit von Mitarbeitern in Unternehmen gleichzeitig gesunken ist. Der lineare Lebenslauf ist ein Relikt aus der Vergangenheit, während man im Privaten ja bereits seit längerem von „Lebensabschnittsgefährten“ spricht.
Einerseits ist beides die Folge einer Anpassung an moderne Lebensverhältnisse, andererseits aber auch Ausdruck gestiegener Erwartungshaltungen: an sich selbst, an den Partner, an den Arbeitgeber. Doch genau an dieser Stelle lauert auch Gefahr.
Selten geht nämlich die gesteigerte Anspruchshaltung einher mit einer Bereitschaft für langfristige Partnerschaften in Beruf oder Privatleben zu kämpfen, ja: an ihnen zu arbeiten. Beziehungen sind schließlich keine Selbstläufer, sie bedürfen regelmäßiger und zum Teil harter Arbeit. Der Schlüssel ist dabei neben der Kommunikation vor allem die Reflexion über die eigenen Ansprüche.
Und regelmäßig grüßt das Murmeltier
Wer stets mit Kosten und Nutzen argumentiert, der versucht das vermeintliche Problem durch Rückzug zu lösen: Man trennt sich oder man kündigt. Die Hemmschwelle ist dabei auch durch den technologischen Fortschritt gesunken. Der nächste Partner, der nächste Job – beides ist häufig nur einen Mausklick entfernt.
Interessant wird es spätestens dann, wenn die Probleme, von denen man glaubte, man habe sie hinter sich gelassen, in der nächsten Partnerschaft und im nächsten Job in kaum veränderter Form erneut auftreten. Sollte nicht das spätestens der Zeitpunkt sein, an dem man erkennt, dass man selbst auch einen Anteil daran hat, dass ähnliche Probleme wieder auftauchen? Häufig verdrängen wir stattdessen diese Erkenntnis.
Wege aus der Beziehungskrise
Und nicht nur der berufliche wie private Ersatz lockt bereits am (digitalen) Horizont, auch die jeweils parat stehende Beratungsmaschinerie hat schon ein passendes Angebot im Köcher. Was der kriselnden Ehe ihre Paartherapie, das ist dem an innerlicher Kündigung kränkelnden Arbeitnehmer sein Coach. Doch spätestens an dieser Stelle endet auch so manche Parallele.
Der Paartherapeut hat in der Regel das Wohl beider Partner im Sinn, wenn er Hilfestellung bei der Überwindung von partnerschaftlichen Krisen anbietet. Ein Coach hingegen konzentriert sich meist ausschließlich auf das Individuum des Arbeitnehmers, während dessen Gegenüber, das Unternehmen, eher selten mit am Tisch sitzt.
Dabei gäbe es durchaus Transferbedarf. Vieles von dem, was ein Paartherapeut seinen Mandanten an die Hand gibt, eignet sich ganz hervorragend auch für den beruflichen Kontext.
Zunächst einmal ist die Einsicht hilfreich, dass eine Beziehung generell sehr viel Arbeit bedeutet. Übertragen auf die Jobsituation heißt das, dass es dafür das Zutun beider Partner braucht. Eine Grundvoraussetzung ist die Reflexion über die eigene Erwartungshaltung und das eigene Handlungsrepertoire.
Fragen, die sich dann beide stellen können, sind:
Weshalb ist man die Beziehung seinerzeit eingegangen?
Was waren die positiven Eigenschaften am Gegenüber, die damals den Ausschlag gaben?
Wer sich solche Fragen auch in Bezug auf seinen Arbeitgeber stellt, gelangt schneller zu der Erkenntnis, ob sich ein Weitermachen vielleicht lohnen kann.
Eigentlich ganz einfach
Kommunikation ist und bleibt der Schlüssel. Wer nicht miteinander redet, manifestiert Fehleinschätzungen. Außerdem freut sich ein Vorgesetzter ebenso über konstruktives Feedback wie ein Mitarbeiter.
Hinterfragen wir unsere Anspruchshaltung. Viele Karrieretipps laden Themen rund um den Job viel zu sehr mit dem Zwang zur Selbstverwirklichung auf.
Und schließlich: Definieren wir unsere gegenseitigen Ansprüche. Was erwartet mein Arbeitgeber von mir und was sind die Dinge, die mir umgekehrt wichtig sind?
Selbstverständlich gibt es Beziehungen, deren Aufrechterhaltung mehr Schaden als Nutzen hätte. In diesem Fall ist Trennung und ein damit verbundener Neuanfang die beste Option. Wichtig ist aber die Analyse, welche Gründe letztendlich zu dieser Entscheidung geführt haben. Ein Neustart kann schließlich nur gelingen, wenn man die alten Probleme nicht in eine neue Partnerschaft trägt.
Mehr bei EDITION F
Madeleine Leitner: „Viele Jobs sind schlicht unerträglich und menschenverachtend“. Weiterlesen
7 Zeichen, dass man endlich kündigen sollte. Weiterlesen
Arbeiten mit Sinn: Wann wird es Zeit für einen Jobwechsel? Weiterlesen