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US-Unternehmen entschädigt Mitarbeiterinnen nach Sexismus-Vorwürfen mit 20 Millionen Dollar

Ein amerikanischer Tech-Riese entschädigt mehr als 3000 aktuelle und ehemalige weibliche Angestellte, die gegen Diskriminierung und Benachteiligung wegen ihres Geschlechts vor Gericht ziehen wollten – für Deutschland eine utopische Vorstellung?

 

Außergerichtliche Einigung

Der amerikanische Chip-Hersteller Qualcomm wollte wohl eine image- und geschäftsschädigende Sammelklage abwenden – und hat sich mit einer Gruppe weiblicher Angestellter, die den Konzern wegen diskriminierender Praktiken per Sammelklage vor Gericht bringen wollten, auf eine Zahlung von 19,5 Millionen Dollar geeinigt.

Die Vorwürfe der Frauen: Qualcomm würde seine weiblichen Angestellten systematisch schlechter bezahlen als männliche Pendants. Außerdem würden in dem Konzern Frauen beim Aufstieg in höhere Positionen massiv Steine in den Weg gelegt. Qualcomm bestreitet die Vorwürfe, wenig überraschend. Zumindest die Zahlen legen nahe, dass Frauenförderung nicht eben Priorität hat: Nur 15 Prozent der Führungskräfte sind weiblich (wobei der Konzern mit derart dürftigen Zahlen natürlich leider bei weitem keine Ausnahme darstellt.) 

Einen Prozess wollte man bei Qualcomm jedenfalls verhindern, weshalb man einer Millionenzahlung zugestimmt hat und verlauten ließ, an den unternehmenseigenen Grundsätzen in Sachen Gleichstellung zu arbeiten.

Das Silicon Valley – ein frauenfeindlicher Ort?

Von der außergerichtlichen Einigung sind rund 3300 Frauen betroffen – was bedeutet, dass jede einzelne von ihnen nicht wahnsinnig viel haben wird von den rund 20 Millionen, die jetzt fließen sollen. Laut „Wall Street Jounal“ könnte nach Abzug der Anwaltskosten jede Betroffene mit um die 4000 Dollar rechnen.

Qualcomm ist bei weitem nicht das erste Unternehmen im Silicon Valley, das mit seiner Haltung gegenüber Frauen Schlagzeilen macht. Großes Aufsehen erregte beispielsweise auch der Fall von Ellen Pao, die ihren ehemaligen Arbeitgeber, die Risikokapitalfirma Klein Perkins Caufield & Byers, verklagte – und verlor. Auch der Fall von Qualcomm wirft mal wieder ein Licht auf die Situation von Frauen im Silicon Valley, sei es im Bereich Venture Capital oder Tech: Jene Firmen, die sich als die innovativsten weltweit sehen, haben eine erbärmliche Bilanz, wenn es um Innovation beim Thema Diversity geht. Vivek Wadhwa, Fellow an der Stanford University und Autor des 2014 erschienenen Buches „Innovating Women: The Changing Face of Technology“, kritisierte in der New York Times die „elitäre Arroganz der Silicon Valley-Mafia“, und das „männliche, chauvinische Denken“. Gerade im Tech-Bereich stehen nicht selten 90 Prozent Männer gegen zehn Prozent Frauen, vom Anteil schwarzer Mitarbeiter ganz zu schweigen. Die Firmen des Silicon Valley haben jahrelang die Defizite ihrer Einstellungskultur ignoriert – langsam kommt nun etwas in Bewegung, die Firmen fangen endlich damit an, ihre Unternehmenskultur auf das Thema Diversity zu überprüfen.

Was bringt das deutsche Entgeltsgleichheitsgesetz?

Auf deutsche Verhältnisse übertragen wirken derart hohe Millionenzahlungen, wie sie in den USA möglich und üblich sind, natürlich illusorisch. Immerhin plant ja die Familien- und Frauenministerin Manuela Schwesig schon seit langem ein Entgeltsgleichheitsgesetz, das eine faire Bezahlung von Frauen und Männern möglich machen soll, Teresa hat bei uns bereits darüber berichtetTransparenzregelungen sollen sowohl Mitarbeiterinnen als auch Personal- und Betriebsräte stärken und Einblicke in Gehaltsstrukturen verschaffen, um dann faire Löhne einfordern zu können. Ein früherer Entwurf von Schwesig sah solche Regelungen erst für Unternehmen ab 500 Angestellten vor.  Das Gesetz ist grundsätzlich umstritten, die einen Kritiker befürchten einen immensen Bürokratieaufwand und keinerlei Effekt, die anderen finden, der Entwurf gehe nicht weit genug. Schon vor einem Jahr schrieben die beiden Grünen-Abgeordneten Ulle Schauws und Katja Dörner in einem Gastbeitrag für die Zeit: „Die meisten Frauen arbeiten in Deutschland in Firmen, die weniger als 500 Angestellte haben. Die Beschäftigten in mittleren und kleinen Unternehmen hätten demnach kein Recht auf mehr Transparenz und Lohngerechtigkeit.“ Sie kritisierten außerdem, dass Frauen gegen Diskriminierung alleine klagen müssten und ein Verbandsklagerecht nicht vorgesehen sei.

Der Entwurf hing seit vergangenem Dezember im Kanzleramt fest, mittlerweile wurde eine Verhandlungsgruppe um Schwesig und den Kanzleramtschef Peter Altmaier gegründet, die weiter über das geplante Gesetz beraten soll. Derzeit ist eine Grenze von 200 statt 500 Mitarbeitern im Gespräch – wenn das Gesetz noch in dieser Legislaturperiode kommen soll, wird es langsam eng.

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