Entschuldigen? Ist doch eigentlich gar nicht so schlimm – zumindest solange wir es nicht zu oft machen. Es gibt eine Alternative zum schnellen „Sorry“, die viel eleganter und netter ist.
Was ist eigentlich so schlimm am Entschuldigen?
Lange habe ich nicht verstanden, was damit gemeint ist: „Frauen entschuldigen sich zu viel!“ Oder: „Hört endlich auf, Euch zu entschuldigen!“. So lauten viele der Slogans, Überschriften, gute Vorsätze und Tipps, die mir regelmäßig über den Weg laufen. Aber was sollen sie mir eigentlich sagen? Und ist das wirklich typisch weiblich?
Nun, erst einmal ist Entschuldigen ja vor allem nett und höflich, es schützt gut und gerne vor Streit oder Konflikten – dachte ich auf jeden Fall immer. Denn wenn ich mich entschuldige, kann der Andere mich gar nicht mehr angreifen. Manchmal erwische ich mich, wie ich mich entschuldige, um eigentlich ein Dankeschön zu bekommen. „Sorry, ich hab den Platz auf der Wäschespinne gebraucht und habe deine Wäsche abgehängt, gefaltet und auf dein Bett gelegt. Hoffe das war okay für dich…“ Aber mal ehrlich: Ein Sorry fürs Wäscheabhängen?!
Natürlich habe ich auch oft einen tatsächlichen Grund mich zu entschuldigen. Ich habe ein unfassbar unkalkuliertes Zeitmanagement, komme andauernd zu spät. Außerdem bin ich häufig so sehr durch den Wind oder in meiner eigenen Welt gefangen, dass ich Leuten im Weg rumstehe oder sie anremple. Auch bin ich viel zu häufig am Handy und wenn das in Gesellschaft vorkommt, entschuldige ich mich gerne auch mal mehrfach. Und ein „Entschuldigung, dass ich dich mit meinem Weltschmerz vollheule“ ist uns sicherlich auch allen schon einmal entwischt.
Ich fand das Entschuldigen auch immer okay. Denn dann wissen wenigstens alle, dass ich merke, dass ich störe, im Weg rumstehe oder zu spät bin – und es nicht mit Absicht tue. Und doch ist mir die inflationäre Benutzung des Entschuldigens in letzter Zeit mächtig auf den Geist gegangen – sei es von mir oder Menschen um mich herum. Vor allem, wenn Leute ihre Sätze mit einem „Entschuldigung, aber…“ beginnen, drehe ich gerne mal am Rad.
Wir sollten uns bewusst machen, für was genau wir uns Entschuldigen
Es geht mir hier nicht um ein „Entschuldigung, könnte ich Sie bitte kurz unterbrechen?“, sondern mehr um ein „Entschuldigung, aber Donald Trump hat nunmal eine denkbar bekloppte Frisur.“ Warum um alles in der Welt sollte mir das leid tun?! Weil wir uns das angucken müssen…? Gerade bei den politischen Diskussionen in meinem Freundeskreis und mit meiner Familie fällt mir dieses Stilmittel vermehrt auf. Inzwischen unterbreche ich die Missetäter dann auch mal gerne ganz un-ladylike mit einem „Deine Meinung muss dir nicht leid tun!“ bevor ich überhaupt weiß, was auf das böse E-Wort überhaupt folgt. Ich meine, eine solche Fehlbenutzung inzwischen schon am Tonfall riechen zu können. Sonst hinterfrage ich auch gerne mal: „Und was genau tut dir an dieser Feststellung jetzt leid? Du kannst doch nichts dafür!“ (Und wenn du was für Donald Trumps Frisur kannst, dann verrate mir doch bitte, ob er freiwillig so aussieht oder du dir nur einen Spaß daraus machst!)
Jetzt schweife ich aber schon wieder ab. Es geht mir eigentlich um etwas ganz anderes. Durch die ständige Verwendung von Entschuldigungsfloskeln wissen wir ein ernst gemeintes „Entschuldigung“ häufig nicht mehr zu schätzen.
Wenn ich mich andauernd für alles entschuldige – Wäsche aufhängen, Zac Efron heiß finden, mich über die AfD zu echauffieren – dann wird meine Entschuldigung doch gar nicht ernst genommen. Wenn ich beispielsweise meiner Schwester einen Papierflieger in die Nase ramme und sie Nasenbluten bekommt (true story!) und mich hierfür entschuldige und dabei die gleichen Worte benutze, wie wenn ich mich aufgesetzt/ironisch dafür „entschuldige“, Donald Trump für einen aufgeblasenen Hahn zu halten, meint ihr, meine süße kleine Schwester nimmt meine Entschuldigung dann noch ernst? Eben.
So bin ich neulich auf eine kurze Comicstrecke gestoßen, die mir die Augen geöffnet hat, was die ganze Entschuldigungs-Problematik angeht.
Hört auf euch zu entschuldigen und bedankt euch stattdessen!
Die Künstlerin Yao Xiao hat eine Bilderstrecke entworfen, die beispielhaft aufführt, warum man sich öfter bedanken statt entschuldigen sollte.
Das Ganze funktioniert so:
Wenn du zu spät zu einer Verabredung kommst, bedanke dich für die Geduld.
Quelle: Yao Xiao
Wenn du deine beste Freundin mit deinem Weltschmerz vollheulst, bedankst du dich für ihr Verständins. Bedanke dich, wenn Leute Zeit mit dir verbringen oder dir zuhören, statt dich dafür zu entschuldigen, dass du ihre Zeit in Anspruch nimmst.
Quelle: Yao Xiao
Und wenn jemand dich unterstützt, dann entschuldige dich nicht, falls du scheiterst, sondern bedanke dich für die Unterstützung.
Quelle: Yao Xiao
Leider muss ich sagen: Das ist gar nicht so einfach. Denn: Ich kann es selbst noch nicht. Gerade heute stand ich wieder einer Frau im Weg und sie hat mir Platz gemacht. Statt mich zu bedanken, habe ich mich entschuldigt. Warum? Blöde Angewohnheit. Aber Gewohnheiten lassen sich ändern – und das hier ist eine, an der ich eindeutig arbeiten will!
Ein „Sorry“ wird abgewinkt, vergessen. Ein „Dankeschön.“ ist eine Wertschätzung. Bei „Sorry“ geht man davon aus, dass jemand etwas falsch gemacht hat, bei „Danke“ jemand etwas richtig.
Wer sich ständig entschuldigt, sucht die Fehler bei sich, wer sich bedankt, weiß andere zu schätzen.
Endlich verstehe auch ich, warum gerade wir Frauen dazu aufgerufen werden, uns weniger zu entschuldigen. Man kann jede Situation positiv sowie negativ auslegen und ich bin ein Mensch, der versucht, so positiv durchs Leben zu gehen, wie eben nur irgendwie möglich.
Was meint ihr, macht der kleine Wörtertausch einen Unterschied? Oder findet ihr es voll okay, als ein sich-entschuldigendes Mäuschen durch die Welt zu hüpfen? Ich bin gespannt, was ihr von der These haltet und freue mich über eure Kommentare unter dem Beitrag!
Übrigens: Wenn ihr mehr über Xiao erfahren wollt, findet Ihr sie bei Facebook, Instagram, Twitter und auf ihrer Website.
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