In den USA fehlen staatliche Regelungen zur Elternzeit, das übernehmen dort die Unternehmen. Netflix beeindruckt jetzt mit einer fortschrittlichen Idee, die sich ausdrücklich an beide Eltern richtet.
Ein ganzes Jahr Elternzeit bei voller Bezahlung
Da erblassen auch Eltern in Deutschland vor Neid: Zwar bietet die staatliche Elternzeit-Regelung hierzulande vielen Mütter und Väter einen Lohnersatz, der es ihnen ermöglicht eine Zeit lang nicht zu arbeiten – der Betrag ist jedoch bei 1.800 Euro gedeckelt. Nicht so bei der Streaming-Plattform Netflix: Angestellte, die in Elternzeit gehen, bekommen ab sofort das volle Gehalt weiter – und das ein ganzes Jahr, wenn sie es möchten. Innerhalb des ersten Jahres können die Mütter und Väter flexibel an den Arbeitsplatz zurückkehren, in Teilzeit arbeiten, oder kurz wieder einsteigen und dann eine erneute Auszeit nehmen – ziemlich viel Flexibilität, die Netflix da bietet.
In den USA ist die Situation von Müttern und Vätern nach der Geburt ihres Kindes im Vergleich zu vielen anderen Ländern wirklich schlecht. Es gibt keinen Mutterschutz, und das bedeutet, dass Frauen so lange bei ihrem Baby bleiben können, wie sie es sich leisten können – manchmal sind das nur wenige Tage. In größeren Unternehmen können Eltern bisweilen bis 12 Wochen in Urlaub gehen, aber das auch meist nur unbezahlt. Vor allem große Tech-Unternehmen im Silicon Valley bieten immer häufiger bezahlte Elternzeit an, um für junge Mitarbeiter attraktiv zu sein.
Ein Signal an die Väter
Die Möglichkeit, die Netflix nun ankündigt, ist so großzügig wie nirgendwo anders. Das Besondere zudem: Die Policy richtet sich explizit an Mütter und Väter und schafft somit eine Unternehmenskultur, die Gleichberechtigung fördert.
In Deutschland nehmen zwar immer mehr Väter eine Auszeit für die Erziehung ihrer Kinder, aktuell sind das aber lediglich knapp 30 Prozent. Von diesem kleinen Anteil der Väter, die überhaupt in Elternzeit gehen, nehmen die meisten wiederum nur zwei Monate – obwohl sie theoretisch bis zu einem Jahr lang aussteigen könnten.
Macht das Netflix-Modell Schule?
Viele Familien geben für die traditionelle Aufteilung des Elterngeldes – sie zwölf Monate, er zwei oder keine – wirtschaftliche Gründe an. Fällt das Gehalt des Vaters weg, ist der Lebensstandard nicht mehr zu finanzieren. Zwei Monate geht das mal, länger oft nicht. Dahinter liegen natürlich auch strukturelle Probleme, denn würden sich Gehälter von Mann und Frau stärker ähneln, wäre es egal, wer Elternzeit nimmt.
Wäre das Netflix-Modell also eine Möglichkeit, um mehr Väter für eine Elternzeit zu begeistern? Es würde sicher mehr Männer an die Wickelkommode locken. Denn eines ist klar: Väter möchten mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen. Dazu braucht es zum einen finanzielle Sicherheit, zum anderen Unternehmenskulturen, die Männer nicht dafür bestraft, wenn sie sich um die Familie kümmern möchten.
Tawni Cranz, Chief Talent Officer bei Netflix, bringt es gut auf den Punkt: „Wir wollen, dass es jungen Eltern gut geht, und sie sich in der ersten Zeit nicht um Geld oder die Arbeit sorgen müssen. Unser Erfahrung zeigt, dass Menschen besser arbeiten, wenn sie sich keine Sorgen darum machen müssen – und darin wollen wir sie unterstützen.“
So viel Familienfreundlichkeit hört man von Unternehmen selten. Und von diesem Bewusstsein können Chefinnen und Chefs überall in der Welt lernen – oftmals ist diese Haltung auch sehr viel wichtiger, als die Frage des Geldes.
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