Foto: Miriam Dierks | www.liebaeugeln.com

Wenn wir Schönheitsideale auflösen wollen, müssen wir diverse Schönheitsbilder zeigen

Frauen sind auf ganz individuelle Art wunderschön. Es ist an der Zeit, diese Vielfältigkeit zu zeigen.

Schon Mädchenkörper unterliegen Idealen

Im 21. Jahrhundert ist der weibliche Körper zur Projektionsfläche einer Idee von perfekter Schönheit geworden. Schon im Kindesalter lernen wir, dass unsere Körper nicht okay sind oder doch mindestens optimierbar. Mädchen spielen mit Puppen, die absurd schmale Taillen und unnatürlich dünne und lange Beine haben. Sähe ein menschlicher Körper in Wirklichkeit so aus, würde er wahrscheinlich aufgrund der Proportionen in der Mitte durchbrechen. Denn neben der superschmalen Taille gehören natürlich auch große Brüste dazu. Und auch wenn es inzwischen vereinzelt Puppenmodelle gibt, die mit halbwegs natürlichen Körpermaßen daherkommen, ist das noch lange nicht die Regel. Da mittlerweile aus jedem Spielzeug möglichst viel Profit geschlagen werden soll und die Merchandise-Maschinerie gar nicht mehr still steht, gibt es natürlich auch Serien und Kinofilme, in denen diese unnatürlichen Körper auftauchen. Im Sekundentakt prasseln bewegte Bilder auf die kleinen ahnungslosen Menschen ein.

Wer nun sagt, dass Eltern in der Hand haben, was ihre Kinder konsumieren, hat sicherlich Recht. Damit ist aber noch lange nicht die Gefahr gebannt, dass Mädchen (und inzwischen übrigens auch Jungs) mit einem ungesundem Körperbild aufwachsen. Denn auch bei der Kinderkleidung ist recht früh das momentan herrschende Schönheitsideal von Bedeutung. So sind für Mädchen vorgesehene T-Shirts um ein Drittel schmaler geschnitten als die von Jungen, kurze Hosen zum Teil sogar bis zu 60 Prozent kürzer. Und natürlich gibt es auch Eltern, die einfach Kleidung kaufen und nicht explizite Mädchenhosen oder spezielle Girl-T-Shirts. Aber selbst Töchter solcher Eltern sehen, dass es diese Kleidung gibt und verstehen sehr schnell, dass sie eigentlich reinpassen müssten. Je älter Mädchen werden, desto schwieriger wird es, sie von all dem fernzuhalten. Soziale Medien erledigen dann den Rest.

Du kannst alles sein – solange du das richtige bist!

Das Streben nach einem Ideal ist nicht neu. Was neu ist, ist die Tatsache, dass der Körper als unbegrenzt veränderbar wahrgenommen wird. Es herrscht die landläufige Meinung, dass bei genügend Investition und Anstrengung alles möglich ist. Wer es nicht schafft, ist zu schwach, zu faul, selber Schuld. Als Frau ist man gefangen im Zwang von Individualität und Konformität. Und zwar gleichzeitig. Erwartet wird, dass man möglichst einzigartig und individuell ist. Gleichzeitig muss man sich aber, bitte sehr, auch an die Normen halten. Zu dick geht gar nicht. Zu dünn schon eher. Die uns vermittelte Botschaft: Du kannst alles sein – so lange du das richtige bist! Streng dich gefälligst an!

Und so stolpern zu viele von uns von einer Diät in die nächste, betreiben Sport nur noch, um an Gewicht zu verlieren und fühlen uns in der Regel schlecht mit unserem Körper. Unbemerkt und schleichend haben wir den Vertrag unterzeichnet, der uns zwingt, ständig an uns selbst zu zweifeln oder zumindest doch ein wachsames Auge auf uns zu werfen. Aber was macht das mit uns?

Frauen in ihrer wunderschönen Vielfalt

Genau diese Frage habe ich mir gemeinsam mit meiner Freundin Miriam Dierks gestellt. Und vor einem halben Jahr das Projekt „Sisters in Mind” gegründet. Wir gehen beide eigentlich anderen Berufen nach, sind Mütter einer Tochter bzw. eines Sohnes. Für unser Herzensprojekt haben wir aber nebenbei viel Zeit, Energie und Liebe investiert. Wir wollen das Schweigen beim Thema Schönheitsideale brechen und fragen nach, mit Hilfe von „Sisters in Mind”, ein Foto-Projekt, das Mädchen und Frauen in all ihrer wunderschönen Vielfalt porträtieren will. Immer wieder erzählen uns Teilnehmerinnen des Projektes in den Interviews vom jahrelangen Kampf mit sich selbst. Ausnahmslos alle finden es schrecklich, sich der gesetzten Norm unterwerfen zu müssen, und haben es doch viele Jahre getan.

Das Projekt zeigt Frauen und ihre ganz persönlichen Geschichten. Es erzählt von ihrer Kindheit, von Ansprüchen, von Verletzungen und Folgen. Es lenkt aber auch den Blick um und fragt zum Beispiel danach, was die porträtierten Frauen an sich schön finden. Es zeigt Frauen und ihre ganz individuelle Schönheit, die vielleicht nicht immer der Norm entspricht und dennoch so viel Strahlkraft besitzt.

Gemeinsam für eine bessere Zukunft

Alleine darüber zu sprechen, kann schon einiges verändern. Es sind die kleinen Momente, die zunächst zählen. Jene Momente, in denen die Frauen durch ihre Interviews erkennen, wo der Selbstzweifel her kommt und wo er Schmerz verursacht. Und nicht zuletzt ist der schönste Moment der, in denen die Frauen die Bilder von sich sehen und ihre ganz individuelle Schönheit erkennen. Auch wenn sie nicht „dem” Ideal entspricht.

Damit sich wirklich etwas ändert, müssen Frauen Frauen unterstützen. Das ist elementar wichtig in Zeiten, in der Gleichberechtigung der Geschlechter noch immer ein Ziel und nicht ein Zustand ist. Es ist die gesellschaftliche Veränderung, die uns wichtig ist und die nur stattfinden kann, wenn man den Blickwinkel, die Perspektive ändert. Es geht um Diversität. Es geht um Toleranz. Es geht um Akzeptanz. Denn das ist der Treibstoff einer gut funktionierenden Gesellschaft.

Der Beitrag ist in abgewandelter Form bereits auf der Homepage „Sisters in Mind” erschienen. Wir freuen uns, dass die Initiatorinnen ihn auch hier veröffentlichen.

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