Wir alle wollen stark sein. Doch was bedeutet das überhaupt für die die gesellschaftliche Mehrheit? Meist ist der Begriff zu eng gedacht und schließt viele Menschen aus. Wir müssen endlich mit dem Klischee aufräumen, dass Stärke vor allem männlich konnotiert ist.
Was heißt „stark” bei Frauen?
„I’m a strong independent black woman, who don’t need no man.“ Diese Phrase, die irgendwann in den Zweitausendern im Internet auftauchte, hat es als Meme ziemlich weit gebracht. Meistens von weißen Männern gepostet, existiert es inzwischen in hunderten Variationen, auch als Videoparodie. Der Stereotyp der „strong black woman“ ist in der Popkultur sehr tief verwurzelt und wurde von den verschiedensten Autorinnen schon ordentlich auseinandergenommen. Taucht „stark“ mit dem Wort Frau in einem Satz auf, ist nicht physiologische Stärke gemeint, das Wort dient viel mehr als Platzhalter für erfolgreich, ehrgeizig oder immer-an-die-Grenze-des-Machbaren-gehen.
Frauen die Unternehmen leiten oder Frauen, die laut sind und sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen, nennen wir „stark“. Alleinerziehende nennen wir auch „stark“, aber leider selten mit dem Gedanken der Bewunderung, sonder oft eher mitleidig vom hohen Ross herunter.
Das beschriebene Meme zeigt gut, wie irritierend wir starke Frauen finden. Eine Frau, die auf eigenen Füßen steht und Erfolg im Beruf hat, wird gefeiert, aber auch misstrauisch beäugt, besonders, wenn sie keine Kinder oder keinen Partner hat. Frauen, die tun was Männer tun, um aufzusteigen, Frauen, die emotional und finanziell unabhängig sind, gelten als cool aber gleichzeitig doch irgendwie auch als ein bisschen anders.
Weiblich und stark sein wird immer noch als Widerspruch angesehen
In vielen Branchen müssen Frauen sich an, als männlich angesehene, Verhaltensweisen anpassen, um Erfolg zu haben. Dieses Besetzen von männlichen Rollenmustern durch Frauen ist immer noch etwas, das auffällt.
Stark zu sein, also vielleicht laut, dominant, ehrgeizig, ist etwas Positives, aber stark sein ist auch etwas Männliches. „Starke Frauen“ beinhalten also einen Widerspruch, weil sie Eigenschaften besitzen, die als männlich gelten, aber trotzdem weiblich sind. Und hier kommen wir gesellschaftlich nicht mit, denn zu männlich darf eine Frau ja nicht sein.
Wenn eine Frau mit dem Adjektiv stark betitelt wird, dann muss sie etwas Herausragendes geleistet haben, etwas das sie von anderen Frauen unterscheidet. Es geht oft um Erfolg im Beruf oder das Überwinden eines
Schicksalsschlags. Diese Stärke erhebt sie über andere Frauen und grenzt sie vom gesellschaftliche Bild der Weiblichkeit ab. Die Denkweise erinnert sehr an
Teenagermädchen, die nur Jungs als Freunde haben, weil Mädchen ja sooo dramatisch sind und die sich nichts Schöneres vorstellen können als gesagt zu
bekommen, dass sie ja ganz anders sind, als andere Mädchen. In beiden Szenarien wird das weibliche abgewertet und als etwas Schwächeres als das Männliche angesehen.
Wir müssen die Definition von Stärke erweitern
Abgesehen davon, dass durch das mit männlich belegten Eigenschaften geprägte Bild von starken Frauen diesen ihre Weiblichkeit abgesprochen wird, werden Frauen, die nicht diesem Bild entsprechen, abgewertet. Wenn einige Frauen stark sind, müssen die anderen, welche andere Lebenswege gehen, folglich schwach sein. Wie toxisch das Einteilen von Menschen nach Wertigkeit für offene Gesellschaften ist, sollte jedem klar sein. Jede Frau ist eine starke Frau, egal ob sie erfolgreich im Beruf ist oder nicht, egal ob sie faul oder ehrgeizig ist, gerne rosa trägt oder ausschließlich schwarz.
Das vorherrschende Klischee von der „starken Frau“ trifft Frauen also doppelt. Einmal die Frauen, die das Klischee teilweise oder ganz erfüllen, weil sie mit den negativen Seiten der Aneignung von maskulinen Eigenschaften zurechtkommen müssen. Und zweitens auch die Frauen, die nicht oder nur zu einem kleinen Teil dem Klischee der „starken Frau“ entsprechen, sich dem Stereotyp nach weiblich verhalten. Wenn also das angestrebte Bild einer erfolgreichen Frau mit männlichen Eigenschaften verknüpft wird, können Frauen als Gruppe nur verlieren. Erst wenn wir typisch weibliche Eigenschaften ebenfalls als erstrebenswert charakterisieren oder, noch besser, die Geschlechterzuschreibung von Eigenschaften ganz verwerfen, können Frauen mit den verschiedensten Eigenschaften als das betitelt werden was sie sind –stark. Was das genau heißt, definiert jede Frau, jeden Tag, für sich selbst neu.
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