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Wie Frauen die Wirtschaft ankurbelten – wenn man sie ließe

197 Milliarden Euro zusätzlicher Wertschöpfung, eine um ein Drittel verkleinerte Arbeitskräftelücke – die deutsche Wirtschaft könnte immens profitieren, würde sie Frauen endlich aufsteigen lassen.

In der Konzernwelt mangelt es an weiblichen Karrieren

Eva Buchhorn hat für unseren Partner Manager Magazin Online die Ergebnisse einer Studie der Boston Consulting Group, die dem Magazin exklusiv vorliegt, zusammengefasst:

Schon heute sind Frauen erfolgreich in die Herrenclubs der Businesswelt vorgedrungen – manager magazin feiert die „50 einflussreichsten Frauen der deutschen Wirtschaft“. Frauen
arbeiten in Dax-Vorständen, sind als Aufsichtsrätinnen gefragt, gründen
florierende Unternehmen und besetzen hochrangige Posten in bedeutenden
wirtschaftsnahen Institutionen – und doch bleiben weibliche Karrieren in den Zirkeln der Konzernwelt bislang eine Seltenheit.

Immer noch kommen zu viele Frauenkarrieren im Mittelmanagement ins
Stocken. Wie sich das ändern ließe, hat ein Beraterteam der Boston
Consulting Group unter Leitung von Partnerin Rocio Lorenzo analysiert.
Die positive Botschaft: „Unternehmen könnten ihre weiblichen Talente
öfter an die Spitze führen – wenn sie konsequent an einer
frauenfreundlichen Kultur arbeiten“, so Lorenzo.

Eine gezielte Mobilisierung der Frauen würde das Wirtschaftswachstum
entscheidend ankurbeln, zeigt das von BCG errechnete Szenario: Auf bis
zu 197 Milliarden Euro oder acht Prozent zusätzlicher
Bruttowertschöpfung schätzen die Berater den Effekt. Ein Drittel der in
naher Zukunft zu erwartenden Arbeitskräftelücke könnte so geschlossen
werden.

Frauen ohne Kinder schaffen es dreimal häufiger nach oben

Die Analyse belegt, dasa – obwohl Jahr für Jahr immer mehr Frauen
Hochschulabschlüsse erwerben – die Präsenz der Frauen in Leitungsjobs in
den vergangenen 20 Jahren nahezu stagniert. Lag der Anteil der
weiblichen Entscheider in Spitzenämtern der Privatwirtschaft 2006 bei
eins zu Hundert, ist er 2014 auf gerade mal fünf Prozent angewachsen.
Zum Vergleich: Im öffentlichen Dienst halten Frauen 18 Prozent der
Toppositionen.

Zum einen vergeben die Unternehmen nach zahlreichen
Verschlankungsrunden weniger Führungsjobs – zum anderen setzen sich im
Karrieregerangel die Männer überproportional stark durch, und zwar
selbst in traditionell als weiblich geltenden Branchen wie der
Gesundheitswirtschaft.

Ein wesentlicher Grund: Mit ihrer ausgeprägten Neigung zur Teilzeit
werfen sich die Frauen selbst aus dem Rennen. Ausgerechnet in der
karriererelevantesten Phase – zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr –
reduziert fast jede zweite Frau mit guter bis sehr guter Ausbildung ihre
Tätigkeit zugunsten der Familie drastisch – und verharrt dann den Rest
ihres Berufslebens in der Schmalspur-Berufstätigkeit. Einmal Babypause,
immer Babypause. Frauen ohne Kinder schaffen es in Deutschland denn auch
dreimal häufiger in Führungspositionen als Mütter.

Das zweite große Hindernis für den Aufstieg der Frauen ist laut BCG
der mangelnde Wille vieler Unternehmen, ihre Kultur zu verändern. Das
Paradoxe: In Befragungen bezeichnen fast 60 Prozent der Entscheider
männlich geprägte Normen, Werte und Netzwerke in ihrer Firma als
entscheidende Hürde für die Frauen. Doch nicht mal halb so viele
Unternehmen, die an Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils arbeiten,
wollen das schwierige Thema Kulturwandel konkret in Angriff nehmen.


Gleichstellung der Frauen bleibt ein Stiefkind der Unternehmenspraxis

Ohnehin bleibt die Gleichstellung der Frauen – neudeutsch Gender
Diversity – ein Stiefkind der Unternehmenspraxis. Jede dritte Firma
stellt die Frauenförderung öffentlich weiterhin als „weiches Thema dar,
ohne Bezug zur Geschäftsentwicklung. Und „nicht einmal jedes fünfte
Dax-Unternehmen baut visible Gender-Ziele in die Unternehmensstrategie
ein“, so Lorenzo. Dabei läge genau hier der entscheidende Hebel: „Es
reicht nicht, die Mannschaft zu sensibilisieren und Arbeitszeitmodelle
zu flexibilisieren. Die Unternehmen müssen ihren Leuten klarmachen, dass
Gender Diversity einen Wertschöpfungsbeitrag leistet. Dazu gehört,
Ziele festzulegen und Fortschritte kontinuierlich zu messen.“

Immerhin: Etliche deutsche Unternehmen befinden sich mit vielversprechenden Aktivitäten auf dem richtigen Weg. Continental
Börsen-Chart zeigen bringt erfahrene weibliche Führungskräfte unter dem Motto „Meet the Manager“ gezielt mit Nachwuchskräften zusammen; Metro
Börsen-Chart zeigen und Daimler
Börsen-Chart zeigen garantieren Alleinerziehenden Krippenplätze; IBM
Börsen-Chart zeigen
steuert alle Diversity-Aktivitäten über „Women Leadership Councils“;
die Otto Group hat ein regelrechtes Diversity-Controlling eingeführt,
bis runter zur letzten Managementebene.

Als internationales Beispiel gelungener Diversity kann Facebook
Börsen-Chart zeigen
gelten. „Erst mit Sheryl Sandbergs Eintritt ins Topmanagement
entwickelte Facebook seine heutige Marktdominanz“, erläutert Rocio
Lorenzo. „Ihr Hands-on-Managementstil vervollständigt Zuckerbergs
Erfindergeist.“

Eine nachhaltige Aktivierung der Frauen hätte wesentliche ökonomische
Effekte, meint BCG. Die Beratung identifiziert vier Hebel, die
zusammengenommen die deutsche Bruttowertschöpfung um 197 Milliarden Euro
steigern und die Arbeitskräftelücke um bis zu ein Drittel verkleinern
könnten:

– Steigerung der weiblichen Erwerbstätigenquote von 69,1 auf 75,1 Prozent, die (Wieder-)Einsteigerinnen arbeiten 20 Wochenstunden

– Anhebung der Wochenarbeitszeit bereits in Teilzeit arbeitender
Frauen von derzeit 19 Stunden auf 25 Stunden – soviel arbeiten die
Schwedinnen, vom Arbeitsumfang her die Top-Performerinnen in der EU

– Verschiebung von 165.000 Frauen in produktivere Branchen

– Vergabe von höherwertigen Jobs an 500.000 Frauen, die für ihre derzeitigen Positionen überqualifiziert sind

90.000 Frauen in Führungspositionen zusätzlich wären nötig, um hier
zu Lande die Quote weiblicher Führungskräfte wenigstens auf
EU-Durchschnitt zu hieven. Allein diese Zahl zeigt: In Sachen
Frauenförderung bleibt in Deutschland noch viel zu tun.

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