Wer eine neue Beziehung hat, will dem gesamten Freundeskreis davon erzählen. Doch zu viel Schwärmerei ist ein schlechtes Zeichen.
Ich hab da jemanden kennengelernt
Es ist ein untrügliches Zeichen. Wenn es auftaucht, sollten wir sofort etwas skeptisch sein. Denn dann kann es gefährlich werden. Dabei ist die Ausgangssituation eigentlich ganz vielversprechend. Sie geht los mit dem berühmten Satz: „Ich hab da jemanden kennengelernt.”
So war es auch, als K. mein „Und, wie geht’s …?” am Telefon unterbrach und sofort anfing, zu erzählen. Sie hätte da nämlich jemanden kennengelernt. Und der sei jetzt aber wirklich der erste, echte Vernünftige. Er sei einfach nett. Und er hieß zum Glück nicht M., wie schon drei ihrer Exfreunde.
Er hätte sein Studium sehr schnell abgeschlossen und würde schon seit zwei Jahren arbeiten. Und er käme aus F, also aus einer Stadt, gegen die man ja gar nichts sagen könnte. Also bis auf den Dialekt. Aber den spräche er zum Glück nicht. Außerdem wäre er letztes Wochenende auf demselben Konzert wie sie gewesen. Wie verrückt. Da hätten sie sich also auch schon kennenlernen können. K. holte kurz Luft und machte im Stakkato weiter.
Viel heiße Luft
Nach etwa einer halben Stunde war K. die Puste ausgegangen. Aber mehr musste sie eigentlich auch nicht erzählen, denn mir schwante schon, was eigentlich Sache war: Das wird nichts.
Es ist eben ein schlechtes Zeichen, wenn man sich jemanden so überschwänglich schönreden muss. Ich habe lange gebraucht, um das zu merken. Aber mittlerweile bin ich mir sicher: Wenn es in der Liebe läuft, wird nicht darüber geredet. Das gilt für lange Beziehungen, aber gerade und vor allem in der Anfangszeit.
Wenn wir irgendwie selbst nicht so ganz von einer Sache überzeugt sind, müssen wir darüber reden. Wie emsige Marktschreier preisen wir dann das Liebesobjekt mit einer Leidenschaft an, die wir uns als authentisch verkaufen. Damit wir selbst und alle Umstehenden hoffentlich kurz übersehen, dass die Ware nicht das Richtige ist.
Dabei geht es nicht unbedingt darum, uns selbst in ein besseres Licht zu rücken oder andere neidisch zu machen. Es geht vielmehr darum, uns selbst von etwas zu überzeugen. Mithilfe von Auto-Rhetorik zum Liebesglück. Wir suchen so ausdauernd nach positiven Eigenschaften des*der anderen, damit wir selber glauben dürfen, dass es lohnt, sie*ihn toll zu finden. Auch wenn die Gefühle hartnäckig stumm bleiben.
Mag eine solche Strategie des Schönredens bei der Studienwahl – „BWL ist zwar öde, aber damit kann ich dann alles machen!” – langfristig etwas halbwegs Gutes abwerfen, wirkt sie im privaten Bereich eher kontraproduktiv. Meistens ist sie nämlich einem Reflex geschuldet, den man als Langzeit-Single nur schwer abschütteln kann: dem Wunsch, dass es doch jetzt bitte mal endlich klappen soll.
Vom Single zum Liebes-Beschwörer
Wer lange single ist, wird sich schließlich oft genug den Vorwurf anhören müssen, man sei zu wählerisch. Jemand, der zu uns passen würde, müsste erst noch gebacken werden, heißt es dann. Also geben wir pflichtschuldig nach, wenn wir jemanden treffen, der es schon irgendwie sein könnte.
Aber da die Gefühle nicht mitspielen, müssen wir eben rhetorisch nachhelfen und beginnen, jedes kleinste biografische Detail zum Match-made-in-Heaven hochzujazzen. Frei nach dem Motto: Wenn man nur lang genug darüber meditiert, wie gut der Grünkohl-Spirulina-Smoothie für den Teint ist, wird er einem schon schmecken.
Aber Menschen kann man sich nur schwer schönreden. Zumindest, wenn es irgendwie romantisch werden soll. Wenn man erwartet, dass Liebe mit im Spiel ist. Das wird nicht funktionieren. Wer also merkt, dass er sich und anderen eine Person als perfekte*n Partner*in zu verkaufen versucht, der sollte das als Warnsignal ernst nehmen. Denn Liebe, das hat auch K. mittlerweile gemerkt, ist keine Liste zum Abhaken.
Der Originaltext von Gunda Windmüller ist bei unserem Kooperationspartner
ze.tt erschienen. Hier könnt ihr ze.tt auf Facebook folgen.
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