Wie viel Feminismus steckt eigentlich in den Parteiprogrammen? Das haben wir für euch gecheckt. Teil 3: Schwangerschaftsabbrüche.
Nach Paragraf 218 ist ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland bis zur zwölften Woche nach einer sogenannten verpflichtenden Schwangerschaftskonfliktberatung zwar straffrei, jedoch immer noch rechtswidrig – das ist vielen Menschen gar nicht wirklich bewusst. Die Ärztin Kristina Hänel kämpft seit Jahren gegen das sogenannte „Werbeverbot“ für Schwangerschaftsabbrüche nach Paragraf 219a und hat mittlerweile Verfassungsbeschwerde eingereicht. Und die Pro-Choice-Bewegung setzt sich weiterhin vehement für eine Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen außerhalb des Strafgesetzbuches ein. Was planen die Parteien beim Thema Schwangerschaftsabbruch?
„Eine Abschaffung des Paragraf 219a lehnen wir ab.“
Im Wahlprogramm der CDU/CSU sind keine Positionen oder Forderungen zu Schwangerschaftsabbrüchen in Deutschland zu finden. Auf Nachfrage haben wir diese Antwort einer CDU-Sprecherin erhalten: „Eine Abschaffung des Paragraf 219a lehnen wir ab, Werbung für einen Schwangerschaftsabbruch sollte verboten bleiben, aber dem Informationsbedürfnis der betroffenen Frauen Rechnung getragen werden.“
„Wir erkennen die Verantwortung und das Selbstbestimmungsrecht von Frauen an und wollen auch deshalb den Paragrafen 219a abschaffen.“
Die SPD macht in ihrem Wahlprogramm deutlich, dass für sie Schwangerschaftsabbrüche zur medizinischen Grundversorgung gehören. Aus diesem Grund fordert sie, dass Krankenhäusern und Praxen die öffentlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden müssen, um Schwangerschaftsabbrüche flächendeckend anzubieten und so wiederum jeder ungewollt schwangeren Person einen wohnortnahen stationären sowie ambulanten Zugang zu ermöglichen. Die SPD fordert außerdem, den Paragrafen 219a abzuschaffen. Bezüglich des Paragrafen 218 stellt die SPD fest, dass „Schwangerschaftskonflikte nicht ins Strafrecht gehören“. Auf Nachfrage sagt dazu ein SPD-Sprecher: „Wie konkret eine andere Regelung aussehen kann, muss angesichts der juristischen, historischen, politischen, weltanschaulichen Komplexität des Themas Gegenstand eines breiten gesellschaftlichen Diskussionsprozesses sein.“
„Abtreibungen, speziell aus sozialen und familiären Gründen, müssen die Ausnahme bleiben.“
Die AfD erkennt an, dass „die Entscheidung über eine Abtreibung natürlich bei der Mutter bzw. den Eltern liegen muss“. Sie lehnt jedoch „alle Bestrebungen ab, die Tötung Ungeborener zu einem Menschenrecht zu machen.“
Die AfD beklagt, dass die verpflichtende Schwangerschaftskonfliktberatung „zu einem formalen Verwaltungsakt verkümmert sei“, der Schwangerschaftsabbrüche in der Gesellschaft bagatellisiere. Sie fordert, dass die Beratung in jedem Fall „dem Schutz des Lebens dienen soll“. Die Schwangerschaftskonfliktberatungen sollen „möglichst unter Einbeziehung der Väter durchgeführt werden.“ Um deutschlandweit gleiche Standards zu gewährleisten, „ist regelmäßig die Wirksamkeit der Beratungsscheinregelung zu überprüfen.“ Was genau hier mit Wirksamkeit gemeint ist, wird nicht detaillierter angegeben.
„Es ist abwegig, dass sachliche Informationen auf der Homepage einer Ärztin oder eines Arztes über einen legalen ärztlichen Eingriff strafbares Unrecht sein sollen“.
Auch die FDP fordert, den „Paragraf 219a des Strafgesetzbuchs (StGB) ersatzlos zu streichen.“ Da ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland unter bestimmten Bedingungen straffrei ist, mache es keinen Sinn, die sachliche Information darüber unter Strafe zu stellen. Laut der FPD brauchen Ärzt*innen verlässliche Regeln, wie sie über Schwangerschaftsabbrüche informieren dürfen, damit ungewollt schwangeren Menschen „ein flächendeckendes und objektives Beratungsnetzwerk zur Verfügung steht.“ Die FDP fordert außerdem, dass die sogenannte Schwangerschaftskonfliktberatung auch online durchgeführt werden kann.
„Wir wollen, dass alle Menschen entscheiden können, ob und wie sie mit Kindern leben möchten. Erst dann können wir reproduktive, körperliche und sexuelle Selbstbestimmung für Frauen und queere Menschen erreichen.“
Die Partei Die Linke will „für Frauen*, trans und nicht-binäre Menschen einen legalen Zugang zum Schwangerschaftsabbruch“.
Sie will den Paragrafen 218 sowie den kompletten Paragrafen 219 streichen und fordert außerdem, dass alle laufenden Verfahren im Zusammenhang mit dem Paragrafen 219a eingestellt werden.
Im Paragrafen 219 ist neben dem sogenannten Werbungsverbot außerdem die verpflichtende Beratung vor einem Schwangerschaftsabbruch sowie das verbotene In-Verkehr-Bringen von Mitteln zum Abbruch einer Schwangerschaft geregelt.
Die Linken verstehen Schwangerschaftsabbrüche als grundlegenden Bestandteil einer medizinischen Versorgung, sodass Krankenhäuser bei ihrer Planung sicherstellen müssen, dass sie diese anbieten können. Wie bei anderen grundlegenden medizinischen Leistungen sollen auch die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs von der Krankenkasse übernommen werden.
Bisher muss die betroffene Person für die durchschnittlichen Kosten von 200 bis 570 Euro je nach Praxis, Methode und Versicherung selbst aufkommen. Nur bis zu einem monatlichen Nettoeinkommen von 1.258 Euro kann ein Antrag bei der Krankenkasse für eine Kostenübernahme gestellt werden. Bezahlt wird der Schwangerschaftsabbruch dann jedoch vom jeweiligen Bundesland.
Die nötige Fachausbildung, um Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen, „muss zum Teil des Medizinstudiums werden“.
In Deutschland ist der Schwangerschaftsabbruch tatsächlich kein offizieller Bestandteil der gynäkologischen fachärztlichen Ausbildung. Inwieweit dieses Thema in der Ausbildung berücksichtigt wird, hängt stark von der Klinik ab, in der angehende Gynäkolog*innen ihre fachärztliche Ausbildung absolvieren. Vor allem in Krankenhäusern mit kirchlichem Träger, die häufig keine Schwangerschaftsabbrüche anbieten, sind Schwangerschaftsaabrüche kein Thema während der Ausbildung.
„Um die Versorgung dauerhaft zu gewährleisten, braucht es eine Entstigmatisierung und Entkriminalisierung von selbstbestimmten Abbrüchen.“
Auch Die Grünen wollen den Paragrafen 219a „schnellstmöglich aus dem Strafgesetzbuch streichen“. Um jeder ungewollt schwangeren Person einen niedrigschwelligen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen zu ermöglichen, setzen sie sich „für eine ausreichend und wohnortnahe Versorgung mit Ärzten*innen, Praxen und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten, ein. Für die Grünen muss das Thema Schwangerschaftsabbrüche fester Bestandteil der Ausbildung von zukünftigen Mediziner*innen werden. Sie möchten außerdem das Angebot freiwilliger Beratungen für ungewollt Schwangere ausbauen.
Nach Ansicht der Grünen sollen die Kosten eines Schwangerschaftsabbruchs generell von der Krankenkasse übernommen werden. Sie stellen jedoch fest, dass dies nur möglich ist, wenn Schwangerschaftsabbrüche nicht mehr im Strafgesetzbuch geregelt werden.
Die Grünen fordern außerdem, dass Schwangere, Beratungsstellen und Ärzt*innen nach bundeseinheitlichen Standards vor Anfeindungen und sogenannten „Gehsteigbelästigungen“ geschützt werden müssen.