Foto: Christina Wunder

„Wenn man Pech hat, wird man altväterlich und von oben herab behandelt”

Wie sieht es aus mit der Gleichberechtigung beim Start in die Arbeitswelt?

 

Alles nur Spaß?

Als Neuankömmling in der Arbeitswelt hat man es nicht leicht – schon gar nicht als junge Frau. Wenn man Pech hat, wird man altväterlich und von oben herab behandelt, schlechter bezahlt oder wegen “Gebär-Gefahr” gar nicht erst eingestellt. Natürlich ist das überspitzt dargestellt und verändert sich glücklicherweise kontinuierlich zum Besseren. Trotzdem, in den kleinen Momenten des Alltags ist es manchmal da, dieses komische Gefühl.

Als ich mit 24 mein erstes „richtiges“ (sprich: bezahltes) Praktikum machte, sagte der Chef bei unserer ersten Begegnung scherzhaft zu mir: “Behandeln sie dich gut? Das hoffe ich. Wenn nicht, musst du dich beschweren – du weißt doch, ich bin gegen Kinderarbeit.” Haha, ich hab’s kapiert, ich sehe aus wie ein kleines Mädchen. Ich möchte trotzdem ernst genommen werden. Versteht mich nicht falsch, ich fand den Witz lustig und musste auch darüber lachen. Erst einige ähnliche Erfahrungen später habe ich gemerkt: Mensch, das ist doch unfair! Werde ich allen Ernstes weniger ernst genommen, weil ich eine höhere Stimme, dafür aber eine niedrigere Körperstatur habe?

In meinem Arbeitsalltag begegnet mir das bis heute gelegentlich. Nicht oft, aber hin und wieder kommt dieser kurze Schock, durchfährt es mich, als hätte mir jemand einen kleinen Splitter unter den Nagel gehauen: Hat er das gerade echt gesagt? Ist das eben wirklich passiert? Klar, bei jedem versteckt herablassenden Kommentar von Kollegen oder Geschäftspartnern spielen andere Dinge eine größere Rolle als das Geschlecht: Sympathie, Regionalverbundenheit, die Wellenlänge eben. Ich will das nicht übertrieben aufbauschen. Aber ebenso darf man nicht herunterspielen, was unseren Arbeitsalltag und eben auch unseren Werdegang prägt. Wird man nicht mit Respekt und Professionalität behandelt, kann einen das unter Umständen desillusionieren und entmutigen. Noch schlimmer, wenn sich der Chef so verhält: Eine neue Studie lässt vermuten, dass die direkten Vorgesetzten einen maßgeblichen Einfluss auf den weiteren Karriereverlauf ihrer Mitarbeiter haben. An deren Unterstützung entscheidet sich die Frage, ob wir unsere Ambitionen verwirklichen können.

Es gibt Hoffnung

Ich habe ziemliches Glück: Mein jetziger Chef ist toll und respektiert jeden seiner Mitarbeiter ungeachtet des Geschlechts. Mit meinem ehemaligen Professor sprach ich neulich über ihn. Ich erzählte ihm davon, wie gut die Arbeit im Team funktioniert, wie mein Chef haargenau die richtige Mischung aus Führung, Unterstützung und Freiraum trifft. Ich liebe meine Arbeit, weil ich geschätzt werde. Mein Professor nickt bedächtig und fragt mich, wie alt er denn sei. “Fünfzig”, sage ich. Seine Miene erhellt sich: “Klasse – das ist das ideale Alter für einen Chef! Vorgesetzte Mitte dreißig haben noch einen ganz anderen Drive, da ist zu viel Testosteron im Spiel. Aber ich sage dir, Chefs mit fünfzig denken als erstes an ihre Mitarbeiter – jüngere verfolgen fast ausschließlich ihre eigenen Interessen. Am schlimmsten sind übrigens Junggesellen – egal welchen Alters. Kinder und Familie müssen sein, das bringt eine gewisse Erdung mit sich.“

Ich bin skeptisch angesichts so viel Generalisierung und Pauschalisierung, höre aber weiterhin höflich zu. „Bei Frauen wiederum ist das differenzierter. Die haben einen Blick für’s Wesentliche. Die können mit den Misslichkeiten des Lebens besser und schneller umgehen; sie denken in komplexeren Zusammenhängen und können sich in ihr Gegenüber hineinversetzen.” Das sind ja mal interessante Thesen…ich frage ihn, ob er mir dazu wissenschaftliche Studien empfehlen kann. “Nee nee, alles meine eigenen Beobachtungen. Aber glauben Sie mir, das merken auch mehr und mehr Unternehmen. Und die meisten wissen mittlerweile auch, dass Kinder und Familie beileibe kein Manko sind, sondern ein Vorteil! Die Elternzeit einer Mitarbeiterin geduldig auszusitzen und sie danach mit offenen Armen zu empfangen, ist die beste Investition, die man im Personalbereich tätigen kann. Nachdem für das private und familiäre Glück gesorgt ist, dürsten sie förmlich nach intellektuellen Herausforderungen. Ein erfülltes Leben ist eben mehr als ‘nur’ der Erfolg in der Firma.”

Die weiblichen Vorbilder vor Augen

Na gut – ob das nun einen Trend darstellt oder tatsächlich bloß seinen „eigenen Beobachtungen” entspringt, kann ich schwer beurteilen. Aber als persönliche Meinung ist das für mich ermutigend. Es tut sich was, es geht voran. Wenn er recht hat, ist es nicht mehr ganz so schlimm, alten Herren bei ihren Schwärmereien zuzuhören, wie toll es doch noch in den wilden Siebzigern war – damals, als man ganz bequem gleich nach der Uni Karriere machte; als die traditionelle Rollenverteilung es ja ohnehin so wollte, dass er als Alleinverdiener seinen Ambitionen nachging, während ihre Bestimmung schon vorher vorgeschrieben schien. Ja, wenn mein Professor Recht hat, dann haben wir jetzt nicht nur die Möglichkeit, arbeiten zu gehen, sondern auch mit Kind und Familie gleichberechtig wieder in den Job einzusteigen. 

Ich bleibe optimistisch und halte mir meine weiblichen Vorbilder vor Augen. Auch ich werde weiter mein Ding machen – und verdammt noch mal gut darin sein.

Christina, 26, schreibt in der EDITION-F-Community und bloggt auf Chapter One Mag über den Berufseinstieg, die erfolgreiche Bewerbung und professionelles Eigenmarketing für junge Absolventen. 


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