Wenn es um die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs ohne Einwilligung des Erzeugers geht, beobachtet unsere Communityautorin ein ganz lebendiges Gerechtigkeitsbewusstsein bei Männern – natürlich zugunsten des eigenen Geschlechts.
Kein Mitspracherecht
Man kann viel Geld darauf verwetten: Kaum geht ein Artikel zum Thema Schwangerschaftsabbruch online, egal mit welchem Fokus, beklagt sich innerhalb kürzester Zeit darunter mindestens ein Mann (dem sich sofort andere anschließen) darüber, wie ungerecht es ist, dass Männer bei einem Abbruch so gar kein Mitspracherecht haben und dass „da mal was gemacht werden muss“.
Vorweg: Ich will überhaupt nicht abstreiten, dass es für einen Mann außerordentlich schwierig und belastend sein kann, wenn eine Frau ein Kind nicht austrägt, das er gerne bekommen hätte. Das ist hart – überhaupt keine Frage. Das kann heftigste Gefühle auslösen, Wut, Trauer, Enttäuschung, Verzweiflung. Ich erkenne das an.
Eine konfliktbeladene Situation
Gleichzeitig wage ich aber zu behaupten, dass diese Situation immer noch weniger schwierig und konfliktbeladen ist als die der schwangeren Person – zumindest in den meisten Fällen. Die wenigsten Menschen machen sich die Entscheidung für einen Abbruch leicht. Die schwangere Person ist ganz unmittelbar betroffen, die Sache passiert in ihr und mit ihr, sie hat für sie deutlich weitreichendere Folgen. Kann man das vergleichen? Vielleicht ist es aber auch unsinnig, in einen Wettstreit zu gehen, wem es schlechter geht dabei. Schauen wir uns also die Sache mal objektiv an:
Es gibt Männer, die ein Mitspracherecht bei einem Schwangerschaftsabbruch verlangen. In solchen Diskussionen fange ich gerne mal an nachzubohren: Wie genau soll das denn aussehen? Da kommen die Herren dann erfahrungsgemäß recht schnell ins Schleudern. Denn objektiv betrachtet ist die Situation nun mal so: Es sind zwei Menschen beteiligt. Wenn sie dies will und er das, dann haben wir ein Patt. Eine Stimme muss also mehr Gewicht haben, sonst kann keine Entscheidung fallen. Und dass die Stimme, die mehr Gewicht hat, die der schwangeren Person sein muss, das steht für mich außer Frage.
Der Großteil der Belastungen liegt bei der Frau
Die Frau ist schwanger. Es ist ihr Körper. Sie nimmt die Belastungen und Einschränkungen in Kauf, sie riskiert Gesundheit und Leben (ja, auch heute noch sterben Menschen an Schwangerschaft und Geburt oder erleiden schwere Erkrankungen, Verletzungen und Beeinträchtigungen). Sie muss das Kind neun Monate in ihrem Körper beherbergen. Im Großteil der Fälle ist sie es, die Karriereknick, Einkommenseinbußen und magere Rente auf sich nimmt. Die Care-Arbeit wird voraussichtlich schwerpunktmäßig bei ihr liegen. Es ist wahrscheinlich, dass sie im Fall einer Trennung mit dem Großteil der Belastung allein bleibt, massiv gefährdet, in Altersarmut zu landen.
Die Lasten sind ungleich verteilt bei einer Schwangerschaft, und darum können die beiden Beteiligten eben auch nicht die gleichen Rechte bei der Entscheidung in Anspruch nehmen. Es wäre ja noch schöner, wenn ein Mann eine Frau zwingen könnte, die Schwangerschaft auszutragen.
Warum mitreden?
„Ja, nee, zwingen können soll er sie nicht…“, heißt es dann in der Diskussion vonseiten der Männer (wobei ich manchem Diskussionspartner anmerke, dass er sich eigentlich genau das wünscht, es aber nicht zugeben will). Ja, was dann? Mal Butter bei die Fische: Wie genau soll das Mitspracherecht denn nun aussehen? „Ja, er sollte halt mitreden dürfen …“ Ja, aber wie? Konkret? Welche Konsequenzen soll sein Mitreden haben? Es wird gedruckst und sich um eine konkrete Aussage herumgedrückt, weil es aus dem Dilemma letztlich keinen anderen Ausweg gibt als: Die schwangere Person entscheidet. Es gibt nur entweder-oder – wenn die Beteiligten unterschiedlicher Meinung sind, gibt es da keine Alternative.
Manche Männer plädieren dafür, dass die schwangere Person sie zwingend einbeziehen, mit ihnen darüber reden müssen soll – ähnlich wie die Pflichtberatung soll die Beratung mit dem Vater zwingend sein. Tut mir leid, dem kann ich nichts abgewinnen. In einer gesunden Beziehung werden solche Gespräche ohnehin stattfinden. Die meisten Menschen wollen schwerwiegende Entscheidungen sowieso diskutieren. Will die schwangere Person den Mann nicht mit einbeziehen, so dürfte sie im Normalfall gute Gründe dafür haben.
Zusätzlichen Druck braucht keine
Nämlich, dass sie damit rechnen muss, dass ihre Meinung und ihre Wünsche nicht respektiert werden, dass sie unter Druck gesetzt und genötigt wird – oder Schlimmeres. Es gibt Menschen, für die es zwingend notwendig ist, dass der Erzeuger nichts von dem Abbruch erfährt, da ihre körperliche Unversehrtheit oder sogar ihr Leben in Gefahr wäre. Die schwangere Person prinzipiell dazu zu zwingen, mit dem Erzeuger des Embryos zu verhandeln, egal in welcher Beziehung sie zu ihm steht und wie sich dieser verhält, ist hanebüchen. Sie befindet sich ohnehin in einer Ausnahmesituation und braucht sicher niemanden, der Druck ausübt. Übrigens kann dieser Druck ja durchaus auch zur Entscheidung für einen Abbruch führen – die Frage, ob das Mitspracherecht des Mannes denn auch dann okay ist, wenn dieser die schwangere Person zu einem Abbruch drängt, wird meistens in den Kommentarspalten nicht konkret beantwortet.
Letztlich fällt den Herren dann meist irgendwann kein Argument mehr ein und die Sache gipfelt üblicherweise in einem mauligen: „Aber das ist halt ungerecht.“
Die Welt ist ungerecht
Ja. Ist es. Und du bist kindisch! Mal ehrlich, hast du wirklich als erwachsener Mensch noch nicht mitbekommen, dass die Welt nicht immer gerecht ist? Als Frau kann ich da nur zynisch entgegnen: „Willkommen im Club!“ Was meinst du denn, wie oft die Welt uns Frauen gegenüber ungerecht ist? Ziemlich oft – fühlt sich scheiße an, wenn es einen selbst mal trifft, was, Jungs? Interessanterweise könnte man die meisten Ungerechtigkeiten, die Frauen treffen, eliminieren – wenn man denn wollte. Hier, in diesem Fall, ist die Ungerechtigkeit nicht zu ändern. Genauso gut könnten wir maulen, wie ungerecht es ist, dass wir schwanger werden und nicht die Männer.
Es ist wie es ist, und darum muss es dabei bleiben, dass die schwangere Person die Entscheidung trifft. Weil jede Änderung zugunsten des Mannes nun einmal eine direkte Verletzung elementarer Menschenrechte der Person mit Uterus ist. Sie hat das Recht, über ihren Körper zu entscheiden. Genauso, wie jeder von uns das Recht hat, zu entscheiden, ob er oder sie Blut, Knochenmark, eine Niere spenden will. Einmal in einer Frau abspritzen gibt einem Mann nun einmal keine dauerhafte Verfügungsgewalt über sie, kein Recht sie zu zwingen, ihren Körper einem werdenden Leben zur Verfügung zu stellen. Spricht man einer Frau die Entscheidung über ihren eigenen Körper ab, hat man eine Sklavin erschaffen, ähnlich wie in „The Handmaid’s Tale“. Und nein, „dann soll sie das Kind dem Mann übergeben/halt zur Adoption freigeben“ ist keine Lösung für eine nicht erwünschte Schwangerschaft – eine Frau ist kein persönlicher Brutkasten für einen Mann und auch keine Zuchtkuh für ungewollt Kinderlose.
Ausnahmsweise mal die Kontrolle abgeben
Meist wird dann noch trotzig hinterhergeschickt, dass der Mann dann aber auch nicht zu Unterhalt verpflichtet werden sollte. Das ist natürlich durchaus eine Frage, die sich diskutieren lässt (auch wenn die Statistiken zu unterhaltsprellenden Männern nahelegen, dass das Problem für Männer nicht unlösbar ist). Man könnte dem Mann eine gewisse Frist einräumen, innerhalb derer er die Elternschaft ablehnen könnte – diese müsste kürzer als die Frist für einen Abbruch sein, sagen wir, bis zur achten Woche, um der schwangeren Person eine fundierte Entscheidung für oder gegen das Kind zu ermöglichen.
Aber würde das funktionieren? Die Frau könnte problemlos behaupten, die Schwangerschaft erst nach der achten Woche bemerkt zu haben, und der Mann wäre doch wieder unterhaltspflichtig. Eine Abschaffung der Unterhaltspflicht könnte zudem dazu führen, dass Männer sich noch weniger verpflichtet fühlen, sich um Verhütung zu scheren, und gleichzeitig zu noch mehr Abbrüchen, weil die Betroffenen verständlicherweise entscheiden, der finanziellen Belastung allein nicht gewachsen zu sein. Ob das den Gegnern von Schwangerschaftsabbrüchen dann wiederum passen würde? Ich schätze nein, die werden eher auf dem Trip sein, dass die schwangere Person das Kind zwar bekommen, aber bitte allein ernähren soll.
Ja, liebe Männer, das alles ist ungerecht. Ohne jede Frage. Aber daran können wir leider nichts ändern. Ich verstehe schon, ihr haltet es schwer aus, mal nicht die Kontrolle zu haben, zu erleben, dass über eure Köpfe weg entschieden wird, einfach nur, weil ihr Männer seid. Glaubt mir, wir Frauen kennen dieses Gefühl. Es ist scheiße. Aber: Gerechter geht’s nun mal nicht. Da müsst ihr durch.
Anmerkung der Redaktion: Bei diesem Text handelt es sich um einen Gastbeitrag. Wir weisen daraufhin, dass nicht ausschließlich Frauen schwanger werden und Kinder bekommen, sondern es Menschen mit Uterus betrifft.