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Deine digitale Identität – was Digitalisierung mit Selbstmanagement zu tun hat

Wir leben in einer Zeit in der Digitalisierung überall ist – im Privaten und Beruflichen. Das heißt auch wir sind ständig erreichbar. In folgendem Artikel erzählt Kathalin Laser, Wirtschaftspsychologin & Coach, darüber, wie wir selbstverantwortlich damit umgehen können und wieder mehr auf unseren Fokus achten lernen. Sie nennt das “Selbstmanagement”. Eine kleine Übung zum Fokussieren gibt es auch.

 

„Ich muss mein Handy anlassen, falls etwas ist“, sagt Herr Baumgarten, Bereichsleiter in einem mittelständischen Unternehmen, morgens um 9:12h in einem Seminarraum eines Tagungshotels im Grünen.

Wir sitzen hier zusammen, ein Team aus Führungskräften und ich als Coach, und besprechen zu Beginn des Führungsteamworkshops den Rahmen für die kommenden zwei Tage. Ein wichtiger Punkt dabei ist: Fokus setzen und halten – Fokus halten auf das, was im Workshopraum passiert, auf sich selbst und das gesamte Team.

Aber den Fokus halten, scheint irgendwie nicht mehr so einfach zu sein.

Ausgangssituation: ständig erreichbar

Es geht um einen Zustand, in dem wir uns heute pausenlos befinden: die ständige Erreichbarkeit. Durch die Aussage von Herrn Baumgarten wird klar, Fokussieren wird heute durch viele Faktoren erschwert. Die ständige Erreichbarkeit scheint ein Faktor zu sein, an den wir uns sowohl im Beruflichen wie im Privaten gewöhnt haben und der durch die Digitalisierung weiter verstärkt wird.

Wir haben ständig mehrere Tabs offen, schreiben parallel mit mehreren Leuten, meistens sogar beruflich und privat gemischt. Wir werden durch eine Nachricht in ein anderes Themenfeld hineingezogen, wodurch es sein kann, dass wir im Meeting schon das nächste Meeting oder auch unsere Feierabendaktivitäten planen, wenn uns z.B. die Facebook-App in dem Moment an ein bevorstehendes Event erinnert.

Wir sind immer gleichzeitig in vielen Themen unterwegs, obwohl wir physisch an einem Ort sitzen. 

Mich erinnert das stark an unseren Geist und Verstand – der ist auch pausenlos mit vielen verschiedenen Dingen beschäftigt. Nur jetzt ist mit der digitalen Identität eine weitere Welt geöffnet, die unsere Aufmerksamkeit verlangt. Es werden immer mehr Impulse, auf die wir reagieren und on- oder offline Veranstaltungen, an denen wir teilnehmen sollen. Und so wie das aktuell aussieht mit der Umstellung auf digitale Prozesse in Unternehmen und dem Anstieg von Online-Konsum, Nutzung von Apps und den digitalen Kontaktmöglichkeiten, wird das zukünftig nicht weniger werden. Die Digitalisierung passiert überall und ist auch nicht mehr wegzudenken.

Die Frage ist also jetzt: wie gehen wir damit um?

Fokus heißt das Zauberwort, welches in meinen Coaching Prozessen immer mehr an Bedarf gewinnt. Das Schöne am Fokussieren ist, dass wir dazu nicht viel brauchen. Wir müssen nicht erstmal losrennen und uns eine Ausrüstung kaufen oder eine Weiterbildung belegen. Wir können, wenn wir wollen, noch heute starten und zwar direkt.

Selbstmanagement heißt Fokussierung

Eine kleine Übung 

Interview Dich doch einfach mal genau in diesem Moment kurz selbst und frage Dich: Was ist gerade in diesem Moment wichtig? Versuch dabei mal nicht nur Deinen Verstand zu fragen, sondern auch Deinen Bauch und Deine Intuition. Was hat gerade Priorität?

Stell die Frage ruhig ein paar Mal und tauche darüber ein in einen kleinen Selbstreflektionsprozess mit Dir selbst. Wenn Deine Gedanken abschweifen z.B. hinzu: „Das ist doch Schwachsinn.“ „Was war heute Abend nochmal?“ „Ach Mist ich muss die E-Mail noch beantworten.“ – komm wieder zurück zu der Frage: Was ist gerade in diesem Moment wichtig?

Zerdenke die Frage nicht, sondern schau mal, was Dir ziemlich schnell in den Sinn kommt und als Gedanke bleibt. Wenn Du eine zufriedenstellende Antwort gefunden hast, folge ihr. Egal ob es etwas ist, das einen größeren Fokus oder kleineren Fokus beinhaltet.

Ein kleinerer Fokus kann z.B. sein:

  •  Mach erstmal das Konzept für Kunde xy fertig, bevor du dich mit der gerade eingegangenen Email oder Whatsapp beschäftigst.
  • Geh mal einen Moment an die frische Luft und versorge deinen Kopf mit Sauerstoff, bevor du zurück an deinen Rechner gehst.
  • Hunger! Iss mal was.

Ein größerer Fokus kann z.B. sein: 

  •  Fokussiere dich wieder mehr auf deinen Körper und versuch wieder regelmäßiger zum Yoga oder Sport zu gehen.
  • Wie lange hast du deine Freunde nicht gesehen? Plan mal wieder ein Abendessen mit Ihnen.
  • Wann warst du das letzte Mal nur für dich?
    Und was sagst Dir Deine innere Stimme? 

Fokussierung heißt wieder auf die innere Stimme hören

Durch die Möglichkeit ständig in der digitalen Welt zu sein, zeigt sich eine Entwicklung weg von uns selbst. In sozialen Netzwerken passiert immer etwas und es findet sich immer etwas zu tun. Entwicklung weg von uns heißt, dass wir uns mehr ablenken und im Außen nach Antworten suchen als uns selbst zu fragen, was gerade für uns und unsere Balance richtig wäre. Viele von uns gehen dabei über ihre körperlichen Grenzen, weil sie es gar nicht mehr anders kennen.

Zu Beginn meiner Coaching Prozesse zeigt sich das sehr häufig in folgenden, beispielhaften Aussagen:

  •  Ich versuche alles zu durchdenken, mein Kopf rattert pausenlos.
  • Ich weiß nicht mehr, was wirklich gut für mich ist.
  • Ich bin nur noch bei den anderen und nicht mehr bei mir.
  • Ich bin immer angespannt und unter Strom.
  • Ich weiß nicht, was ich will, es gibt so viel.
  • Ich kann die Arbeit nicht loslassen, wenn ich privat unterwegs bin.

Ergänzend dazu zeigen sich manchmal noch körperliche Symptome wie Müdigkeit, Augenzucken, Schulter- oder Rückenschmerzen, Kopfschmerzen, Schwindel oder Verdauungsprobleme. Der Körper gibt uns darüber Hinweise, wo wir aus der Balance geraten sind.

Zu lernen sich wieder auf das zu fokussieren, was in dem Moment und der aktuellen Lebensphase gerade am Wichtigsten ist, ist also das Fundament von Selbstmanagement. 

Dabei hilft auch die Hinweise des Körpers lesen zu können.
Denn wenn wir lernen den Fokus auf das Wesentliche zu lenken, dann kennen wir unsere Kraftquellen und haben einen starken, wachen Geist, mit dem wir aktiv unsere Grenzen ziehen und im bewussten Umgang mit On- und Offlinewelt leben. Dann wissen wir wieder, was gut für uns ist und können danach handeln.

Dieser Beitrag ist auch auf Kathalins eigener Webseite erschienen, siehe hier: Digitalisierung geht nicht ohne Selbstmanagement 

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