Es gibt kein Richtig oder Falsch. Den Interviewenden geht es um etwas ganz anderes.
Oxford spielt mit offenen Karten
Stephen Hawking hat es geschafft. Bill Clinton, J.R.R. Tolkien und Oscar Wilde auch. Sie alle haben einen Abschluss an der Oxford University, einer der ältesten und renommiertesten Universitäten der Welt. Auch du könntest zu diesem auserwählten Kreis gehören, dafür musst du nur ein paar läppische Fragen beantworten. Okay, das ist nicht alles. Zusätzlich müsstest du sehr gute Noten vorweisen können, ziemlich viel Geld in der Tasche haben und ein strenges Aufnahmeverfahren überstehen. Teil dieses Verfahrens sind Interviews mit fachspezifischen Fragen, die es in sich haben.
Vergangene Woche veröffentlichte die Universität einige ihrer Bewerbungsfragen mitsamt den Begründungen, warum sie gestellt werden. Diese Rechtfertigungen waren wohl notwendig, da es oft keine korrekten Antworten gibt. Die Interviewenden interessiere vielmehr der Argumentationsweg, wie man zu Antworten kommt. Die Fragen stammen von den Tutorinnen und Tutoren, welche die Interviews selbst durchführen.
Biologie: Wäre es von Bedeutung, wenn Tiger aussterben würden?
Diese Frage zielt nicht darauf ab, die Studierenden nach Expertenwissen über Tiger zu filtern. Interviewer Martin Speight schreibt dazu: „Die meisten Bewerber würden instinktiv mit Ja antworten, aber es ist das Warum, das mich interessiert.“ An der Antwort, die nach dem Weil folgen sollte, könne er erkennen, ob jemand kritisch denken kann. Eine Folgefrage wäre dann: Wäre es von Bedeutung, wenn ein weniger glamouröses Lebewesen aussterben würde, wie zum Beispiel Pilze?
Wenn Sie entweder Regenwälder oder Korallenriffe retten könnten, für was würden Sie sich entscheiden?
Hier sollen Studierende sowohl ihr Allgemeinwissen als auch ihren Alltagsverstand nutzen, eine detaillierte Antwort wird nicht verlangt. Laut Speight gehe es darum zu testen, ob die Bewerbenden ein Gefühl für die Auswirkungen des Menschen auf die Erde haben und ob sie Dinge wie Biodiversität, Artenvielfalt und die Interessen der Menschen berücksichtigen. Eine richtige Antwort gibt es natürlich nicht. Sowohl Riffe als auch Regenwälder müssen nachhaltig versorgt werden.
Ist es für einen Organismus leichter an Land oder im Ozean zu leben?
Zuerst sollen Bewerberinnen und Bewerber bei dieser Frage das Wort leichter definieren. Bedeutet es weniger komplex? Meint es einen geringen Energieverbrauch, weniger hoch entwickelte Organismen oder deren geringere Wahrscheinlichkeit, gegessen zu werden? Welchen Herausforderungen muss sich ein Lebewesen im Wasser oder an Land stellen, wo waren Lebewesen in ihrer Entwicklung erfolgreicher? Und was bedeutet jetzt wiederum das Wort erfolgreich?
Geschichte: Ist Gewalt immer politisch? Hat das Wort politisch in unterschiedlichen Kontexten unterschiedliche Bedeutungen?
Hier geht es den Fragestellenden darum, die übliche Herangehensweise an Politik aufzubrechen – keine Jahreszahlen, Könige, Parlamente. Vielmehr sollen die Kandidatinnen und Kandidaten erklären, wann Gewalt politisch ist und ob es unterschiedliche Kategorien von Gewalt gibt. Sehr gute Kandidatinnen und Kandidaten würden sich sogar an einer Definition von dem Wort politisch versuchen – wobei das sehr herausfordernd ist.
Jura: Wenn auf Falschparken die Todesstrafe stehen würde und deshalb niemand mehr falsch parken würde, wäre das ein gerechtes und effektives Gesetz?
Auch hier wird kein Richtig oder Falsch erwartet. Bewerbende müssen zeigen, dass sie den Unterschied zwischen gerecht und effektiv kennen, denn ein gerechtes Gesetz muss nicht effektiv sein und umgekehrt. Denn die Höhe der Bestrafung in Anbetracht des Verbrechens ist nicht verhältnismäßig und somit nicht gerecht. Dennoch ist es effektiv, da keiner mehr falsch parkt.
Moderne Sprachen: Was ist Sprache?
Warum sagen wir Sätze wie: Ich liebe Spanisch. Bewerbende sollen sich hier damit auseinandersetzen, warum sie eine Fremdsprache gerne sprechen. Definieren sie Sprache nach ihren spezifischen Eigenschaften oder nach ihrer Funktion?
Musik: Wenn Sie ein neues Musikinstrument erfinden könnten, welche Art von Geräuschen würde es machen?
Bei diesem Beispiel ist der zuständige Fragesteller Dan Grimley an der kritischen Vorstellungskraft der Bewerbenden interessiert. Welche Geräusche machen Instrumente und Stimmen heute und wie haben sie sich entwickelt? Was gibt es für neue Arten, um Geräusche zu produzieren. Inwiefern hat sich unser Hör- und Nutzungsverhalten verändert?
Der Originaltext von Philipp Kienzl ist bei unserem Kooperationspartner ze.tt erschienen. Hier könnt ihr ze.tt auf Facebook folgen
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