„Die Euphorie ums Digitale kann ich nicht nachvollziehen“, das sagte der Präsident des Lehrerverbands in dieser Woche auf die Ankündigung von Bundesbildungsministerin Johanna Wanka, 5 Milliarden Euro für die Digitalisierung der Schulen bereitzustellen. Digitalexperte Philipp Knodel kommentiert die Debatte.
Computer vs. Bücher?
Und plötzlich scheint es schnell zu gehen: Bildungsministerin Wanka kündigt an, 5 Milliarden Euro für die Computerausstattung und WLAN an Schulen auszugeben. Das ist ganz schön viel Geld … damit kann richtig was bewegt werden. Stellt euch das vor – alle Schulen in Deutschland haben funktionierende Computer, richtig nutzbare WLAN-Netzwerke und dazu vielleicht noch einen Stapel Tablets. Das wäre toll und unglaublich wichtig.
Okay, schnell ist übertrieben: Der Zeitplan ist bis 2021 und demnächst kommen Koalitionsverhandlungen. Ob es 5 Milliarden Euro bleiben, steht in den Sternen, es gibt auch sonst viele offene Fragen. Und dann gibt es noch den Bildungsföderalismus: Frau Wanka kann zwar Computer kaufen – ob und wie damit gearbeitet wird, entscheiden jedoch dann die Bundesländer. Beziehungsweise eigentlich entscheiden es die Lehrkräfte. Und von einigen kommt direkt scharfe Kritik – teilweise am Vorstoß von Frau Wanka, teilweise an allem Digitalen generell.
Und damit ist die Debatte bereits nach wenigen Tagen dort angekommen, wo sie meistens leider auch schon wieder endet, wenn es um Digitalisierung in der Schule geht: Im Entweder – Oder.
Entweder Computer oder Bücher.
Entweder WLAN-Netze oder sanierte Schulklos.
Entweder Digitalisierung oder eingestürzte Schulaulas.
Entweder Schwarz oder Weiß.
Es gibt bereits tolle Digital-Projekte
Zwischentöne gibt es leider zu wenig. Das ist schade, weil es zwischen diesen großen rumpelnden Schwarz-Weiß-Diskussionen Projekte gibt, die abseits von milliardenschweren Investitionen Lösungsvorschläge machen. Vorschläge die kreativ sind, skalierbar und gar nicht so teuer.
Zum Beispiel der vor kurzem vorgestellte Calliope Minicomputer , den das Team um Gesche Joost und Stephan Noller entwickeln. Der wird klein und günstig und soll allen Schülerinnen und Schülern zur Verfügung gestellt werden.
Wir erstellen mit App Camps Lernunterlagen zum Thema Programmieren, zum Beispiel „App Entwicklung im Unterricht“. Ob Apps im Informatikunterricht oder im Kunstunterricht entwickelt werden, entscheiden die Lehrkräfte selbst.
Vor allem – und auch das hört man vor lauter Entweder-Oder-Getöse zu wenig: Es gibt schon jetzt viele Lehrerinnen und Lehrer, die digitale Themen unterrichten. Die haben tolle Ideen, sind kreativ, und haben gute Konzepte. Da sollte man genauer hinschauen, statt in die nächste Grundsatzdebatte zu rumpeln.
Wichtig ist vor allem, dass jetzt etwas passiert und nicht erst 2021. Denn es geht um die Schülerinnen und Schüler von heute: Sie müssen lernen, was für die Zukunft wichtig ist. Und wenn die Welt immer digitaler wird, dann gehören definitiv auch digitale Kompetenzen dazu. Aufgepasst: nicht ausschließlich. Digitale Kompetenzen sind nur ein Teil von den wichtigen Dingen, die in der Schule vermittelt werden müssen. Und dafür braucht es Bücher und (!) Computer.
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